KIRCHLICHE STRASSENBLOCKADE
Das Gaspedal bis aufs Bodenblech durchdrücken, das ist in Deutschland auf etlichen Autobahnabschnitten nach wie vor möglich. Ein landesweites Tempolimit ist fast so undenkbar wie in den USA eine Einschränkung des ...
KIRCHLICHE STRASSENBLOCKADE
Das Gaspedal bis aufs Bodenblech durchdrücken, das ist in Deutschland auf etlichen Autobahnabschnitten nach wie vor möglich. Ein landesweites Tempolimit ist fast so undenkbar wie in den USA eine Einschränkung des Waffentragens.
Dennoch wird das nicht bis in alle Ewigkeit so sein, davon bin ich überzeugt. Ähnlich sieht das auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Fahren wie der Teufel soll – zumindest für diejenigen, die offiziell im Auftrag des Herrn unterwegs sind – verboten werden. Die EKD-Synode hat ernsthaft über ein Tempolimit für Dienstfahrten der eigenen Leute diskutiert und darüber abgestimmt. Erstaunlicherweise fand der Antrag eine Mehrheit. Die Massnahme sei bloss eine Umsetzung der internen Klimaschutzrichtlinien und soll dem «Auftrag der Kirche für die Bewahrung der Schöpfung» gerecht werden.
Auf Autobahnen dürfen die Kirchenmitarbeiter bei Dienstfahrten also künftig noch mit maximal 100 km/h und auf Landstrassen mit 80 km/h unterwegs sein, so zumindest lautet der fromme Wunsch der Kirchenvertreter. Die empfohlenen Begrenzungen sollen mithelfen, die Treibhausgasemissionen zu senken und gelten auch für Elektromobile. Falls Sie also bei der Fahrt durch Deutschland künftig langsame Fahrer vor sich haben: Bitte nicht fluchen!
Doch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Wenn man von den teils hämischen Schlagzeilen absieht, wird diese Aktion wohl keine allzu grosse Wirkung haben. Aber der gute Wille zählt! Und die Kirche überholt damit immerhin die Politik, die voraussichtlich noch lange auf dem Standstreifen über landesweit geltende Tempolimiten diskutieren wird.
Eine Frage ist von der EKD allerdings noch nicht beantwortet worden: Wer kontrolliert eigentlich die Einhaltung der Tempolimits, wer hält fehlbaren Schnellfahrern eine Gardinenpredigt oder verteilt allenfalls Strafzettel an das göttliche Bodenpersonal – gibt es dafür gar Unterstützung von ganz oben?
HANS RUDOLF SCHNEIDER
H.SCHNEIDER@FRUTIGLAENDER.CH