Per Eilkurs in die dritte Amtszeit
11.04.2025 PorträtRegierungsstatthalterin Ariane Nottaris kann den Wahlen vom 18. Mai gelassen entgegenblicken: Kürzlich wurde sie still für eine weitere Amtszeit gewählt. Ein Gespräch über Resilienz, Verhandlungsgeschick und Gesetzestreue.
JULIAN ZAHND
Regierungsstatthalterin Ariane Nottaris kann den Wahlen vom 18. Mai gelassen entgegenblicken: Kürzlich wurde sie still für eine weitere Amtszeit gewählt. Ein Gespräch über Resilienz, Verhandlungsgeschick und Gesetzestreue.
JULIAN ZAHND
Still, still, still: Insgesamt dreimal schon blieb Ariane Nottaris bei Regierungsstatthalterwahlen konkurrenzlos. Seit 2018 ist die 49-jährige Emmentalerin zuständig für den Verwaltungskreis Frutigen-Niedersimmental.
In ihrem Amt hingegen geht es oft weniger ruhig zu und her. Als Statthalterin muss die Juristin zwischen verschiedenen Interessen vermitteln, tragfähige Lösungen für komplexe Probleme erarbeiten und auch in emotionalen Angelegenheiten Machtworte sprechen. Ihr Job erfordere manchmal ein dickes Fell, gesteht Ariane Nottaris. Unter Umständen sei es nötig, den Leuten Grenzen aufzuzeigen – und seine eigenen Grenzen zu kennen.
«Frutigländer»: Frau Nottaris, ursprünglich wollte ich von Ihnen wissen, ob Sie die stille Wahl überrascht hat. Doch mit Blick auf Ihre Vergangenheit frage ich wohl besser: Hätte Sie eine Kampfwahl überrascht?
Ich kann beide Fragen nicht abschliessend beantworten. Solche Wahlen sind immer ein Stück weit unberechenbar.
Tatsächlich? Sie sitzen doch fest im Sattel. Wer hätte es mit Ihnen aufnehmen können?
HerausforderInnen gibt es überall. Im Mai ist in fünf von zehn Verwaltungskreisen ein Urnengang nötig. Auch bei unseren beiden Oberländer Nachbarn, Obersimmental-Saanen und Interlaken-Oberhasli, kandidieren mehrere Personen. Insgesamt werden vier Bisherige angegriffen.
Auch Ihr Vorgänger, Christian Rubin, wurde einmal «herausgefordert». Die weitgehend unbekannte Konkurrentin blieb chancenlos, der Amtsinhaber wurde von der Bevölkerung klar bestätigt. Fehlt Ihnen ein solcher Rückhalt?
Ich werte meine stille Wahl auch als Zeichen, dass ich meine Arbeit bislang nicht schlecht gemacht habe. Zudem ziehe ich den Nutzen von Wahlen in Zweifel, deren Ausgang zum Vornherein klar ist. Denn ein Urnengang ist immer auch mit Aufwand und Kosten verbunden. Auf jeden Fall freue ich mich sehr darauf, den 18. Mai entspannt abwarten zu können.
Stichwort «entspannt»: Hat der Stress mit der wachsenden Routine der letzten Jahre abgenommen?
De!nitiv nicht! Die Beschleunigung durch neue technologische Möglichkeiten und die damit verknüpften Erwartungshaltungen gehen auch an uns nicht spurlos vorbei. Manche Leute wollen ihre Mails umgehend beantwortet haben, was nicht immer möglich ist. Andere rufen an einem Tag drei- oder viermal hintereinander an, obwohl sie bereits beim ersten Mal erfahren haben, dass ich unpässlich bin. Diese Ungeduld kann schon belastend sein.
Ihr Amt gilt auch sonst nicht als Ferienjob. Als Regierungsstatthalterin befinden Sie sich in einer Sandwichposition zwischen Gemeinden und Kanton. Muss man als Statthalterin besonders druckunempfindlich sein?
Ich denke schon. Zudem hilft es, eine klare Linie zu haben sowie seine Grenzen und Stärken zu kennen.
Welches sind Ihre Stärken?
Ehrlichkeit. Ich möchte meinem Gegenüber von Beginn weg zeigen, woran es ist, ob beispielsweise ein Anliegen Chancen hat oder nicht. Zudem investiere ich viel in tragfähige, konstruktive Lösungen, die dem Tal dienen.
