Reif für den Ausbau
19.04.2024 KanderstegDie Sennerei an der Bahnhofstrasse 5 setzt bei ihren Produkten auf silofreie Bergmilch. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wird nun zünftig in den Betrieb und einen Neubau investiert.
PETER ROTHACHER
Was harzig begann, soll nun im regionalen Interesse in ...
Die Sennerei an der Bahnhofstrasse 5 setzt bei ihren Produkten auf silofreie Bergmilch. Um der Nachfrage gerecht zu werden, wird nun zünftig in den Betrieb und einen Neubau investiert.
PETER ROTHACHER
Was harzig begann, soll nun im regionalen Interesse in eine erfolgreiche Zukunft führen: Mit der Investition von drei Millionen Franken wird der Milchverarbeitungsbetrieb Sennerei Kandersteg baulich und technisch auf den neusten Stand gebracht. Dank des Kaufs der ehemaligen Postliegenschaft kann die Ende 2021 gegründete AG ihre Ausbaupläne verwirklichen. Auf den 1. Mai 2020 hatte Familie Aeschlimann den Molkereibetrieb von Hansueli und Brigitte Hari gekauft (der «Frutigländer» berichtete). «Wegen der Corona-Problematik war es eigentlich aus wirtschaftlicher Sicht ein denkbar schlechter Zeitpunkt», erklärt Käsermeister Thomas Aeschlimann. «Für mich und meine im Betrieb teilzeitlich mitarbeitende Frau Daniela war zudem schon damals klar, dass bezüglich Haus und Technik Handlungsbedarf bestand. Noch im selben Jahr liessen wir darum ein im bestehenden Gebäude realisierbares Vorprojekt entwickeln.»
Postschliessung als Chance
Als dann aber bekannt wurde, dass die benachbarte Post auf den Sommer 2021 schliesst, interessierten sich Aeschlimanns für dieses Grundstück. «Bei den Verhandlungen mit der Post kam ein Passus zum Tragen, wonach ein einheimisches Gewerbe – im Sinne einer attraktiven Bahnhofstrasse – gegenüber einem Wohnungsprojekt bevorzugt würde. Das finanzielle Angebot müsse sich allerdings innerhalb einer gewissen Bandbreite über der Minimalforderung bewegen», erinnert sich der Betriebsinhaber. In Urs Seiler fanden Aeschlimanns schliesslich einen Mitinvestor, und so kam der Kauf – wohl auch dank der direkten Nachbarschaft beider Liegenschaften – Anfang 2022 zustande. Sie übertrugen ihr Vorprojekt auf den hinteren Teil des Postgebäudes. Dieser wird abgerissen, und im Neubau entstehen über dem Käsereifungskeller die Produktions- und Lagerräume für die Milchannahme.
Doch allzu einfach sollte es dann doch nicht gehen. Das vom Kanton verlangte Umweltverträglichkeitsgutachten und die baulichen Auflagen, die auf Grundlage der neuen Gefahrenkarte 2023 erlassen worden waren, verteuerten das Projekt erheblich.
Weil der Berg droht ...
Thomas Aeschlimann erklärt: «Die Westseite des Neubauteils muss einem Geschiebedruck bis auf eine Höhe von 1,5 Metern standhalten, die Ostseite gar bis auf 2,2 Meter; das lösen wir dort mit einer entsprechenden Schutzmauer. Wir brauchen generell dickere Mauern, stärkeres Glas und auch im oberen Stock ist keine Holzbauweise möglich. Da keine Belüftungsschächte erlaubt sind, muss das Untergeschoss künstlich belüftet werden.» Der Wohnteil des Gebäudes werde von den Massnahmen nicht tangiert.
Auf dieser Basis erfolgte im September 2023 die Baupublikation, und Ende Januar erhielt die Sennerei Kandersteg AG die Baubewilligung. Der Verwaltungsrat setzt sich aus Thomas und Daniela Aeschlimann sowie Urs Seiler zusammen. Letzterer spricht für das ganze Team, wenn er sagt: «Die erlebte Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden und dem Regierungsstatthalteramt kann ich in Bezug auf unser Anliegen nur loben. Dieses reiht sich attraktiv in die kürzlich vorgestellten, zukunftsweisenden Projekte Kanderstegs ein.» Und der Mitinvestor würdigt zugleich die involvierten Geldinstitute: «Dank der Unterstützung durch die Coop-Patenschaft für Berggebiete, dem zinslosen Darlehen der bernischen Stiftung für Agrarkredite sowie dem Wohlwollen der Spar- und Leihkasse Frutigen AG stehen wir nun vor der Realisierung unseres Projekts.» Mit den Bauarbeiten will man Mitte Mai beginnen.
Ein ergänzendes Fleischangebot?
Geschäftsführer ist der Junior Cédric Aeschlimann, der kürzlich die Prüfung zum diplomierten Käsermeister bestanden hat. «Im Schalterraum der alten Post möchten wir gerne ein zusätzliches Gewerbe ansiedeln – am liebsten einen Partner mit Fleischwaren», erklärt der 24-Jährige. Denn der Sennerei-Verkaufsladen bleibt da, wo er ist. Im Betrieb teilen sich derzeit zehn Personen die sechs Vollzeitstellen. «Mit den Produkten aus silofreier Rohmilch heben wir uns vom industriellen Angebot ab. Deshalb können wir unseren Milchproduzenten – momentan sind es fünf aus der Region – 20 bis 25 Rappen mehr bieten.» Es sind alles Landwirte, die in den letzten Jahren auf silofreie Produktion umgestellt haben. «Weitere sind willkommen», meint der junge Chef, der sich auf die Eröffnungsfeier des erweiterten Betriebes Anfang 2025 freut.
Auch in der Forschung tätig
Thomas Aeschlimann stammt aus Röthenbach, ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er hat nach seiner Meisterprüfung 20 Jahre lang die Käserei Reutigen gepachtet und geführt. Seit 5 Jahren ist er bei Agroscope angestellt. Dabei handelt es sich um das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, das dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) angegliedert ist. «Mit meinem 90-Prozent-Pensum bin ich unter anderem für die Leitung der Forschungskäserei Liebefeld zuständig und engagiere mich derzeit in der Region Deutschschweiz stark in der Weiterbildung von Berufsleuten der Milchwirtschaft», erklärt der 50-Jährige.
Mit dem Kauf der Molkerei Hari 2020 in Kandersteg sah Thomas Aeschlimann die Chance, in die Zukunft seines Sohnes zu investieren und gleichzeitig die Interessen des Tales zu wahren: «Dank der intakten Natur lassen sich hier Spitzenprodukte herstellen, die Arbeitsplätze bleiben erhalten und alle profitieren von kurzen Transportwegen.» Als Verwaltungsratspräsident der Sennerei Kandersteg AG sowie mit seinem Wissen aus Forschung und Praxis wird er seinen als Geschäftsführer tätigen Sohn Cédric auch im erweiterten Betrieb weiterhin mit Rat und Tat unterstützen.
PRR