WER MOTZT, GEWINNT
Ganz gleich, ob Eltern, Lehrpersonen oder ÖV-Reisende: Erwachsene wünschen sich in aller Regel folgsame Kinder. Ein bisschen Selbstbewusstsein ist ja okay. Werden die lieben Kleinen aber zu laut und aufmüpfig, ist es mit der Toleranz der ...
WER MOTZT, GEWINNT
Ganz gleich, ob Eltern, Lehrpersonen oder ÖV-Reisende: Erwachsene wünschen sich in aller Regel folgsame Kinder. Ein bisschen Selbstbewusstsein ist ja okay. Werden die lieben Kleinen aber zu laut und aufmüpfig, ist es mit der Toleranz der Umwelt schnell vorbei. Dementsprechend werden Kinder schon früh auf Gehorsam getrimmt. Mögen sich die Erziehungsmodelle auch unterscheiden, am Ende wird erwartet, dass der Nachwuchs tut, was man ihm sagt. Nicht gern gesehen bzw. gehört sind dagegen Jammern, Quengeln und Herumdiskutieren.
Nun mögen brave Kinder für Erwachsene ganz angenehm sein. Doch fürs spätere Leben wäre ein bisschen mehr Aufsässigkeit womöglich besser. Wer sich nicht alles gefallen lässt, kommt oft weiter als jener, der Anweisungen einfach befolgt.
Einen Beleg für diese Theorie liefert ausgerechnet die Politik. Theoretisch ist es ja so, dass Bundesrecht vor kantonalem Recht kommt. Ist also auf Ebene Bund eine Regelung in Kraft getreten, müssen sich die Kantone danach richten.
Tatsächlich machen das auch einige. Klaglos setzen sie um, was die Bundesverwaltung ihnen vorgibt. Es gibt aber auch die anderen, sozusagen die Flegelkantone. Wenn denen etwas nicht passt, sträuben sie sich erst einmal. Sie jammern, diskutieren, verhandeln – und holen damit nicht selten mehr heraus als ihre braven Kollegen, die gleich am Anfang folgsam waren.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat dieses Basar-Gebaren untersucht – und gerügt. Derart auf den eigenen Vorteil zu schauen, entspreche nicht der Schweizer Tradition. Wichtig sei vielmehr, dass man solidarisch die beste Lösung für das ganze Land findet – und nicht nur für den eigenen Kanton. Natürlich geht es dabei auch ums Geld: Verzögerungen und Nachverhandlungen verursachen Mehrkosten, die am Ende der Bund trägt.
Ich weiss, das Bild ist ein wenig schief. Im Schweizer Föderalismus ist der Bund nicht «erziehungsberechtigt», die Kantone sind keine unmündigen Kinder. Trotzdem: Wer sich das Zusammenspiel der politischen Ebenen so anschaut, könnte auf ganz neue pädagogische Ideen kommen ...
MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH