Spittelmatte – die Alp «zwischen den Kantonen»
12.08.2022 PorträtObwohl die Ebene zwischen Altels und Ueschinengrat mit den weidenden Kühen nicht das Bild einer typischen Alp vermittelt, werden hier 90 Milchkühe gesömmert und Käse produziert. Markus Limacher verbringt hier bereits seinen 25. Sommer.
KATHARINA ...
Obwohl die Ebene zwischen Altels und Ueschinengrat mit den weidenden Kühen nicht das Bild einer typischen Alp vermittelt, werden hier 90 Milchkühe gesömmert und Käse produziert. Markus Limacher verbringt hier bereits seinen 25. Sommer.
KATHARINA WITTWER
Der Bauernsohn Markus Limacher aus dem luzernischen Willisau ist gelernter Landwirt und hätte gerne den elterlichen Hof in vierter Generation weitergeführt. Doch kaum hatte er seine Ausbildung abgeschlossen, wurde das Pachtverhältnis aufgelöst und er musste sich neu orientieren. «Dann gehe ich halt einen Sommer z’Alp», sagte er sich – und fand eine Anstellung auf der Alp Spittelmatte oberhalb Kanderstegs, die der Alpgenossenschaft Leukerbad gehört. Bereits im vierten Sommer übernahm er den Alpsennenposten und damit die Verantwortung. Aus der ursprünglich gedachten einen Saison sind inzwischen 25 geworden.
Tiere unterschiedlicher Herkunft
Bevor sich der 55-Jährige jeweils um den 20. Juni herum bei seinem Arbeitgeber, der Bürli Trocknungsanlage AG in Alberswil, beurlauben lässt, hilft ihm Ehefrau Jolanda mit den Vorbereitungsarbeiten. Die Anmeldungen für die 90 Milchkühe und die 10 Ziegen nimmt das Paar bereits im Frühjahr entgegen. Zirka 60 Kühe kommen aus dem Kanton Luzern und dem Oberaargau, die übrigen gehören zwei Landwirten aus Leukerbad sowie drei Bauern aus dem Kandertal. Wegen der unterschiedlichen Herkunft der Tiere setzt sich der Viehbestand aus verschiedenen Kuhrassen zusammen. In der Woche vor dem Auffahrtstermin – dieser ist in der Regel auf den letzten Samstag im Juni angesetzt – werden Hütte, Stall und Käsespeicher gereinigt und instandgesetzt. Zudem werden die Weiden mit zig Kilometern Elektrozaun eingezäunt und sommertauglich gemacht.
Arbeit gibts für alle genug
«Gutes Personal zu finden wird immer schwieriger. Bisher hatten wir aber Glück», erzählen die Eheleute. In diesem Sommer packen drei Frauen mit an, von denen Irene – die Küchenfee – bereits im Vorjahr Teil des Teams war. Die Hauptarbeiten sind zugeteilt: Pamela und Katia sind vor allem für die Kühe, das Melken und die anfallenden Stallarbeiten zuständig, der Senn fürs Käsen und die Käsepflege. Irene packt überall mit an und sorgt zudem fürs leibliche Wohl. «Wir sind ein Team und unterstützen uns gegenseitig, das ist sehr wichtig angesichts der vielen Arbeit», betonen Limachers. Die Tage sind lang, da der Wecker bereits morgens um 3.45 Uhr klingelt.
Die sechs Wochen Schulferien verbringen Ehefrau Jolanda sowie die Kinder Ilena, Dario, Marco und Noe ebenfalls auf der Spittelmatte. Die Buben möchten keinesfalls Ferien am Meer verbringen. Alle vier packen mit an und geniessen die unbeschwerte Zeit auf der Alp. Die Kinder treiben morgens die Kühe auf die Weide, helfen beim Kochen und Umzäunen mit und melken die Ziegen. Sie haben ihre Velos dabei, ausserdem eignet sich das flache Gelände prima zum Fussballspielen. Noch mehr Betrieb herrscht, wenn ihre «Gspändli» in die Ferien kommen.
Alpkäse ist gefragt
Im mobilen Verkaufsstand an der «Durchgangsstrasse» – dem Wanderweg Sunnbüel–Gemmi – können PassantInnen in Selbstbedienung verschiedene Erzeugnisse kaufen. Bekannte wissen, dass bei der Alphütte auch Getränke und eine kleine Auswahl an selbst hergestellten Produkten konsumiert werden können. «Wir sind keine Alpwirtschaft. Zwischen Kandersteg und Leukerbad gibt es Restaurants, mit denen wir nicht konkurrieren wollen. In dem Fall müssten wir zusätzliches Personal anstellen, was nicht in unserem Sinne ist», so Limachers.
Pro Saison werden 8 bis 9 Tonnen Alpkäse hergestellt. «Letztes Jahr erzielten wir einen Rekord, weil es viel regnete, das Gras den ganzen Sommer wuchs und dadurch saftig blieb. Bleibt es diesen Sommer noch länger heiss und trocken, nimmt die Milchmenge rapide ab und wir werden kaum auf 8 Tonnen kommen.» Nebst dem Spittelmatter Alpkäse – die Rezeptur ist Eigentum der Alp – werden Kuhmutschli, Butter, Ziegenfrischkäse, Joghurt, Ziger und Molkedrink hergestellt. Ausgangsprodukt für dieses Getränk ist zentrifugierte Molke, angereichert mit Frucht- oder Beerenaromen.
«Alpkäse ist zum Glück ein gefragtes Produkt, und viele Leute schätzen unsere Arbeit», betonen Limachers. «Wir freuen uns jedes Jahr, wenn die Alpsaison losgeht, kehren im Herbst aber wieder gerne zurück in unsere Heimat zu Freunden und Familie.»
Zahlen und Fakten zur Alp
Die Alp Spittelmatte mit einer Gesamtfläche von ca. 634 ha wird seit jeher von Leukerbader Landwirten bestossen. Rund 80 Prozent der Gesamtfläche liegen auf Kandersteger Gemeindegebiet und gehören der Alpgenossenschaft Spittelmatte. Der Rest befindet sich auf Walliser Boden und ist im Besitz der Burgergemeinde Leukerbad.
Bewirtschaftet werden ungefähr 230 ha, was etwa 1800 Pfennigen (12 Pfennige = 1 Kuhrecht) entspricht. «Früher wurden die Pfennige ausgeschöpft, weil auch Jungvieh gesömmert und in der Winteregg-Hütte eingestallt wurde. Die Weiden reichten damals nämlich bis in den ‹Nassebode› hinunter. Das ist ungefähr dort, wo der unterste Mast der Sunnbüelbahn steht», weiss Alpgemeinschaftspräsident Herbert Loretan. Die Winteregghütte ist seit mehr als einem halben Jahrhundert an die SAC-Sektion Niesen vermietet. Die Weiden sind inzwischen grösstenteils vergandet oder bewaldet.
Die Alpgenossenschaft Spittelmatte selbst besitzt 103 der 155 Kuhrechte. Die restlichen teilen sich 25 Genossenschafter. Familien oder Einzelpersonen besitzen teilweise bloss 3 Pfennige.
Die Abrechnung, wer Ende der Alpsaison wieviel Käse zugute hat, ist für Aussenstehende kaum nachvollziehbar.
WI