Naturgefahren – wie weiter?
22.07.2025 KolumneEine aktuelle Studie hält fest, dass etwa jedes sechste Wohnhaus in der Schweiz von Naturgefahren wie Hochwasser bedroht ist. War vor zwei Jahren das bündnerische Dorf Brienz in den Medien, so dominiert nun das Unglück in Blatten die Diskussion um die Risiken, die vom Wetter und ...
Eine aktuelle Studie hält fest, dass etwa jedes sechste Wohnhaus in der Schweiz von Naturgefahren wie Hochwasser bedroht ist. War vor zwei Jahren das bündnerische Dorf Brienz in den Medien, so dominiert nun das Unglück in Blatten die Diskussion um die Risiken, die vom Wetter und der Klimaerwärmung ausgehen. Typischerweise liegen die Zonen mit erhöhter Gefahr von Hochwasser oder Murgängen in den Bergkantonen. Im Berner Oberland sind in 30 Gemeinden mehr als die Hälfte der Wohngebäude «unter Naturgefahr», wenn auch viele nur auf sogenannt «geringer» Gefahrenstufe.
Auch ohne unmittelbare Ereignisse belasten uns diese Gefahren volkswirtschaftlich mit jährlich rund einer Milliarde Franken für Investitionen in den Schutz vor Naturgewalten. Alle fundierten Prognosen gehen in den kommenden Jahrzehnten von einer Zunahme von starken Regenfällen aus, die gerade in den Bergen neben Überschwemmungen auch Murgänge und Gerölllawinen auslösen können.
Frutigen führt historisch und aktuell die Debatte um die Gefahren, die von Kander und Engstlige, aber auch von den Seitenbächen ausgehen. Auftauender Permafrost ist auf dem Gemeindegebiet glücklicherweise kein Thema. Aber der Schutz vor Hochwasser und Murgängen beschäftigt die Gemeindepolitik seit Jahren, und alle älteren Einwohner erinnern sich an punktuelle Schäden an Häusern und Strassen.
Zeit meines Lebens wohne ich auf dem Schuttfächer, der sich mit Material aus der Niesenkette durch den Leimbach bildete. Solche Schuttfächer finden sich in den meisten Alpentälern und lassen sich auch für Laien erkennen; am einfachsten auf einem Höhenweg auf der gegenüberliegenden Talseite. Der Zusammenhang von Gewässern, ihrem Gefahrenpotenzial und den Bergdörfern führt unweigerlich zur spannenden Frage, wieso und wo vor Jahrhunderten Weiler gebaut wurden und später Dörfer entstanden. Obwohl die Gefahren auch für unsere Vorfahren sichtund erlebbar waren, liegen nicht wenige Siedlungen auf solchen Schuttfächern. Unmöglich, in einer Kolumne darauf genauer einzugehen; aber trotzdem sollten wir versuchen, uns vorzustellen, dass ein Ereignis wie kürzlich im Lötschental auch bei uns in regelmässigen (grossen) Abständen passierte und wieder passieren kann. Das Dorf Blatten stand mehr als 600 Jahre an seinem angestammten Platz.
Das Ausmass eines Schadenereignisses messen wir im schlimmsten Fall anhand von Verletzten oder Toten, meist aber anhand von materiellem Schaden an Gebäuden und sonstiger Infrastruktur, was übrigens auch der Auslöser der erwähnten Studie war. Daraus leitet sich eine grosse Verantwortung für die Planung unserer Siedlungen ab. Denn offensichtlich ist die Vermeidung von Schäden günstiger als nachträglich eine Wiederherstellung. Unsere Gemeinde sollte also in der zukünftigen Ausgestaltung der Ortsplanung Gefahrengebiete wenn möglich ausschliessen oder zumindest zurückhaltend bebauen. Eher nicht das Ziel kann es sein, zuerst Neubauten oder umfassende Sanierungen zuzulassen, die dann von der Allgemeinheit später mit Hochwasserschutzmassnahmen teuer geschützt werden müssen. Auch einzelne Hausbesitzer können rasch finanziell und psychisch belastet werden, wenn der eigene Keller und mehr verwüstet wird.
Bei dieser Planung hilft für die Einschätzung neben dem geschichtlichen Verständnis und Wissen in unserer Bevölkerung heute auch die wissenschaftliche und technische Beurteilung durch kantonale und privatwirtschaftliche Fachleute. Das Resultat ist die sogenannte Naturgefahrenkarte, die öffentlich ist. Es ist jetzt an uns selber, dies zusammenzuführen und dank langfristiger und intelligenter Siedlungsplanung Frutigen vor grösseren Ereignissen bestmöglich zu schützen.