Und wo sehen Sie Ihre Grenzen?
Es macht mir Freude, über Lösungsmöglichkeiten nachzudenken und diese rechtlich abzuklären. Manchmal zeigen die Abklärungen aber klar, dass es keine für die BürgerInnen befriedigende Lösung gibt. Ich kann nur in dem von der Politik in den Gesetzen vorgegebenen Spielraum entscheiden.
Wann standen Sie zum letzten Mal am Morgen auf und dachten sich: Mein Gott, warum tue ich mir dieses Amt eigentlich an?
(überlegt) Das kommt sehr selten vor und geschah schon eine Weile nicht mehr. Im letzten Jahr durchlebte ich allerdings eine happige Phase, in der ich mich hinterfragte. Solche Prozesse sind für mich wichtig. Sie bringen mich weiter und schliesslich gehe ich gestärkt aus ihnen hervor.
Welche wichtigen Projekte und Herausforderungen treiben Sie derzeit um?
Mitholz betrifft uns mittlerweile nur noch selten und nicht mehr in der gleichen Intensität wie zu Beginn. Zu erwähnen ist sicher die zeitweise schwierige Suche nach Unterkünften für Asylsuchende. In diesem Bereich erleben wir Wellenbewegungen. Es blieb lange Zeit ruhig. Da nun aber mehrere Kollektivunterkünfte im Berner Oberland schliessen, hat uns der Kanton kürzlich beauftragt, uns nach geeigneten Liegenschaften umzusehen. Auch die Digitalisierung beschäftigt uns stark und beeinflusst unsere Arbeit. Es ist wichtig, dass wir die neuen Möglichkeiten kennen und sie gebrauchen, sofern sie von Nutzen sind. Regelmässig beschäftigt uns zudem das illegale Bauen ausserhalb der Bauzonen.
Bei diesem letzten Punkt ist ja einiges im Gange. Frutigen beispielsweise muss eine pendenten Baupolizeifälle abarbeiten. Ist man da auf Kurs?
Die Gemeinde wird uns im Herbst ihre Verfahrensabschlüsse vorlegen, und danach entscheiden wir, wie es weitergeht.
Der Fall «Meise» wird bis dahin wohl kaum erledigt sein. Was passiert dann?
Sofern die Gemeinde entgegen ihrer Zusicherung nicht tätig wird, müsste geprüft werden, ob ein externes Büro mit dem Geschäft beauftragt werden soll – auf Kosten der Gemeinde. Das Regierungsstatthalteramt wird diese Aufgabe nicht selbst übernehmen.
In ländlichen Gebieten treten Verstösse gegen das Raumplanungsgesetz gehäuft auf. Blutet da Ihr Juristinnenherz?
Nein. Das ist halt einfach die Realität. Das Raumplanungsgesetz wurde auf nationaler Ebene erlassen. Nicht alle Interessen werden darin gleich stark berücksichtigt, und dass mit den Regeln nicht alle glücklich sind, kann ich verstehen. Doch das Gesetz ist da und muss befolgt werden. Man kann höchstens die vorhandenen Spielräume optimal nutzen.
Im nächsten Jahr nimmt die regionale Bauverwaltung ihre Arbeit auf. Was versprechen Sie sich von dieser neuen Abteilung?
Ich verspreche mir mehr Fachkompetenz bei der Vorprüfung. Das würde uns eine gewisse Entlastung bringen, doch im Wesentlichen bleibt unsere Arbeit die gleiche. Das würde sich nur dann ändern, wenn die regionale Bauverwaltung die volle Bewilligungskompetenz anstreben würde und abgesehen von Gemeinde- und Gastronomieprojekten alle Baubewilligungsverfahren selbst bearbeiten könnte. Gerade für Tourismusgemeinden wie Adelboden und Kandersteg wäre das ein beträchtlicher Mehraufwand und bräuchte zusätzliche Fachkompetenzen. Ein solcher Schritt sollte daher gut überlegt sein.
Sie nehmen bald die dritte Amtsperiode in Angriff und denken vermutlich noch nicht gleich an den Abschied. Dennoch eine letzte Frage: Was macht eigentlich eine Ex- Regierungsstatthalterin?
Ich freue mich auf meine dritte Amtszeit. Zum Glück muss ich mir diesbezüglich noch keine Gedanken machen!
DAS INTERVIEW FÜHRTE REDAKTEUR JULIAN ZAHND