WETTER Damit der Winter seinen Namen verdient, braucht es vor allem eines: Kälte. Die entsteht auf unserer Erdhalbkugel am eisigen Nordpol. Doch ob sie uns erreicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

MARK POLLMEIER
Auch in den Wetternachrichten gibt es Modewörter. So war in den vergangenen Wochen viel vom Polarwirbel zu lesen. Der entsteht in der sonnenarmen Jahreszeit an den Polen. Der kalte Strudel aus eisigen Winden bildet sich in grossen Höhen von 20 bis 50 Kilometern. Am Südpol dreht er sich im Uhrzeigersinn, am Nordpol entgegen dem Uhrzeigersinn – mit bis zu 300 km/h.

Begrenzt wird der Polarstrudel von einem Windband aus wärmerer Luft, dem sogenannten Jetstream. Der kreist wie ein Ring um den Globus und sorgt im Normalfall dafür, dass die kalte Luft über den Polkappen hängt.

Wenn die Kälte nach Süden wandert
Doch es gibt Ausnahmen. Manchmal ist das Zusammenspiel von Polarwirbel und Jetstream gestört. In solchen Fällen bleibt das Kaltluftpolster nicht über dem Pol hängen. Es franst nach Süden aus, sodass sich eiskalte «Zungen» bis in unsere Breiten erstrecken. Weil diese Ausläufer häufig aus dem Nordosten kommen, kam in den Boulevard-Medien vor ein paar Jahren der Begriff «Russenpeitsche» oder «Kältepeitsche» auf.

Doch es gibt nicht nur Zungen oder Peitschen. Manchmal zerfällt die kalte Luftmasse über dem Pol auch in mehrere Teile – dann spricht man von einem Polarwirbel-Split. Tritt dieses Phänomen auf, wandern mehrere kleine Kaltluftstrudel gen Süden und auf diese Weise bis nach Mittel- oder sogar Südeuropa.
Natürlich erwärmt sich die mitgeführte Luft unterwegs. Trotzdem kann ein instabiler oder aufgesplitteter Polarwirbel in kurzer Zeit sehr tiefe Temperaturen hervorrufen. Kombiniert mit feuchter Luft kann so ein Kaltlufteinbruch zudem grosse Massen Schnee mit sich führen. In Kanada und im Norden der USA ist dieses Phänomen als Blizzard bekannt und führt wegen der ergiebigen Schneefälle immer wieder zu chaotischen Zuständen.

Ende November gabs einen Split
In Europa sind echte Blizzards selten. Sie treten allenfalls im äussersten Norden des Kontinents auf, etwa im nordschwedischen Lappland oder in Sibirien. Was man allerdings auch in unseren Breiten kennt, sind plötzliche Phasen mit tiefen Temperaturen. Dies war in der Schweiz ab Ende November der Fall: Weil der Polarwirbel sich aufgesplittet hatte, sanken die Temperaturen hierzulande bis teils weit unter den Gefrierpunkt.

Auch die aktuell sehr milden Wetterverhältnisse haben zumindest mittelbar mit dem Polarwirbel zu tun. Weil der erst kürzlich zerfallen ist, hat er derzeit keine Kraft und baut sich gerade erst wieder auf. Vorerst sind Temperaturstürze also nicht zu erwarten.

Meteorologen rechnen allerdings damit, dass die «Kältepeitsche» künftig häufiger knallen könnte. Schuld daran ist einmal mehr der Klimawandel. Schmilzt das Eis in den Polarregionen, wird weniger Sonnenlicht reflektiert. Der Boden erwärmt sich stärker, was den «Kältehaushalt» über den Polen durcheinanderbringen dürfte. Ausfransende oder zerfallende Polarwirbel werden dadurch häufiger. Salopp ausgedrückt: Die winterlichen Wetterkapriolen dürften zunehmen.

Die Pisten profitieren von der Vorarbeit

In den Skigebieten der Region hofft man derzeit auf besseres, also kälteres und weniger windiges Wetter. Immerhin: In der Kälteperiode von Ende November / Anfang Dezember konnte eine solide Basis geschaffen werden. «Dank tiefen Temperaturen und unserer effizienten Beschneiungsanlage konnten wir in den letzten Tagen und Wochen eine super Pistengrundlage sicherstellen», gibt etwa Stefanie Inniger von der Bergbahnen Adelboden AG zur Auskunft. Technisch erzeugter Schnee sei kompakter und daher besser gegen Wärmeeinbrüche und Regen gerüstet als Naturschnee, sodass man damit auch wärmere Wetterphasen überbrücken könne.

POL

Polarwirbel und Kältepeitschen

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