Politik hinter dem Mond?
24.10.2025 KolumneHeute beginnt diese Kolumne nicht «dort oben» auf einem fremden Himmelskörper, sondern «hier unten» – im Bundeshaus, in den Ratshäusern, in den Gemeindesälen der Schweiz. Dort, wo Politik gemacht wird. Doch wer oder was «macht» eigentlich ...
Heute beginnt diese Kolumne nicht «dort oben» auf einem fremden Himmelskörper, sondern «hier unten» – im Bundeshaus, in den Ratshäusern, in den Gemeindesälen der Schweiz. Dort, wo Politik gemacht wird. Doch wer oder was «macht» eigentlich Politik? Wie kommen unsere Volksvertreterinnen und -vertreter zu ihren Meinungen? Gerade die Rolle der Wissenschaft in der Politik wird immer wieder debattiert – verstärkt sicher durch die Covid-Pandemie. Die Gesellschaft fragt(e) sich, ob Forschende politische Massnahmen empfehlen dürfen oder wie mit widersprüchlichen Studienresultaten umzugehen sei.
An der ETH Zürich gibt es seit Kurzem ein neues interdisziplinäres Zentrum, das Wissenschaft, Technologie und Politik besser miteinander verknüpfen will. Die Realität der jeweils anderen Sphären soll den Teilnehmenden nähergebracht werden. Auch die Universität Bern bietet seit diesem Jahr einen Studiengang Politikund Verwaltungswissenschaft an, und in Genf gibt es seit mehreren Jahren das Geneva Science-Policy Interface, das Forschungsergebnisse in die multilaterale Politik einfliessen lässt. Politische Geschäfte sind oft komplex, und die Wissenschaft kann mit ihrer faktenbasierten Arbeit zu fundierten Entscheiden beitragen. Das hat mich angeregt zu grübeln, was die Politik von der ebenfalls komplexen Raumfahrt lernen kann. Vier Vorschläge:
Zukunftsfähige Visionen anstatt kurz- fristige Lösungen: Die Entwicklung einer Weltraummission dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte. Viele erfolgreiche Satelliten fliegen heute noch mit robuster, älterer Technologie, die clever eingesetzt wird. Auch politische Entscheide müssen so gefällt werden, dass sie kurzzeitige Krisen überdauern und nachhaltig funktionieren.
Neugierde und Pioniergeist: Es braucht sowohl in der Raumfahrt wie in der Politik Mut, sich ins Unbekannte vorzuwagen und bereit zu sein, zu scheitern – und auch, eine Meinung zu ändern, falls die Empirie in eine andere Richtung zeigt. Offenheit für neue Inputs ist entscheidend. Die kanadische Physikprofessorin und Nobelpreisträgerin Donna Strickland sagte kürzlich an einem Vortrag in Bern zum Thema: «Man kann nicht alles auf einmal verstehen.»
Zusammen sind wir grösser als die Summe der Einzelnen:  Für eine Weltraummission wie auch für ein erfolgreiches politisches Geschäft braucht es Menschen, die Probleme verstehen, Ideen entwickeln, Lösungen finden, planen und umsetzen. Viele der ambitioniertesten Weltraumprojekte wurden in internationaler Zusammenarbeit entwickelt – etwa die Internationale Raumstation ISS oder das James-Webb-Weltraumteleskop. Kulturelle Unterschiede sind kein Hindernis für Erfolg – im Gegenteil.
Wenn diese drei Tipps nichts nützen, können wir nicht zuletzt von der Raumfahrt lernen, wie wir nervige Politikerinnen und Politiker auf den Mond schiessen. Und so sind wir also doch noch «dort oben» gelandet.
VALERIE KOLLER
VALERIE.KOLLER@BLUEWIN.CH
REDAKTION@FRUTIGLAENDER.CH

