Musik, die Spass macht
12.09.2023 AdelbodenERÖFFNUNG DES SWISS CHAMBER MUSIC FESTIVAL 2023
Eine hochkarätig besetzte Bühne, allerlei ungewöhnliche Instrumente und MusikerInnen, die ihre Stücke nicht nur spielen, sondern regelrecht tanzen – das Eröffnungskonzert war ein ...
ERÖFFNUNG DES SWISS CHAMBER MUSIC FESTIVAL 2023
Eine hochkarätig besetzte Bühne, allerlei ungewöhnliche Instrumente und MusikerInnen, die ihre Stücke nicht nur spielen, sondern regelrecht tanzen – das Eröffnungskonzert war ein grosser Augen- und Ohrenschmaus.
MARK POLLMEIER
Wenn Helene Fischer auf Tournee geht, dann ist sie mit mehreren Sattelschleppern unterwegs, vollgestopft mit Kostümen und ausgefeilter Bühnentechnik – man will dem Publikum schliesslich etwas bieten.
Die grossen Musiker und Komponisten der Barockzeit hatten solche Möglichkeiten nicht. Für ihre Show standen ihnen ausschliesslich die Mittel der Musik zur Verfügung. Die aber wussten sie zu nutzen: Viele Werke jener Zeit strotzen nur so vor Kreativität und reizen die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit aus – man denke etwa an Vivaldis «Vier Jahreszeiten». Doch abgehoben und unzugänglich durfte die Musik nicht sein. Vielmehr sollte sie das Gefühl jener Zeit aufgreifen und den Geschmack des Publikums treffen. So kam es durchaus vor, dass ein Barockkomponist beliebte Volksweisen in seine Stücke einbaute.
Technik à la Barockzeit
Anspruchsvolle Kunst, die auch Spass macht – wie sich diese Mischung anhört, konnten die BesucherInnen des Eröffnungskonzerts vom vergangenen Freitag erleben. Das Programm listete allerlei Vornamen auf, doch es bestand aus nur drei Komponisten: Heinrich Ignaz Franz Biber, Johann Heinrich Schmelzer und Johann Joseph Fux. Im 17. Jahrhundert gehörten sie zur böhmisch-habsburgischen Musikelite, standen in Diensten von Kaisern und Erzbischöfen.
Am Können dieser drei Herren besteht also kein Zweifel. Dass ihre Virtuosität trotzdem leichtfüssig und eingängig daherkommt, liegt an einem damals gern genutzten Prinzip: jenem der Variation. Das musikalische Grundthema eines Satzes war oft vergleichsweise einfach gestrickt, wurde dann aber auf vielfältige Weise wiederholt, ausgebaut und verändert. Dies geschah unter anderem, indem man manche Instrumente von einem Satz zum anderen umstimmen liess, sodass sich ein völlig neuer Klang ergab – Technik à la Barockzeit eben.
Variantenreich entstanden so immer wieder neue Formen und Farben, die sich mal wie ein Zwiegespräch, mal wie ein Tanz anhörten.
Und am Ende ein Jauchzer
Zu hören – und zu sehen! – war all das in einem Werk von Biber, in dem er verschiedene Sätze um ein zentrales musikalisches Thema gruppiert. Die Geigerinnen Meret Lüthi und Sabine Stoffer wiegten sich zu den Melodien, Margit Übellacker bearbeitete voller Energie das Salterio, ein barockes Hackbrett, und der Perkussionist Hannes Malkowski bespielte allerlei Schlagwerk derart tänzerisch-hingebungsvoll, dass man gar nicht anders konnte, als ihn dabei fasziniert zu beobachten. Die «Bühnenshow» gipfelte in einem kurzen Finale, an dessen Schlusspunkt Meret Lüthi einen fröhlichen Jauchzer ausstiess.
Wer dem Ensemble zuschaute, vergass leicht, dass hier anspruchsvolle, streckenweise herausfordernde Musik gespielt wurde. Doch trotz wechselnder Besetzung, trotz schwieriger Doppelgriffe auf der Violine und dem vom Komponisten vorgegebenen Umstimmen der Instrumente war der Auftritt von Les Passions de l’Âme frisch und voller Witz.
Wer kommt woher?
Dass anspruchsvolle Musik nicht automatisch bierernst sein muss, diese Haltung nahm das Ensemble mit zum After-Concert-Apéro im Hotel The Cambrian. Mittlerweile etwas legerer gekleidet– und teilweise barfuss – gruppierten sich die MusikerInnen vor einer Fensterfront und gaben dort ein Stück aus der «Musikalischen Fechtschule» zum Besten. Doch bevor es so weit war, veranstaltete Ensemble-Leiterin Meret Lüthi noch ein kleines Quiz. In der Dorfkirche hatte sie zuvor alle Mitglieder von Les Passions de l’Âme mit ihrer Herkunft vorgestellt. Wie viele der international verstreuten Städte würde die Festivalgemeinde jetzt noch zusammenbekommen? Bern, Biglen und Luzern, Frankfurt und Leipzig, Rom, Kyoto und Amsterdam – die KonzertbesucherInnen hatten gut aufgepasst und blieben keine Antwort schuldig.
Les Passions de l’Âme – Orchester für Alte Musik: www.lespassions.ch