Oldtimer-Juwelen in Frutigen: Wenn Motoren Geschichten erzählen
12.09.2025 FrutigenBereits zum 21. Mal fand letzten Sonntag das Frutigtaler Oldtimer-Treffen statt. Einmal mehr faszinierten mehrere Hundert wunderschöne klassische Fahrzeuge das Publikum, vom Kleinkind bis zu den Grosseltern. Nicht zuletzt hatten die FahrerInnen und FahrzeughalterInnen viele spannende ...
Bereits zum 21. Mal fand letzten Sonntag das Frutigtaler Oldtimer-Treffen statt. Einmal mehr faszinierten mehrere Hundert wunderschöne klassische Fahrzeuge das Publikum, vom Kleinkind bis zu den Grosseltern. Nicht zuletzt hatten die FahrerInnen und FahrzeughalterInnen viele spannende Geschichten rund um ihre beräderten Juwelen bereit.
«Die Leute kamen in Scharen und füllten unseren Oldtimer-Parkplatz», so zog Adrian Fritschi vom Organisationskomitee letzten Sonntagabend zufrieden Bilanz. Vom Morgen bis am späteren Nachmittag hatten die rund 30- bis gut 100-jährigen Fahrzeuge, mehrere Hundert an der Zahl, auf dem stillgelegten Flugplatz Frutigen für grosses Publikumsinteresse gesorgt.
Nicht wenige BesucherInnen nutzten das Frutigtaler Oldtimer-Treffen als Gelegenheit zum Familienausflug. «Viele Eltern kamen mit ihren Kindern vorbei», wusste Adrian Fritschi, selbst ein begnadeter Oldtimer-Fan und -Mechaniker. Da erstaunen Szenen, wie jene mit einem Vater, der seinem Sohn die charakteristische Revolverschaltung im Renault 4 zeigt, wenig. Genau jenes dunkelgraue französische Kultgefährt hat sein Eigentümer Marcel Schopfer aus dem Saanenland ins Kandertal gefahren. Damit verbunden sind viele Erinnerungen. «Man sah sie an jeder Hausecke», erinnert sich der Saanenländer an die Siebziger- und Achtzigerjahre zurück.
Danach kam er, wie es an jenem Sonntag üblich war, auf die Spezifikationen zu sprechen. Sein Exemplar, eines von 8,1 Millionen produzierten Modellen, hat Jahrgang 1985 und im Gegensatz zu älteren Modellen Rundinstrumente im Cockpit. Des Weiteren erfährt man, dass sein mit einem 1,1 Liter-Aggregat motorisiertes Modell auch weniger laut sei als andere Renault 4. Tatsächlich herrschte auf dem Oldtimer Parkplatz ein wahres Konzert an Motorengeräuschen. Vom unverkennbaren Blubbern Achtzylindermotoren US-amerikanischer Strassenkreuzer bis hin zum ebenso charakteristischen Sound des im DDR-Kultgefährt Trabant eingebauten Zweitaktmotors gab es in Frutigen für jeden «Musikgeschmack» etwas zu hören.
Skoda und Trabi wecken Erinnerungen an die DDR-Kindheit
Ingo Bernstein und Lysan Wagner, beide in der DDR aufgewachsen und mittlerweile in der Schweiz wohnhaft, haben zwei Automobile ans Frutigtaler Oldtimer-Treffen gebracht, die mit der jüngeren deutschen Geschichte verbunden sind. Ingo Bernstein ist mit einem knallig gelben Trabant 601 S mit einem markanten Dach-Zelt vorgefahren. Selbst wenn er das Fahrzeug hierzulande erworben hat, so bedeutet es für ihn ein Stück Kindheit. Schliesslich fuhr man in der DDR mit einem Trabant in die Ferien, so Bernstein. «Eigentlich gab es nur Trabis», meint er, der auch Trabants restauriert. Obwohl auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme. Der Beweis dafür ist der Skoda 100 von Lysan Wagner. Ein solches Modell des hauptsächlich in den Siebzigerjahren hergestellten tschechoslowakischen Viertürers hatten ihre Grosseltern besessen. «Es ist eine Erinnerung an all die Zeiten mit der Familie», schwelgt die Skoda-Fahrerin bei den Gedanken an ihre Kindheit und Jugend. Schliesslich, so erzählt sie, ging es mit dem Skoda häufig über die nahe gelegene Grenze in die damalige Tschechoslowakei, das heutige Tschechien. Dass der Skoda damals bedeutend weniger verbreitet war als der Trabant, lag auch am Preis. «Der war ja doppelt so teuer wie der Trabi», erklärt Ingo Bernstein.
Allerdings gab es für die Preisdifferenz einen Viertaktmotor und bessere Bremsen. «Das war die gehobenere Variante, damals zu DDR-Zeiten», ergänzt Lysan Wagner und gibt damit gleich auch noch etwas Anschauungsunterricht zum Leben im sozialistischen Teil Deutschlands.
Geglückte Nachfolgeregelung für den Jaguar
Während vor mehreren Jahrzehnten im Osten Europas eher einfache Fahrzeuge das Strassengeschehen prägten, standen im Westen des Kontinents die Wagen britischer Hersteller oft für gediegenen Luxus. Dies zeigte sich am vergangenen Sonntag mit mehreren Jaguars. Einer davon war die Oberklasselimousine Jaguar XJ 4.2. Heinz Friedli hatte in seinen früheren Jahren eine Weile in London gelebt und muss dort auf den Geschmack für die Marke mit der Raubkatze im Logo gekommen sein. Schliesslich hatte er sich die elegante, langgestreckte Limousine mit Jahrgang 1973 gekauft, sie aber mittlerweile an seinen Grosssohn Patrick Friedli übergeben. Dieser ist über diese Art von Nachfolgeregelung mehr als glücklich: «Es ist alles etwas edler», kommt der junge Mann aufs Interieur zu sprechen. Patrick Friedli fährt denn die wunderschöne britische Limousine bei schönem Wetter und passender Gelegenheit auch sehr gerne.
Fachsimpeln bim «Benzingespräch»
Neben den Briten haben nicht zuletzt auch die Franzosen Automobilgeschichte geschrieben. Daher gab es in Frutigen die 103-jährige Peugeot Quadrilette zu bestaunen. Das offene Gefährt sei fahrtüchtig und im Ebenen liessen sich um die 50 bis 60 Kilometer pro Stunde erreichen, erfährt man von Rolf Winkler.
Bedeutend schneller, aber auch um einiges jünger, ist der Citroën CX GTI Turbo 2. «Ich habe eine Leidenschaft für hydropneumatische Citroën», klärt Eigentümer Pierre-André Wyss im französisch geführten «Benzingespräch» auf. Selbstverständlich lässt sich auch die Karosserie seines 1987 gebauten Wagens hydropneumatisch heben und senken. Für diese Technologie war Citroën während Jahrzehnten berühmt. Am Frutigtaler Oldtimer-Treffen begeisterten somit nicht nur Design und Sound, sondern auch die Technik aus vielen Jahrzehnten Automobilgeschichte.
MICHAEL MAURER