BRETT VOR DEM KOPF
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Traum. Sie haben dieses eine Bild dieses einen Ortes in der weiten Welt vor Augen. Sie wollen dort hin und wissen auch genau, aus welcher Perspektive sie die Sehenswürdigkeit fotografieren wollen. Es ist jene ...
BRETT VOR DEM KOPF
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Traum. Sie haben dieses eine Bild dieses einen Ortes in der weiten Welt vor Augen. Sie wollen dort hin und wissen auch genau, aus welcher Perspektive sie die Sehenswürdigkeit fotografieren wollen. Es ist jene Perspektive, die alle wählen, doch das ist Ihnen egal. Sie nehmen also die Reise in Angriff, die schweineteuer ist und auch umständlich. Doch welcher Traum ist schon gratis und einfach so greifbar? Am Ziel angekommen, suchen Sie jenen einen Ort auf, und wenn Sie dort stehen, dann sehen Sie: nichts.
Willkommen am Hallstätter See! Der idyllische Ort in der Nähe von Salzburg kämpft seit Jahren mit dem Massentourismus. Wegen einer koreanischen Serie wurde das Dörfchen weltberühmt, seither strömen Touristenscharen Tag für Tag nach Oberösterreich, an diesen einen Aussichtspunkt, von dem aus sich die Szenerie so atemberaubend einfangen lässt.
Die Einheimischen haben davon längst genug. Kurzerhand verbauten sie die Aussichtsplattform mit einer Holzwand, um damit die Gäste zu vergraulen. Die Behörden sprachen von einem «Versuch». Künftig soll die Holzwand durch ein Transparent ersetzt werden, das die TouristInnen fürs Thema Overtourism sensibilisiert.
Hallstatt ist längst nicht der einzige Ort, dem der Tourismus über den Kopf wächst. Vor einigen Jahren wurden etwa Gäste in Barcelona mit wütenden «go-home!»-Rufen unwillkommen geheissen. Einen lukrativeren Ansatz verfolgt hingegen Iseltwald. Das Dorf kam ebenfalls in einer koreanischen Netflix-Serie zu Ehren und kann sich seit Monaten kaum noch retten vor Gästen. Seit Kurzem darf man dort den beliebten Steg auf den See nur noch gegen eine Gebühr von fünf Franken betreten.
Auch im Frutigland kennt man sich mit Massentourismus aus. Beim Blausee stauen sich im Sommer die Autos, beim Oeschinensee sind ganze Menschenkolonnen unterwegs. Massnahmen wie die oben genannten blieben bislang aber aus. Vielleicht ist man sich hier bewusst, wie kurzlebig solche Trends sein können: Denn wer weiss schon, wohin die nächste Netflix-Serie die Touristenströme lenken wird?
JULIAN ZAHND
J.ZAHND@FRUTIGLAENDER.CH