Projektauflage im Herbst 2025 geplant
07.03.2025 FrutigenDetailliert wurde am Montagabend über den Stand des Hochwasserschutzprojekts Engstlige informiert. Erfreuliche Antworten gab es für einmal auch zum Projekt Kander.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Es waren mehrheitlich direkt betroffene Liegenschaftsbesitzer und ...
Detailliert wurde am Montagabend über den Stand des Hochwasserschutzprojekts Engstlige informiert. Erfreuliche Antworten gab es für einmal auch zum Projekt Kander.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Es waren mehrheitlich direkt betroffene Liegenschaftsbesitzer und Anstösser von Kander und Engstlige, die sich im Kirchgemeindehaus eingefunden hatten. Orientiert wurde über den Wasserbauplan Engstlige, der aktuell beim Kanton und Bund in der Vernehmlassung ist und im Herbst öffentlich aufliegen soll (siehe «Frutigländer»-Ausgabe vom letzten Freitag). Jana Hess von der Flussbau AG, die im Auftrag der Gemeinde die Schutzmassnahmen projektiert, erklärte ausführlich die einzelnen Projektteile und die jeweiligen Überlegungen dahinter. Die Bandbreite der Informationen reichte vom Schwemmholzrückhalt über die Vorlandabsenkung und Längsvernetzung der Flüsse als ökologische Massnahmen bis hin zu den Höhen von Dämmen und Mauern sowie anzuhebender und neu zu erstellender Brücken.
Der Bräschgengraben droht
In der anschliessenden Fragerunde wurde deutlich, bei welchen Projektpunkten Skepsis herrscht und wo, teils aus langer und persönlicher Erfahrung, der Schuh drückt. Insbesondere die ökologischen Ersatzmassnahmen für den massiven Schwemmholzrückhalt, der im geschützten Auengebiet geplant ist, wurden mehrmals als «übertrieben» bezeichnet.
Sachlich wurde von mehreren Rednern wiederholt auf ein latentes Risiko im Bräschgengraben hingewiesen. «Dort muss unbedingt direkt etwas zum Schutz passieren», so die Forderung. Jana Hess betonte, «dass Ereignisse und entsprechende Geschiebemassen in diesem Seitenbach bei den Massnahmen in der Engstlige durchaus berücksichtigt sind.» Und der für den Wasserbau zuständige Gemeinderat Bernhard Rubin bestätigte, dass bei der Gemeinde Frutigen «ein Projekt in der Schublade liegt. Das müssen wir wohl wieder einmal hervornehmen. Aber wir können nicht alles gleichzeitig realisieren, und Priorität hat derzeit die Engstlige.»
Die vielen Brücken
Klar wurde am Montagabend, welche Brücken nun angepasst werden müssen, um für den Hochwasserfall die nötigen räumlichen Reserven zu schaffen. Im Gand muss eine neue Werkbrücke für den Zugang zum rechtsseitigen Kiesbewirtschaftungsplatz geschaffen werden. Der Fussgängerübergang Künzisteg soll um 1,2 Meter erhöht und deshalb mit rollstuhlgängigen Rampen versehen werden. Die neue Brücke der Kanderstegstrasse wurde bereits mit der Sanierung der Dorfdurchfahrt mit einem Staukragen versehen, während der darunterliegende Fussgängersteg zum Bahnhof ganz neu gebaut werden soll. Eine Anhebung wird als zu «schwierig und kostspielig» angesehen. Vorgesehen ist nun eine flache Stahl- anstelle der heutigen Bogenbetonkonstruktion.
Um knapp einen Meter angehoben werden soll die Brücke beim Historischen Bahnhof (Untere Bahnhofstrasse), für diejenige beim Sportzentrum (Schwandistrasse) ist ein Staukragen vorgesehen.
Während der Steg beim Frutigresort bereits die richtige Höhe hat, wird die grosse Eisenbahnbrücke vorerst nicht angefasst. Wie Jana Hess eine entsprechende Frage aus dem Publikum beantwortete, hätte dies erfahrungsgemäss weitreichende und kostenintensive Folgen mit Anpassungen von Gleisanlagen.
Wo nötig, werden die Engstligeufer auf der ganzen Strecke mit Dämmen oder Mauern erhöht, die ab einer Höhe von einem Meter teils mit Glasscheiben versehen werden sollen. Die Anstösser werden von der Projektleitung direkt wegen Entschädigungen für die Landnutzung kontaktiert.
Einigung in Kanderbrück
Am Rande wurde auch das zweite laufende Projekt angesprochen: Mit dem Bundesamt für Kultur konnte ein Kompromiss gefunden werden, dank dem die Ufermauern in Kanderbrück weniger hoch werden müssen. Somit werden sie das geschützte Ortsbild optisch weniger stark beeinträchtigen.
Ausschlaggebend für die Reduktion des Freibordwertes, also des Abstands zwischen dem Wasserspiegel und der Maueroberkante, war die Geschiebebewirtschaftung und damit die Mengenkontrolle oberhalb von Kanderbrück. «Das waren lange und zähe Verhandlungen», bilanzierte die Wasserbauplanerin.
Aktuell und bis Mitte Jahr wird das Bauprojekt ausgearbeitet und im zweiten Quartal 2026 öffentlich aufgelegt. Der frühestmögliche Zeitpunkt für den Baubeginn an der Kander ist Herbst 2028, an der Engstlige ein Jahr früher. Jana Hess relativierte die Terminpläne allerdings mit der Aussage, dass diese stark davon abhängen, ob Einsprachen eingehen und wie viel Zeit für deren Behandlung erforderlich sein wird.
Der regelmässige Blick zum Himmel ...
Gemeinderat Bernhard Rubin hat sein Amt als Gemeinderat 2018 angetreten, und gleich in der ersten Gemeindeversammlung wurde ein Planungskredit für den Hochwasserschutz abgeschmettert. Für den Dachdecker war dies ein steiler Einstieg, dem unzählige Stunden mit Begehungen und in Sitzungen folgten. «Oftmals habe ich bei Regen gedacht: hoffentlich passiert jetzt nichts», blickt Rubin zurück. «Die Situation hat bei mir immer wieder für Bauchweh gesorgt.» Ende des Jahres wird Bernhard Rubin nach zwei Legislaturen als Gemeinderat aufhören, und noch immer ist weder an der Kander noch der Engstlige eine Baumaschine aufgefahren. Ein bisschen Resignation über diese langen Wege mit der Konsultation zahlreicher Ämter war am Montagabend bei ihm spürbar.
Rubins Nachfolger oder die Nachfolgerin wird diese Bauprojekte und die nötigen Millionenkredite an die Urne bringen. Allein für die Engstlige sind brutto 9,1 Millionen Franken veranschlagt, der Gemeinde werden davon etwa 3,5 Millionen Franken verbleiben. Pro investiertem Franken ergeben die entsprechenden Berechnungsformeln eine Reduktion des Schadenrisikos um 1,7 Franken, was einem guten Verhältnis entspricht und als «verhältnismässig» bezeichnet wird. Doch frühestens im Herbst 2027 wird Rubin dann auch bei starkem Regen mit einer gewissen Ruhe in den Himmel schauen können – dann kann (hoffentlich) das erste der beiden Schutzprojekte auch realisiert werden.