Die «Lebensader» von Adelboden – die Staatsstrasse – ist nach dem Murgang vom letzten Samstag tagsüber wieder befahrbar. Im betroffenen Stollergräbli sind bereits erste bauliche Schutzmassnahmen angedacht.

HANS RUDOLF SCHNEIDER
Am Dienstagnachmittag um 17 Uhr wurde die Strasse zwischen Frutigen und Adelboden tagsüber wieder für den Verkehr freigegeben. Von abends 20 Uhr bis morgens um halb sechs blieb die Durchfahrt im Bereich Rohrbach noch geschlossen, die Alte Adelbodenstrasse wurde als Umfahrung genutzt. Ab heute Freitag ist die Strasse bis 22 Uhr offen, die Dauer der Sperrung nachts verkürzt sich somit um zwei Stunden. Diese Anordnung gilt solange, bis ein automatisches Warnsystem installiert ist, das im Falle von Gefahr selbstständig auf Rot schalten könnte. Das Problem: Rund 180 Höhenmeter oberhalb der Strasse gleitet eine grössere Erdmasse ab (der «Frutigländer» berichtete). Umgehend wurde ein Messsystem im Abbruchgebiet installiert.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach den rund 200 Kubikmetern vom frühen Samstagmorgen noch mehr Material rutscht, wird von den Geologen als «gering, aber möglich» eingestuft.

Allerdings war bei der Besichtigung mit Medienvertretern am Dienstag nur noch von wenigen Kubikmetern die Rede, die sich noch zentimeterweise und nicht in grossen Blöcken bewegen würden. Unerwartet schnell konnte die Strasse deshalb in Absprache zwischen Kanton und Regionaler Führungsorganisation Gehrihorn freigeben werden, da auch der Durchlass unter der Strasse freigelegt werden konnte und sich die Bewegung im verschneiten Gebiet Läägi stark verlangsamt hatte.

Überraschung beim Strasseninspektor
Für den kantonalen Strasseninspektor der Region Oberland West, Daniel Feuz, ist bereits jetzt klar, dass es im rutschenden Hang künftig wohl Sicherungsmassnahmen oder Verbauungen zum Schutz der Adelbodenstrasse braucht. «Ideen haben wir dazu bereits», sagte Feuz. Er zeigte sich aber sehr überrascht, dass ausgerechnet im Stollergräbli Material bis über die Staatstrasse rutschte. «Das war zuletzt vor 30 Jahren der Fall, wie Anwohner mir bestätigt haben. Meist ist der Graben relativ trocken und führt wenig Wasser.» Aktuell wird das Wasser im Einzugsgebiet des Gräblis durch Rohre abgeleitet, um die Situation zu entschärfen. Während der Räumungsarbeiten waren jeweils zwei Personen als Beobachtungsposten oben im Gelände, die rasch Alarm geben konnten, wenn es auf der Strasse unten durch einen erneuten Murgang gefährlich geworden wäre.

Einsatz von Feuerwehr und Zivilschutz
Beim Medientermin vom Dienstag im dichten Schneetreiben brachte der Frutiger Gemeinderat Thomas Gyseler seinen Dank zum Ausdruck, der vor allem der Feuerwehr Frutigen und den Zivilschutzorganisationen Thun und Niesen & Saanen plus galt. Diese waren seit Samstagmorgen durchgehend im Einsatz und allein der Zivilschutz hatte bis Dienstagmittag 258 Manntage für Organisation, Absperrungen und Umleitungen geleistet. Die Umfahrung für den öffentlichen Verkehr und Privatfahrzeuge erfolgte in den ersten Tagen in reduziertem Umfang über die Alte Adelbodenstrasse via Elsigbach, die jedoch schmal und streckenweise lawinengefährdet ist. Eine echte Alternative zur Staatstrasse ist sie nicht.

Erinnerungen an den Winter 2018
Der Adelbodner Gemeinderatspräsident Markus Gempeler wies vor Ort darauf hin, dass die Staatsstrasse «unsere Lebensader ist». Er zählte auf, dass es aktuell diverse Baustellen im Dorf gebe, die auf Material angewiesen seien, und dass der Aufbau für den Skiweltcup anlaufe. Auch das erfordere grössere Transporte. Abgesehen davon stehe der Start der Wintersaison unmittelbar vor der Türe, da wäre eine längere Strassensperrung fatal gewesen. «Wir sind zwar noch nicht nervös, aber…», beschrieb er die Lage in Adelboden – und bedankte sich bei den Verantwortlichen.

Wobei die Geologen nicht ganz ausschliessen können, dass nichts mehr passiert im Stollergräbli. Es werden Erinnerungen an den 4. Januar 2018 wach, wo kurz vor dem Skiweltcup ein Stück der Adelbodenstrasse beim Lintertunnel abrutschte und die provisorische Durchfahrt nur dank eines Sonderefforts gewährleistet war.

Strasse ist jetzt bis 22 Uhr offen

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