«Rollende Landstrasse» gebremst
09.05.2025 WirtschaftSie gehören zum Alltag im Frutigland, die langen Züge mit Sattelschleppern – doch nur noch bis Ende Jahr. Der Betrieb wird früher eingestellt als geplant. Was heisst das?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Mitte 2023 hat der Bund respektive das Parlament ...
Sie gehören zum Alltag im Frutigland, die langen Züge mit Sattelschleppern – doch nur noch bis Ende Jahr. Der Betrieb wird früher eingestellt als geplant. Was heisst das?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Mitte 2023 hat der Bund respektive das Parlament grünes Licht über 100 Millionen Franken Beiträge an den Betrieb der «Rollenden Landstrasse» (Rola) bis Ende 2028 bewilligt. Damit war der Transport von ganzen Lastwagen inklusive FahrerInnen zwischen Freiburg im Breisgau (DE) und Novara (IT) quer durch die Schweiz gesichert. Diese fast ausschliesslich auf der Lötschbergstrecke fahrenden Züge sind ein wichtiger Teil der Verlagerungsbemühungen für den Schwerverkehr von der Strasse auf die Schiene. Im vergangenen Jahr wurden 69 484 Lastwagen auf 2705 Zügen über die Lötschberg-Simplon-Strecke geführt, wie Ludwig Näf, CEO der Betreibergesellschaft Ralpin AG, sagt. Zum Vergleich: Über die Gotthardlinie wurden 3570 Lastwagen auf 178 Zügen geführt.
Probleme in Deutschland
Die staatliche Finanzierung des begleiteten kombinierten Verkehr ist definitiv nur noch bis 2028 zugesichert worden. Bis dahin seien die unbegleiteten Angebote (also ohne gleichzeitigen Transport der FahrerInnen) wettbewerbsfähig genug, um eine Rückverlagerung des Strassenverkehrs auf die Schiene zu verhindern, hiess es in der politischen Debatte. Diese Woche wurde nun das vorzeitige Ende der Rola auf den Fahrplanwechsel im Dezember 2025 bekannt gegeben, drei Jahre früher als geplant.
Begründet wird dies von Ralpin mit «erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen». Trotz der Abgeltungen des Bundes, der vorhandenen Nachfrage und guter Auslastung von 80 Prozent sei der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich möglich. Bereits 2024 fielen rund 10 Prozent der Züge aus. «Der Grund waren geplante sowie kurzfristig angeordnete Baustellen und weitere unvorhersehbare Ereignisse. Dies führte 2024 zu einem Ergebnis von etwa minus 2,2 Millionen Franken. Auch im ersten Quartal dieses Jahres konnten wegen Bauarbeiten im Vergleich zum Vorjahr rund 20 Prozent weniger Züge gefahren werden.» Explizit wird für die zunehmenden Zugausfälle die «anhaltend hohe Störungsanfälligkeit der Schieneninfrastruktur in Deutschland» erwähnt.
Aktionäre in der Pflicht
Die drei Aktionäre der Ralpin (BLS, Hupac und SBB) sind bereit, bis Ende Jahr die Finanzierung sicherzustellen, um eine geordnete Betriebseinstellung zu ermöglichen und die geschäftlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Der Bund erhöht seinerseits bis zur Einstellung der Rola die durchschnittliche Abgeltung je verlagerten Lastwagen. Bei Ralpin sind 16 Personen angestellt, sie sucht nach Lösungen für die betroffenen Mitarbeitenden. Da bereits seit längerem klar ist, dass der Betrieb bis maximal Ende 2028 weitergeführt wird, sei man im steten Austausch über den individuellen künftigen Berufsweg von allen Mitarbeitenden.
Für die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) sei klar, dass es keinen Personalabbau geben darf. Die BLS müsse ihre Verantwortung als Arbeitgeberin wahrnehmen, hiess es in einem Communiqué. Derzeit seien die genauen Auswirkungen auf das Personal unklar. Der SEV verfolge die Entwicklungen mit grosser Aufmerksamkeit und werde diese kritisch begleiten. Auch der Verband Schweizer Lokomotivführer und Anwärter will «die Auswirkungen in den nächsten rund zwei Monaten analysieren. Das Ziel ist, die Auswirkungen auf das Personal von BLS Cargo und BLS möglichst gering zu halten.»
Von der Bahn auf die Strasse
Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der auf der Rola transportierten Güter zuerst auf die Strasse zurückverlagert wird, bis überall die Umrüstung auf mit Kran verladbare Sattelauflieger erfolgt ist. Daran hat insbesondere Pro Alps keine Freude. «Schlechte Neuigkeiten für die Verlagerungspolitik und den Schutz der Alpen» heisst es vom vormaligen Verein Alpeninitiative: «Damit droht ab 2026 eine massive Rückverlagerung von Transitlastwagen auf die Strasse. Pro Alps fordert den Bundesrat auf, umgehend zu handeln und eine wirksame Strategie zum Schutz der Alpen und zur Stärkung des Schienengüterverkehrs vorzulegen.» Mit der Rola
– einem zentralen Pfeiler der Verlagerungspolitik – falle ein wirksames Instrument weg. Jetzt sei der Bundesrat gefordert, rasch eine ambitionierte Übergangs- und Zukunftsstrategie vorzulegen.
Die Alternative
Die Ralpin transportiert seit 2001 Lastwagen auf der Strecke zwischen Freiburg im Breisgau und Novara. In den letzten 20 Jahren sind über 1,7 Millionen Lastwagen und ihre Fahrer so durch die Alpen gefahren. Das Angebot war von Beginn weg eine Übergangslösung, bis die Fertigstellung der Neat einen effizienten Bahntransport von Sattelaufliegern (Sattelschlepper ohne Zugfahrzeug und Chauffeur) und Containern über lange Distanzen erlaubt. Parallel dazu entwickelte sich der «unbegleitete kombinierte Verkehr» dank neuen Umschlagtechniken wie kranbaren Sattelauflegern und Containern weiter. Mit der Fertigstellung der Neat – dem Vollausbau am Lötschberg – wird der Nord-Süd-Güterverkehr ausschliesslich so abgewickelt. Ein wesentlicher Vorteil: Auf einem Zug von gleicher Länge können mit dem Wegfall der Zugmaschinen und dem Begleitwagen mehr Auflieger (auch nicht kranbare) als auf einer Rola transportiert werden.
HSF