Sie schuf Kunst in vielen Facetten
04.06.2024 Nachruf«O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen»: Dieses Zitat von Augustinus Aurelius aus dem 4. Jahrhundert war das Lebensmotto von Sjoukje Benedictus, Gründerin und Kreativkopf des Alpentheaters im Kiental. Am 12. Mai ist sie im ...
«O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen»: Dieses Zitat von Augustinus Aurelius aus dem 4. Jahrhundert war das Lebensmotto von Sjoukje Benedictus, Gründerin und Kreativkopf des Alpentheaters im Kiental. Am 12. Mai ist sie im Alter von 68 Jahren gestorben.
Schon als kleines Kind war die gebürtige Holländerin von den Bergen fasziniert, sammelte Bilder und träumte davon, einmal dort zu leben. Als sie an der Hochschule für Musik und Tanz in Rotterdam die Ausbildung zur Tanzpädagogin absolviert hatte, beschloss sie, ihren Traum zu verwirklichen. So kam sie im Winter 1980 / 81 für drei Monate nach Kandersteg und arbeitete dort in der Skibar im Hotel Viktoria Ritter. Daraus wurden drei Jahre, doch dann besann sich Sjoukje auf ihre ursprüngliche Ausbildung.
In Bern unterrichtete sie zuerst an der Harald Kreutzberg Tanzakademie und danach im eigenen Tanzstudio. Sie gründete eine Tanzkompanie, zu der unter anderen die frisch ausgebildete Sportlehrerin Marianne Hügli stiess. Das war der Beginn einer 41-jährigen Freundschaft und Zusammenarbeit zweier Macherinnen, die sich durch ihre unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten ergänzten.
2007 richteten die beiden Frauen in Kiental in der alten Postautogarage ein neues Studio ein, wo Sjoukje Schweizer Volkstänze mit neuen Stilelementen choreografierte, unter anderem für die Trachtengruppe Kandersteg. Das Publikum reagierte begeistert – die traditionellen Trachtenvereinigungen mit Missfallen und Ausschlussdrohungen. Doch der Erfolg gab Sjoukje Recht. Bis 2010 entstanden mit «d’Schwyz tanzt …» sieben grosse Aufführungen wie «Nachtschwärmer» oder «Wandervögel», die unvergessen sind. Mit diesen Tanzaufführungen, ihrer Tätigkeit als Tanzpädagogin und mit ihren Schultanzprojekten für zahlreiche Schulklassen hinterlässt Sjoukje nachhaltige Spuren.
Knieprobleme, die mit missglückten Operationen nicht behoben werden konnten, zwangen Sjoukje 2011 zu einer Neuorientierung: Mit der Idee, unter dem Namen Alpentheater in Kiental zur Belebung des Tals Freilichttheater zu organisieren, stiess sie beim Tourismusverein auf Skepsis. «Chunnt de da öpper?», war die erste Reaktion. Und wie sie kamen! Die Produktionen wurden von bis zu 3000 Leuten besucht.
Die Organisation von Freilichtproduktionen kostete Nerven und Geld. Die ganze Logistik, die Infrastruktur, die Unsicherheit des Wetters, ein Gewittersturm, der über Nacht viel zerstört – es wurde Zeit für Theateraufführungen mit einem kleineren organisatorischen Aufwand und so begann Sjoukje 2016 mit Produktionen für ihr Kleintheater. Ihr Ziel war es, professionelles Theaterschaffen nicht in der Stadt, sondern in einer Randregion des Berner Oberlandes zu produzieren und anzubieten. So kamen in den letzten acht Jahren sieben Theaterstücke auf die Bühne, dazu zwei Kabarettprogramme und im Rahmen des Kultursommers im Kiental konnte das Publikum seit 2020 jeweils im August Konzerte geniessen.
Die Schaffenskraft von Sjoukje Benedictus war indes nicht unerschöpflich. Der ständige Druck, als Selbstständige erfolgreich zu sein, zehrte immer mehr an den Kräften der unverbesserlichen Optimistin. Gesundheitlich kämpfte sie schon länger u.a. mit Herzproblemen, doch nach jeder Produktion konnte sie sich wieder soweit erholen, dass sie neue Pläne schmiedete. Doch in diesem Frühling kamen zur Herzschwäche eine Lungenentzündung und eine bakterielle Sepsis hinzu. Um dies zu überstehen, reichten ihre Lebenskräfte nicht mehr.
Es bleiben die Bewunderung und der grosse Dank für Sjoukjes Lebenswerk und die Spuren, die sie hinterlässt.
MARIA STEINER, ALPENTHEATER KIENTAL