Sorge um die Versorgung

  07.03.2025 Frutigen

Eine aktuelle Motion von Oberänder PolitikerInnen setzt sich für den Erhalt des Spitals Frutigen ein. Es ist sozusagen eine Präventivmassnahme, denn entschieden ist bislang nichts. Dass es zu Veränderungen kommen wird, gilt allerdings als sicher.

MARK POLLMEIER
Durch die Berner Spitallandschaft weht ein rauer Wind. Im gesamten Kanton gab es 2023 nur ein einziges Spitalunternehmen, das keine roten Zahlen auswies: die Spitäler fmi AG. Doch auch die kleine Spitalgruppe war zuletzt nicht profitabel genug. Die Ebitda-Marge, eine wichtige Kennzahl für die Profitabilität eines Unternehmens, lag mit 5,9 Prozent deutlich unter dem Zielwert. Ob es die fmi-Gruppe noch einmal schafft, einen kleinen Gewinn zu erwirtschaften, ist also fraglich.

Was macht ein Unternehmen, wenn es droht, Defizite einzufahren? Es versucht, Kosten zu sparen – zum Beispiel durch eine Anpassung der Leistungspalette. «Wir sind seit dem letzten Frühling daran, eine entsprechende Strategie zu erarbeiten», bestätigt Gabriela Vrecko, Leiterin Kommunikation und Marketing der Spitalgruppe. «Daraus haben wir auch nie ein Geheimnis gemacht.» Man habe die Gemeinden frühzeitig in die Überlegungen einbezogen und auch mit der Ärzteschaft gesprochen. «Wir diskutieren, wie wir unser Angebot künftig sinnvoll gestalten können, und tauschen uns darüber intensiv mit politischen Vertretern aus», sagt Vrecko. Zur Gesamtproblematik gehöre nicht nur die finanzielle Situation, sondern zunehmend auch der Fachkräftemangel.

PolitikerInnen fordern Erhalt ihres Spitals
Auch wenn noch keine konkreten Entscheide gefällt wurden: Dass der Leistungsumfang des Spitals Frutigen verkleinert werden könnte, ist ein durchaus realistisches Szenario. Regionale PolitikerInnen machen sich deshalb Sorgen, was bei den Planspielen der fmi AG am Ende herauskommen wird. Ein Blick ins Simmental zeigt, wie schnell sich die Gesundheitsversorgung verändern kann.

Damit ein solches Szenario im Frutigland nicht eintritt, haben mehrere Oberländer PolitikerInnen nun parteiübergreifend eine Motion eingereicht, unter ihnen auch Beatrix Hurni (SP), Martin Egger (GLP) und Kurt Zimmermann (SVP) aus Frutigen sowie Jakob Schwarz (EDU) und René Müller (EVP) aus Adelboden. In ihrem Vorstoss fordern sie den «Erhalt des Spitals Frutigen und die Sicherstellung seines bisherigen Leistungsangebots». In ihrer Argumentation weisen die GrossrätInnen darauf hin, dass das fmi-Spital in der medizinischen Grundversorgung des Kandertals und der umliegenden Regionen eine wichtige Rolle spiele. Sie betonen auch, dass das Gesundheitsangebot im ländlichen Raum gestärkt und nicht geschwächt werden müsse. Es dürfe nicht sein, dass Gesundheitszentren und grosse Spitäler gefördert würden, die kleinen, strategisch wichtigen Spitäler aber unterzugehen drohen.

30 Minuten, 50 Kilometer
Die Debatte, die sich derzeit anbahnt, erinnert an die Situation von 2013 / 14, als im Grossen Rat das Spitalstandortgesetz diskutiert wurde. Auch damals ging es schon darum, wie «versorgungsrelevant» die kleineren Landspitäler sind. Besonders wichtig waren dabei zwei Kennzahlen: 30 und 50. Dahinter verbargen sich folgende Zielvorgaben:

• 80 Prozent der Bevölkerung sollten eine akutsomatische Grundversorgung innert 30 Minuten Fahrtzeit erreichen können (80/30-Regel).

• Von allen Gemeinden aus sollte jede/r das nächste Spital der akutsomatischen Grundversorgung in maximal 50 km Fahrdistanz erreichen können (100/50-Regel).

Ein Spital galt als versorgungsnotwendig, wenn es entweder zur Erfüllung der 80/30-Regel ODER zur Erfüllung der 100/50-Regel notwendig ist. Das trifft auf den Spitalstandort Frutigen zu. Würde er wegfallen, hätten beispielsweise die Adelbodner zum nächsten Spital in Thun eine Fahrtzeit von knapp 50 Minuten.

Keine weiteren Schliessungen, aber ...
Unter der Annahme, dass die damaligen Leitlinien noch gelten, steht das Spital Frutigen auch heute nicht grundsätzlich in Frage. Dazu passt ein aktuelles Statement des bernischen Gesundheitsdirektors. Mit der Schliessung weiterer Standorte würde man «eine Versorgungsproblematik generieren», so Regierungsrat Pierre Alain Schnegg.

Die Diskussionen der nächsten Zeit werden sich allerdings darum drehen, welches Leistungsspektrum künftig noch sinnvoll und finanzierbar ist.

Mit ihrer Motion versuchen verschiedene GrossrätInnen, möglichst viel vom heutigen Versorgungsstandard zu retten. Allerdings ist dafür nicht der Regierungsrat verantwortlich, sondern in erster Linie das jeweilige Spitalunternehmen. Für allfällige Finanzprobleme ist der Kanton nicht mehr zuständig – eigentlich. Wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat, gilt dieser Grundsatz nicht absolut: Im letzten Oktober musste der Kanton Bern den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) ein Darlehen in der Höhe von 52 Millionen Franken gewähren, um einen akuten Liquiditätsengpass abzuwenden.

Nach einigen Jahren relativer Ruhe ist die Spitallandschaft erneut in Bewegung.

Zur Spital-Motion der Oberländer GrossrätInnen


KOMMENTAR

Nicht alle Spitäler werden Spitäler bleiben

So wie die Spitalfinanzierung heute organisiert ist, funktioniert sie offenkundig nicht – vor allem nicht in den kleinen Landspitälern. Die sollen zwar aus eigener Kraft die nötige Infrastruktur und das Personal finanzieren, kommen mit ihren tiefen Fallzahlen aber auf keinen grünen Zweig. Zusätzlich macht ihnen der Fachkräftemangel noch mehr zu schaffen als den Spitälern in den Städten – und er wird wegen der demografischen Entwicklung noch zunehmen. Wie soll es also weitergehen?
Fragt man Regierungsrat Pierre Alain Schnegg, sind für einen Spitalstandort nicht allein Grösse oder Ausstattung ausschlaggebend. Entscheidend wird künftig sein, wie sinnvoll ein Versorgungsangebot ist und wie es sich in ein grösseres Gesamtkonzept einfügt. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass kleinere Spitäler in teil-stationäre Gesundheitszentren umgewandelt werden. Die könnten kostengünstiger arbeiten und würden mit weniger Personal auskommen. Der Trend geht ohnehin zu ambulanten Behandlungen – schon deshalb wird es in den nächsten Jahren weniger Spitalbetten brauchen.
Dass die bevorstehende Entwicklung insbesondere in den Landregionen auf Skepsis stösst, ist nachvollziehbar. Hier sind Spitäler eben mehr als «nur» Gesundheitsversorger. Sie sind Arbeitgeber, Wirtschaftsfaktor, ein wichtiges Backup für die HausärztInnen der Region. Aufhalten wird man den Umbau trotzdem nicht: Der politisch gewollte Wettbewerbsdruck und der Fachkräftemangel lassen gar keinen anderen Weg zu.

MARK POLLMEIER
M.POLLMEIER@FRUTIGLAENDER.CH


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