Neues Gutachten bremst Schutzprojekt
07.05.2024 FrutigenIm kommenden August sollte der Gemeinderat das Hochwasserschutzprojekt Engstlige in die Vernehmlassung geben können. In Kanderbrück dagegen sind nochmals Anpassungen nötig, was weitere Verzögerungen zur Folge hat.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
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Im kommenden August sollte der Gemeinderat das Hochwasserschutzprojekt Engstlige in die Vernehmlassung geben können. In Kanderbrück dagegen sind nochmals Anpassungen nötig, was weitere Verzögerungen zur Folge hat.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Terminpläne für den Hochwasserschutz an der Engstlige und Kander wurden schon etliche erstellt – und immer wieder angepasst. Aktuell scheint sich an der Engstlige ein echter Fortschritt abzuzeichnen. Die Begleitgruppe – zusammengestellt aus Betroffenen und interessierten Bürgern – hat letzte Woche zuhanden des Gemeinderates grundsätzlich grünes Licht zum vorliegenden Projekt gegeben. Der Rat sollte bis im August das Bauprojekt vorliegen haben und es dann bei Kanton und Bund in die Vernehmlassung geben. Nach der öffentlichen Auflage im nächsten Jahr ist die Urnenabstimmung für den Baukredit für etwa Mitte 2026 vorgesehen.
In Angriff genommen wurde die Planung nach dem grossen Hochwasser 2005, weitere Naturereignisse erforderten in den Folgejahren die Überarbeitung der jeweiligen Projekte. Darüber hinaus verzögerten zusätzliche Forderungen und Verbesserungen die Realisierung.
Die Möglichkeiten, das Dorf vor der Engstlige zu schützen, sind insgesamt begrenzt. Ausser die Durchlässe der Brücken zu erweitern und die Ufer durch Mauern zu erhöhen (ab Brusthöhe mit Glas versehen), sind gemäss den Planern kaum Alternativen denkbar.
Neuigkeiten entlang der Engstlige
An der Sitzung der Begleitgruppe, die kürzlich stattfand, wurde über die neusten Projektanpassungen informiert:
• Der grosse Schwemmholzrückhalt im Gand, eine Forderung der Begleitgruppe, wird neu auf der rechten Uferseite angelehnt, um die Entnahme des angeschwemmten Materials zu vereinfachen. Dadurch wird die gut 40 Meter lange und 5 Meter hohe Leitbuhne (Damm) ans linke Ufer verlegt. Sie soll Wasser und Holz in den rund 100 Meter langen Rechen aus 80 Zentimeter dicken und tief im Untergrund verankerten Pfählen leiten.
• Die beiden heutigen Werkbrücken über die Engstlige werden flussabwärts verlegt und die Zufahrtsstrasse zum Installationsplatz respektive zur Vigier-Werkhalle und den Kiesdepots entsprechend angepasst.
• Vis-à-vis des Campingplatzes Grassi sind zwei Aufweitungen – sogenannte Vorlandabsenkungen – vorgesehen. Diese werden als Ersatzmassnahme für die neuen Bauten im Auenschutzgebiet verlangt. Je nach Wasserstand können diese Bereiche durch die Engstlige überflutet werden. Das heutige Naherholungsgebiet entlang des Ufers wird aber grundsätzlich zugänglich und erhalten bleiben.
• Das kantonale Fischereiinspektorat sieht vor, die ganze Strecke vom Auengebiet Gand bis zur Engstlige-Einmündung in die Kander respektive bis zur Aufweitung Schwandi-Ey «längszuvernetzen». Das heisst vor allem, dass die «Fischgängigkeit» hergestellt wird, indem die heutigen Schwellen durch vorgelagerte Riegel in der Höhe reduziert und so als Hindernis verkleinert werden. Die Wasserbauplaner versicherten auf entsprechende Fragen der Begleitgruppe, dass dies den Hochwasserschutz als zentrale Aufgabe des Vorhabens nicht beeinträchtigen würde. Dieser Teil des Projektes wird vom kantonalen Renaturierungsfonds finanziert.
Trotz einzelner noch ausstehender Überprüfungen und allenfalls kleinerer Anpassungen scheint es mit diesem Teil des Hochwasserschutzes endlich vorwärtszugehen – auch wenn die Bagger wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen.
«Knorzen» in Kanderbrück
«Wieder ein Jahr Stillstand, ein Jahr verloren», ärgerte sich der zuständige Gemeinderat Bernhard Rubin über den Stand des Kander-Projektes. Das Problem: Das Dörfchen Kanderbrück gehört zum Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS). Das heisst, dass es grösstmöglichen Schutz vor Veränderungen erhalten soll. Diese Anforderung aber beisst sich mit dem Schutz vor Hochwasser.
Die geplanten Ufererhöhungen führten dazu, dass das Bundesamt für Kultur (BAK) zusätzlich ein Fachgutachten von der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege verlangte (der «Frutigländer» berichtete). Von dieser weiteren Hürde wurden alle Beteiligten überrascht, weil die kantonale Denkmalpflege bereits grünes Licht gegeben hatte.
Das weitere Gutachten liegt seit wenigen Tagen vor – mit dem Fazit, dass nochmals über die Höhe der Ufermauern diskutiert werden muss. Aktuell erfülle das Projekt die Anforderungen an den grösstmöglichen Schutz des Ortsbildes nicht. Die Planer sind jedoch zuversichtlich, dass man an der im Juni geplanten gemeinsamen Besprechung eine Lösung respektive eine entsprechende Optimierung finden wird – schliesslich müsse ja auch das BAK Interesse haben, dass das Ortsbild künftig vor Hochwasser geschützt wird.
Allerdings hat diese Zusatzrunde den Terminplan erneut durcheinandergebracht. Derzeit ist die Freigabe durch den Gemeinderat in die behördliche Vernehmlassung erst für das Frühjahr 2025 vorgesehen. Der Gemeinderat hat deshalb entschieden, dass Kander und Engstlige wieder als getrennte Schutzprojekte weiterverfolgt werden. Ursprünglich war vorgesehen, diese als Gesamtvorhaben zu behandeln, was nun wegen der unterschiedlichen Terminpläne nicht mehr sinnvoll erscheint. Zudem erleichert ein getrenntes (und zeitlich gestaffeltes) Vorgehen die Finanzierung, sind doch Bruttokosten von insgesamt etwa 13,5 Millionen Franken zu erwarten.
Der Gemeinderat will an der Gemeindeversammlung vom 4. Juni über den Projektstand und das weitere Vorgehen informieren.