Entdeckt wurde er am 1. Juli, und der Unbekannte sorgte sofort für Aufregung: Da rast ein Komet auf uns zu, geheimnisvoll, aus den finsteren Tiefen jenseits unseres Sonnensystems – und trägt den schillernden Namen 3I/Atlas. Schon das Kürzel klingt gefährlich, fast ...
Entdeckt wurde er am 1. Juli, und der Unbekannte sorgte sofort für Aufregung: Da rast ein Komet auf uns zu, geheimnisvoll, aus den finsteren Tiefen jenseits unseres Sonnensystems – und trägt den schillernden Namen 3I/Atlas. Schon das Kürzel klingt gefährlich, fast nach einer Geheimwaffe oder wie ein Kühlschrankmodell aus den 1970er-Jahren, das heute noch unbeirrbar in irgendeinem Oberländer Keller brummt. Wie könnte es anders sein – sofort kursierte das Schlagwort «Alien» in den einschlägigen Kreisen, und die Fernsteuerung für den Weltuntergang wurde gesucht.
Also was genau kommt da auf uns zu? Die seit Jahrzehnten in Hollywood-Filmen herbeigesehnte Katastrophe aus dem All? Greift die galaktische Steuerbehörde nun auf unsere bescheidenen Ersparnisse zu? Oder landen endlich mal die berühmten kleinen grünen Männchen, um auf dem Gemeindeplatz ein Selfie zu machen und dann rasch weiterzufliegen?
Die nüchternen Astronomen haben gerechnet und der Schreck war schnell relativiert: Das unheimliche Objekt, unser Komet, saust mit rund 200 000 km/h an der Erde vorbei – aber in einer Entfernung von stolzen 270 Millionen Kilometern. Was in astronomischen Kreisen immer noch beinahe als «gefährlich nah» gilt. So wie ein Handwerker, der «gleich» kommt.
Nähe ist eben Ansichtssache – und bleibt oft Definitionssache. Bei uns im Oberland ist eine halbe Stunde Wanderung ein Katzensprung. In Bern dauert ein politischer Entscheid ungefähr drei Umläufe des Planeten Saturn. Und wenn jemand zu nahe kommt, sei es im überfüllten «Lötschberger» oder bei einem «wir müssen reden», dann sind kosmische Distanzen wohl das kleinere Übel.
Was bleibt uns also? Mehr als abwarten geht sowieso nicht. Vielleicht einfach etwas Ruhe bewahren und sich darüber freuen, dass das Universum einmal kurz zu Gast ist – wenn auch in respektvoller Entfernung. Denn sollte der mysteriöse Komet tatsächlich Richtung Frutigland abbiegen, wird er vermutlich zum gleichen Schluss kommen wie wir: «Schön hier auf der Erde – aber auch ein bisschen schräg.»
HANS RUDOLF SCHNEIDER
H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH