Süsses oder Saures – woher kommt Halloween?
31.10.2025 KulturLeuchtende Kürbisfratzen, gruselige Gespenster und kleine Monster, die an der Tür klingeln: «Gib mir Süsses, sonst gibt’s Saures!» Auch im Frutigland ziehen verkleidete Kinder an Halloween durch die Quartiere. Doch was sind die Ursprünge von ...
Leuchtende Kürbisfratzen, gruselige Gespenster und kleine Monster, die an der Tür klingeln: «Gib mir Süsses, sonst gibt’s Saures!» Auch im Frutigland ziehen verkleidete Kinder an Halloween durch die Quartiere. Doch was sind die Ursprünge von Halloween?
RACHEL HONEGGER
Fragt man die Kinder vor dem Schulhaus Wengi, was ihnen an Halloween besonders gefällt, kommen ganz unterschiedliche Antworten: «Dass es Süsses gibt und man sich verkleiden kann!», sagen die einen. «Leute erschrecken!», meint jemand, und wieder andere erzählen, dass sie Halloween gar nicht begehen. Auf die Frage, was an Halloween gefeiert wird, bleibt es still. Nur ein, zwei wissen: «Man verkleidet sich, um Geister und die toten Ahnen zu vertreiben.» Aber was genau ist nun Halloween?
Halloween kommt vom englischen Wort «All Hallow’s Eve» und bedeutet: der Abend vor Allerheiligen. Seinen Ursprung hat das Fest im katholischen Irland und ist eng verbunden mit dem keltischen Jahreskreisfest Samhain (ausgesprochen «Saw-in»).
Den Toter gedenken
Im Herbst, wenn die Blätter fallen und die Dunkelheit einzieht, wird in vielen Kulturen der Toten gedacht und für die Ernte gedankt. In Mexiko feiern die Menschen in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November den «Día de los Muertos». Im Christentum wird am 1. November, an Allerheiligen, der verstorbenen Heiligen gedacht und am Tag darauf, an Allerseelen, der «normalsterblichen» Toten. Das Gedenken an die Heiligen wurde in Rom schon im siebten Jahrhundert n. Chr. gefeiert, damals noch am 13. Mai. Erst hundert Jahre später legte Papst Gregor III. den Feiertag für die Stadt Rom auf den 1. November fest, Papst Gregor IV. übernahm ihn dann in den römischen Generalkalender.
Ob dieses Datum bewusst gewählt wurde, um die keltischen Bräuche und somit Samhain ins Christentum zu überführen, ist umstritten. Einige Kulturhistoriker gehen davon aus, dass man in Rom kaum Kenntnisse der heidnischen Bräuche hatte. Andere betonen, dass im bereits früh christianisierten Irland das Keltenfest schon seit dem vierten Jahrhundert die kirchlichen Feiern mitgeprägt hat.
Wie auch bei den anderen drei keltischen Jahreskreisfesten Imbolc (1. Februar), Beltane (auch Walpurgisnacht, 1. Mai) und Lughnasadh (1. August) seien in diesen Zeiten jeweils die Schleier zwischen den Welten durchlässig und die Menschen hätten Zugang zu den Wesen der Anderswelt und zu den Toten, so der Glaube.
Ob Samhain ursprünglich tatsächlich ein Totenfest war oder ob dies aus der Überlagerung mit Allerheiligen entstand, ist nicht gänzlich geklärt. Fest steht:
«All Hallows’ Eve», also Halloween, wurde ursprünglich in den katholischen Gebieten der britischen Inseln, vor allem aber in Irland begangen. Beim Fest am Abend vor Allerheiligen wurde wohl für die Ernte gedankt sowie die Heimkehr des Viehs in die Ställe gefeiert. Ebenso glaubte man, die Seelen der Toten würden ihre irdischen Heime besuchen. Verschiedene Quellen überliefern, dass jeweils grosse Feuer entzündet wurden.
Glühende Augen und Kürbisköpfe
Mit den Verkleidungen beabsichtigte man, böse Geister abzuschrecken. Die leuchtenden Kürbisfratzen gehen auf eine irische Sage zurück. Demnach gelang es dem Bösewicht Jack Old!eld dank einer List, den Teufel einzufangen. Er wollte ihn erst dann wieder freilassen, wenn der Teufel ihm zusicherte, Jack O künftig bei seinen Schandtaten gewähren zu lassen.
Als Jack starb, kam er verständlicherweise nicht in den Himmel. Aber da er es sich mit dem Teufel verscherzt hatte, verweigerte dieser ihm auch den Zutritt zur Hölle. Seither haben die Menschen Fratzen in Rüben geschnitzt, um den umherirrenden Jack zu vertreiben. Einer anderen Überlieferung zufolge schenkte der Teufel Jack O eine Rübe und eine glühende Kohle, damit er fortan durch die Dunkelheit ziehen könne.
Vom Brauch in Irland zum Volksfest in den USA – bis zum Süssigkeitenrausch auch hierzulande
Die irischen Auswanderer brachten ihr Brauchtum im 19. Jahrhundert in die USA, wo es zu einem beliebten Volksfest avancierte. Weil dort aber die Kürbisse heimisch und in grosser Zahl verfügbar waren, wurden die Rüben kurzerhand durch Kürbisfratzen ersetzt.
Und auch das «Betteln» an der Tür hat sich gewandelt. In Irland war es seit dem Mittelalter Brauch, am Abend vor Allerheiligen, also an Halloween, Seelenkuchen zu verteilen, um die Toten zu ehren. Diese runden Brötchen, auch Soul Cakes genannt, sind mit einem Kreuz versehen und mit Gewürzkörnern, Muskatnuss, Zimt, Ingwer, Rosinen oder Korinthen gefüllt. Kinder, aber auch Bettler und Bedürftige, zogen dann von Tür zu Tür, sangen Lieder – das nannte man Souling – und bettelten so um das Seelenbrot. Als Dank für das süsse Gebäck schlossen sie die verstorbenen Seelen in ihre Gebete ein. Jeder verzehrte Kuchen erlöste dem Glauben nach eine Seele aus dem Fegefeuer und schenkte ihr Gnade. In den USA gerieten die Seelenbrote bald in Vergessenheit – es wurde nur noch um Süsses gebettelt. Sowohl das Singen wie auch das Beten sind dem Spruch «Trick or treat» gewichen. Wir kennen ihn als: «Süsses oder Saures!» Und anstelle der Kinder, die um Gnade für die Seele beteten, beten zumindest in den USA die Leute heute wohl eher dafür, dass ihre Häuser und Autos vor Vandalen verschont bleiben.
Hierzulande hat Halloween vor allem kommerziellen Charakter, seit es in den Neunzigerjahren nach Europa übergeschwappt ist. «Süsses oder Saures» – heute Abend dürften hier im Tal manch glänzende Kinderaugen hinter Monster-, Skelett- und Geisterfratzen hervorlugen, wenn sie an den Türen klingeln und auf Süssigkeiten hoffen.



