Das Schweizer Umweltdepartement arbeitet offenbar an Plänen, die eine baldige Verringerung des Wolfsbestands ermöglichen sollen; Naturschutzverbände sind empört über das Vorgehen. Doch auch Brüssel hat diese Woche signalisiert: Der strenge Schutz des Wolfs ...
Das Schweizer Umweltdepartement arbeitet offenbar an Plänen, die eine baldige Verringerung des Wolfsbestands ermöglichen sollen; Naturschutzverbände sind empört über das Vorgehen. Doch auch Brüssel hat diese Woche signalisiert: Der strenge Schutz des Wolfs ist nicht mehr sakrosankt.
MARK POLLMEIER
In der vergangenen Woche wurden Umweltverbände von einem «Blick»- Artikel aufgeschreckt. «Umweltminister Rösti und seine Beamten» wollten rund 70 Prozent der Schweizer Wolfspopulation «ausrotten», meldete das Boulevard-Blatt und berief sich dabei auf einen noch nicht veröffentlichten Entwurf zur neuen Jagdverordnung. In einem Folgeartikel war sogar die Rede davon, in der gesamten Schweiz sollten nur noch zwölf Rudel übrigbleiben.
Um die neuen Abschussregeln schnellstmöglich in Kraft setzen zu können, würde sich das Umweltdepartement um die üblichen demokratischen Gepflogenheiten foutieren. Sprich: Eine ordentliche Vernehmlassung zur neuen Jagdverordnung soll gar nicht erst stattfinden. Der «Blick» hatte auch gleich eine Theorie parat, warum die Bundesbehörden in dieser Sache ein solches Tempo vorlegen: Im Dezember steht die Wiederwahl des Departementschefs an. Hätte Albert Rösti das leidige Wolfsproblem erledigt, könnte er damit bei den zahlreichen Wolfsgegnern im Parlament punkten, so die Vermutung.
«Stoppen Sie das Wolfs-Massaker»
Nach den «Blick»-Meldungen liessen die Reaktionen nicht lange auf sich warten. Der Verein Schweiz zum Schutz der ländlichen Lebensräume vor Grossraubtieren teilte mit, er unterstütze die Absichten von Bundesrat Albert Rösti und seines Departements. «Die massive Herabsetzung der Wolfsrudel ist dringend und dient zusätzlich zu den landwirtschaftlichen Interessen insbesondere auch der Sicherheit der Bevölkerung.» Die angestrebte Zahl der Wolfsrudel sei mehr als gross genug, um die europäische Wolfspopulation zu erhalten.
Auch die Kampagnenorganisation Campax ist mittlerweile auf das Thema aufgesprungen, hat allerdings eine Petition gegen das Vorhaben lanciert. «Herr Rösti, stoppen Sie das Wolfs-Massaker!», fordert das Papier an die Adresse des Umweltministers.
Röstis Departement hat unterdessen betont, der Wolf bleibe eine geschützte Art. Auch künftige Abschüsse würden rechtlich korrekt und kontrolliert erfolgen. Ziel sei es, den Bestand in Grenzen zu halten.
Genau das hat auch die EU gerade zugesagt – nach Druck aus Deutschland. Mitte dieser Woche waren die Regierungschefs der 16 deutschen Bundesländer zu einer zweitägigen Konferenz in Brüssel zu Gast. Bei einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ging es unter anderem um den Wolf. Im nördlichen Nachbarland leben mindestens 1200 Wölfe, manche Schätzungen gehen derweil sogar von über 2000 Tieren aus. Vor allem im Osten Deutschlands sorgen die grossen Beutegreifer zunehmend für Probleme.
Eine Gefahr für Mensch und Tier
Die nach Brüssel gereisten Ministerpräsidenten forderten einmal mehr, den Abschuss von Wölfen zu erleichtern – und stiessen auf offene Ohren. Bereits am Montag hatte die EU-Kommission angekündigt, der strenge Schutz von Wölfen könne unter EU-Recht gelockert werden. Von der Leyen persönlich erklärte, die Rudeldichte sei in einigen europäischen Regionen zu einer «Gefahr für Nutztiere und potenziell auch für den Menschen» geworden. Wenn lokale Behörden bei einer klaren Gefährdung die Bejagung des Wolfs erlauben würden, halte sie das für richtig, so von der Leyen. «Die Kommission wird deren Abwägungsentscheidung nicht infrage stellen.»
Die Äusserung war aussergewöhnlich, weil die Kommissionspräsidentin normalerweise nur zu den «grossen Fragen» Stellung nimmt – wozu der Wolf bislang nicht gehörte. Dass Ursula von der Leyen das Thema nun aufgreift, hat möglicherweise mit einem persönlichen Erlebnis zu tun. Die Kommissionspräsidentin ist eine passionierte Reiterin. Auf ihrem Hof in Niedersachsen wurde vor einigen Monaten von der Leyens Lieblingspony Dolly getötet – von einem Wolf.