«Tierquälerei ist kein Kavaliersdelikt»
03.09.2024 GesellschaftJUSTIZ Weil er auf der Dorfstrasse seinen Hund hart gezüchtigt und gequält hatte, wurde ein Frutigländer vom Regio nalgericht Oberland zu einer unbedingten Geldstrafe von 1800 Franken verurteilt. Die Zeugin, die ihn angezeigt hatte, machte vor Gericht einen wesentlich ...
JUSTIZ Weil er auf der Dorfstrasse seinen Hund hart gezüchtigt und gequält hatte, wurde ein Frutigländer vom Regio nalgericht Oberland zu einer unbedingten Geldstrafe von 1800 Franken verurteilt. Die Zeugin, die ihn angezeigt hatte, machte vor Gericht einen wesentlich glaubwürdigeren Eindruck als der Tierhalter.
PETER SCHIBLI
Vor dem Regionalgericht in Thun erschien der Mann am vergangenen Donnerstag ohne Anwalt, aber zusammen mit einer Begleitperson. Seinen Bekannten habe er mitgenommen, damit ihn dieser beruhige, sollte er in Anwesenheit der ebenfalls vorgeladenen Zeugin ausflippen. Nachdem die Gerichtspräsidentin ihm klargemacht hatte, dass sie nicht zögern werde, im Notfall die vorinformierte Polizei zu alarmieren, ging die Hauptverhandlung aber gesittet und ohne emotionale Ausbrüche über die Bühne.
Nach eigenen Angaben kann der Beschuldigte schlecht mit Stress umgehen. Dieser Umstand dürfte auch zu dem Vorfall geführt haben, der ihn vor Gericht brachte. Ob er allenfalls bereit wäre, seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzuziehen, um zusätzliche Verfahrenskosten zu vermeiden, fragte ihn die Richterin. Da ein Rückzug einer Schuldanerkennung gleichkomme, sei er dazu nicht bereit, liess der Mann verlauten. Er sei nach Thun gekommen, um gehört zu werden, und er erwarte einen Freispruch. Seinen Hund habe er nicht gequält.
An die Hauswand geflogen
Die Staatsanwaltschaft sah es anders: Gemäss den Ermittlungen habe der Frutigländer am 26. Januar 2024 um 13.15 Uhr auf der Dorfstrasse seines Wohnorts seinen eigenen Hund misshandelt, «indem er diesem mit dem Fuss in die Bauchgegend trat, wodurch das Tier durch die Luft an eine Hauswand flog». Anschliessend habe er den Kopf seines Hundes mit den Händen unsanft auf den Boden gedrückt. Die Staatsanwaltschaft stützte ihre Anklage auf die Zeugenaussage einer jungen Frau, die den Vorfall beobachtet und vier Tage später bei der Polizei Anzeige erstattet hatte.
Vom Gericht zum Sachverhalt befragt, verwickelte sich der Beschuldigte in offensichtliche Widersprüche. Da seine Hände mit Einkäufen beladen und der Hund nicht angeleint gewesen sei, habe er mit seinem Knie versucht, das Tier vom Betreten der Strasse abzuhalten, so seine Darstellung. In der polizeilichen Einvernahme hatte er noch zugegeben, den Hund mit dem Fuss weggeschoben zu haben. Er lege Wert auf eine strenge Erziehung seines Tiers, so wie er es von seinen Eltern gelernt habe, begründete er sein rabiates Verhalten.
Die Zeugin dagegen bestätigte ihre bei der Polizei gemachten Aussagen wörtlich. Sie habe den Tierhalter nach der Misshandlung zur Rede gestellt, obwohl sie eher eine schüchterne Person sei, so ihre Schilderung vor Gericht. Nachdem sie vom Hundehalter angeschrien worden sei, habe sie sich entschieden, den Vorfall der Polizei zu melden. «Sein Verhalten war zu viel. Ich musste etwas tun», erklärte sie glaubhaft. Der Beschuldigte dagegen bestritt die Schilderung der Zeugin und erklärte, es sei «unerhört», wie sich die junge Frau eingemischt habe.
Zeugin mit Zivilcourage
Weil der Angeklagte auch nach Abschluss des Beweisverfahrens nicht bereit war, seinen Einspruch zurückzuziehen, sah sich die Gerichtspräsidentin gezwungen, ein Urteil zu fällen. Das Verhalten des Beschuldigten stelle ganz klar einen Verstoss gegen das Tierschutzgesetz dar, entschied sie. Der Halter habe seinen Hund «übermässig hart» traktiert und dem Tier damit Schmerzen zugefügt. Gegen den Beschuldigten sprächen auch die diversen Vorstrafen: Der Mann war schon in früheren Jahren mehrfach wegen Tierquälerei verurteilt worden.
Als Sanktion sprach die Gerichtspräsidentin eine Geldstrafe in der Höhe von 1800 Franken aus. Die Verfahrenskosten und Gebühren wurden auf 2000 Franken festgelegt. Entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft verzichtete das Gericht auf einen Widerruf der zuvor ausgesprochenen Geldstrafen.
Zum Abschluss der Verhandlung mahnte die Richterin den Beschuldigten, Tiere künftig korrekt zu behandeln. Tierquälerei sei kein Kavaliersdelikt. Der mutigen Zeugin sprach sie ein Lob für ihre Zivilcourage aus. «Nicht wegzuschauen, sondern sich einzumischen, war in diesem Fall absolut gerechtfertigt», sagte die Juristin und schloss die Verhandlung.