ALGEBRAISCHE ABSTIMMUNG
Ein Gespenst geht um in Frutigen – das Gespenst der Variantenabstimmung.
Schön waren die Zeiten, als man Geschäfte an der Urne noch mit einem einfachen «Ja» oder «Nein» quittieren konnte. Aktuell ...
ALGEBRAISCHE ABSTIMMUNG
Ein Gespenst geht um in Frutigen – das Gespenst der Variantenabstimmung.
Schön waren die Zeiten, als man Geschäfte an der Urne noch mit einem einfachen «Ja» oder «Nein» quittieren konnte. Aktuell stösst man aber auf Abstimmungsempfehlungen, die da etwa lauten: «2 x Ja für b» oder «Ja für a und b und Stimmfreigabe bei der Stichfrage».
Am 26. November steht mit der Freibadsanierung eine Vorlage ins Haus, bei der alles ein bisschen komplizierter ist: Entschieden wird nämlich über zwei Varianten a und b, zudem gibt es eine Stichfrage, welche die Kräfteverhältnisse dieser beiden Varianten klären soll.
Beim Durchlesen der Abstimmungsempfehlungen wurde umgehend mein prähistorisches Algebra-Wissen aktiviert und auf ein kurzes Schaudern folgte sogleich ein Schuss Triumph: Könnten die algebraischen Formeln helfen, den Überblick wiederzugewinnen? Schliesslich werden komplexe Dinge durch Abstraktion vereinfacht und die Mathematik bietet dafür das passende Instrumentarium.
Also los: Am 26. November darf man zum Beispiel sowohl Variante a als auch Variante b annehmen (a+b) oder eine der beiden ablehnen (etwa b-a). Unter Berücksichtigung der Stichfrage ergeben sich dann Formeln wie a+b+a (2a+b) oder b-a+b (2b-a). Zusammengenommen ergeben die beiden erwähnten Stimmentscheide dann:
(2a+b) x (2b-a) = 3ab-2a2+2b2...
Sind Sie noch dabei? Ich nicht. Zugegeben, die Algebra bringt mich in diesem Fall nicht weiter und einmal mehr zeigt sich: Zu viel Spielerei führt selten zu Klarheit. Viel eher empfiehlt es sich, die gut ausformulierte Abstimmungsvorlage genau durchzulesen, sich nötigenfalls mit anderen auszutauschen, sich ein Bild zu machen und am Ende die drei Kreuze zu setzen. Möglicherweise verlangt die Entscheidfindung tatsächlich mehr Zeit als bei einer Vorlage mit nur einer Variante. Doch ist das tragisch?
Wir fordern jeweils viel von der Demokratie. Manchmal müssen wir halt auch etwas zurückgeben. Oder anders ausgedrückt: Wer a sagt, muss auch b sagen.
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH