Nationalrat entscheidet über Vollausbau
23.02.2024 FrutigenVERKEHR Am Montag steht der öffentliche Verkehr auf dem Tagesprogramm des Nationalrats. Verhandelt wird über einen Kreditrahmen von 2,6 Milliarden Franken für die Bahn, der unter anderem den Ausbau der Lötschbergstrecke abdecken soll. Erste Arbeiten sind bereits im ...
VERKEHR Am Montag steht der öffentliche Verkehr auf dem Tagesprogramm des Nationalrats. Verhandelt wird über einen Kreditrahmen von 2,6 Milliarden Franken für die Bahn, der unter anderem den Ausbau der Lötschbergstrecke abdecken soll. Erste Arbeiten sind bereits im Gange.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Stand und Änderungen bei Ausbauprogrammen der Bahninfrastruktur und neue Langfriststrategie ‹Perspektive Bahn 2050›». So lautet der sperrige Titel des Traktandums für den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs in den nächsten Jahren. Ab Montagmittag wird sich der Nationalrat als Zweitrat mit den Anpassungen des «Ausbauschritt 2035» befassen. Ein Schwerpunkt ist der Antrag des Bundesrats, den Lötschberg-Basistunnel durchgehend auf zwei Röhren auszubauen – also der Vollausbau (siehe Kasten). Dieser erfordert gegenüber dem bereits bewilligten Teilausbau – nur anderthalb benutzbare Röhren – eine Erhöhung des Kredits um 640 Millionen auf 1,7 Milliarden Franken.
Damit könnte auch die bei der Abstimmung über die Neue Alpentransversale (Neat) von 1992 politisch bewusst kastrierte alpenquerende Lötschberg-Bahnverbindung auf die volle Kapazität gebracht werden. Schon im Normalbetrieb kommt diese fast an ihre Belastungsgrenze. Seit der teilweisen Sperrung des Gotthard-Basistunnels nach einem Unfall im August 2023 wird die Verbindung richtig ausgereizt.
Teilprojekte laufen
Ungeachtet des anstehenden Entscheids im Parlament ist die BLS am Lötschberg aber bereits aktiv. Teilprojekte, die für den Teilausbau nötig sind und ebenfalls für den Vollausbau genutzt werden können, sind in Arbeit oder starten demnächst. Die Übersicht:
• Über Glasfaserkabel wird die Technik des Tunnels angesteuert. Damit die Datenübertragung während der Bauzeit funktioniert, werden alle entsprechenden Kabel in den Tunnel Ost verlegt und neu angeschlossen. Totale Kabellänge: rund 55 Kilometer.
• Der Antriebsmotor für die Schleuse Mitholz ist bereits ausgetauscht worden: Damit der Baustellenverkehr während des Ausbaus die Schleuse ohne Wartezeiten passieren kann, müssen beide Tore geöffnet bleiben. Deshalb braucht es eine stärkere Belüftung. In einem Notfall müssen die Schleusentore trotzdem gegen diesen Luftdruck schnell geschlossen werden können. Dafür braucht es einen stärkeren Antrieb.
• Die Mittelspannungskabel führen durch den Rohbautunnel. Damit die Stromversorgung während der Bauzeit sichergestellt ist, muss eine 500 Meter lange neue Verbindung zwischen den Technikzentralen Mitte Ost und Mitte West erstellt werden.
• Die Bauarbeiten werden Staub zur Folge haben, was die technischen Komponenten in den Kavernen nicht gern haben: Die Querverbindungen Nr. 24 bis 64 zwischen dem voll ausgebauten Ost- und dem Westtunnel werden deshalb mit 44 provisorischen Stahlwänden und Schiebetüren verschlossen und so vor Verschmutzungen geschützt.
• Im Zuge der Baumassnahmen fällt einiges an Schmutzwasser an. Dieses wird in Absetzbecken vorgereinigt. Damit es anschliessend durch den Westtunnel zum Portal Raron geleitet werden kann, erstellt die BLS eine sieben Kilometer lange Abwasserleitung. Das Wasser wird im Wallis ein zweites Mal gereinigt und in die Rhone geleitet.
• Der Dienststollen Kandertal (9,5 km) sowie der Zugangsstollen Mitholz (1,5 km) werden heute als Unterhaltsund Rettungswege genutzt. Beide werden so vorbereitet und saniert, dass sie als Zugang für die Baustellenlogistik genutzt werden können. Im Dienststollen Kandertal – das Portal befindet sich in der Helke bei Frutigen – werden die Entwässerungsleitungen erneuert, sodass das Tropenhaus wie bisher unverschmutztes Bergwasser nutzen kann. Für den Installationsplatz ist bereits eine Fläche beim Portal ausgeebnet worden. Von Mai 2024 bis Ende 2025 wird diese für Abwasserbehandlungsanlagen, Container der Bauführung und den Umschlag von Baumaterial benötigt.
• Auch der Zugangsstollen Ferden (5,5 Kilometer) ist ein Unterhalts- und Rettungsweg und soll künftig der Baustellenlogistik dienen. Dazu muss der Spritzbeton saniert und der Stollen abschnittsweise abgedichtet werden.
• Der Fensterstollen Steg (3,2 Kilometer) hat aktuell keine unmittelbare Funktion für den Basistunnel. Damit später ein Hochspannungskabel eingebaut werden kann, muss der Spritzbeton saniert werden.
• Für beide Ausbauvarianten wird die ausgebrochene Rohbauröhre (Weströhre zwischen Mitholz und Raron) mit einer Betonsohle versehen werden. Das Gewölbe wird mit einer Abdichtungsfolie und mit einem Innenring aus Beton verkleidet.
Der Zeitplan und die Beschwerde
BLS-Sprecherin Helene Soltermann sagt zum Zeitplan: «Wir wollen 2026 mit den Arbeiten für den Ausbau des Tunnels Engstlige unterhalb des Bahnhofes Frutigen auf zwei Gleise und dem Anschluss Wengi-Ey beginnen. Diese Arbeiten sind nicht von der Beschwerde gegen die Plangenehmigungsverfügung für den Teilausbau betroffen. Wir werden deshalb eine Baufreigabe beim Bundesamt für Verkehr beantragen.» Stimmt das Parlament dem Vollausbau zu, sollen in einem zweiten Schritt die Hauptarbeiten starten. Dies umfasst die Spreng- und anschliessenden Ausrüstungsarbeiten im Rohbautunnel.
Die Inbetriebnahme des vollständig doppelspurigen Tunnels hängt vom Start dieser Hauptarbeiten ab, und diese wiederum von zwei Faktoren: «Einerseits davon, wann das juristische Verfahren gegen die hängige Beschwerde der Blausee AG gegen den Teilausbau abgeschlossen ist. Andererseits müssen wir vom Bundesamt für Verkehr die Plangenehmigungsverfügung für das so genannte Änderungs-Bewilligungsverfahren für den Vollausbau erhalten», erklärt Soltermann.
Als Hauptinstallationsplatz ist der Steinbruch Mitholz vorgesehen. Letzterer war bereits beim Bau des Basistunnels eine zentrale Drehscheibe. Dieses Mal müssen die BLS-Bedürfnisse mit dem Verteidigungsdepartement und dessen Projekt zur Munitionsräumung abgestimmt werden. Ab 2033 sollten im besten Fall beide Röhren durchgehend befahrbar sein.
Teil- und Vollausbau
Beim Teilausbau als Minimalvariante wird die bestehende Rohbauröhre West (ab Mitholz Richtung Süd) für den Bahnbetrieb ausgebaut. Zudem ist eine Schnellfahrweiche in Mitholz nötig, damit Züge in die Röhren wechseln können. Für den Einbau wäre eine kompletter Betriebsunterbruch von acht Monaten nötig. Die Kosten: rund eine Milliarde Franken.
Der Vollausbau wird 1,7 Milliarden Franken kosten. Damit würden zwischen Frutigen und Raron zwei komplette Röhren von je 34,6 Kilometern Länge fertiggestellt, der lange Betriebsunterbruch würde entfallen. Die Bauzeit ist für beide Varianten mit acht Jahren identisch.
HSF