Touristisch auf den Hund gekommen
30.09.2025 KolumneAm Nebentisch in einem renommierten italienischen Restaurant in Luzern sitzt ein Paar, das sich auf Spanisch unterhält und wahrscheinlich aus Südamerika stammt. Sie haben eine Pizza zum Teilen bestellt. Sie kommt und wird mit Besteck serviert. Auf die freundliche Frage, ob sie einen ...
Am Nebentisch in einem renommierten italienischen Restaurant in Luzern sitzt ein Paar, das sich auf Spanisch unterhält und wahrscheinlich aus Südamerika stammt. Sie haben eine Pizza zum Teilen bestellt. Sie kommt und wird mit Besteck serviert. Auf die freundliche Frage, ob sie einen zweiten Teller erhalten könnten, lautet die Antwort: «Ja, aber das kostet einen Zuschlag von vier Franken.» Sie verzichten und behelfen sich mit einer Papierserviette als zweite Unterlage. Meine Frau und ich sehen uns betreten an – «Geht’s noch?!». Beim Inspizieren der Menükarte entdecken wir den entsprechenden Hinweis unten an der Seite, klein und fett gedruckt. Ein kurzer Blick in die Gästekommentare auf TripAdvisor bestätigt, dass diese «Regel» durchgezogen wird und zu entsprechenden negativen Kommentaren führt. Ein Kritiker schlägt vor, das Restaurant solle sich mit dieser Gebühr eine Geschirrwaschmaschine kaufen, um diesem Unsinn ein Ende zu bereiten.
Kürzlich stand folgender Titel in der «SonntagsZeitung»: «Bahn büsst 80-jähriges Grosi, weil sie mit Enkeln zu früh in den Zug stieg». Sie waren auf einer Wanderung und mussten diese wegen Unwohlseins eines der Grosskinder frühzeitig abbrechen. Die am Vortag gelösten Rückfahrtbillette waren zur vorgezogenen Zeit im Regionalzug noch nicht gültig. Die Stichproben-Kontrolleurin befand, dass sie schwarzfahre, und verknurrte die Grossmutter zu einer Busse von 100 Franken plus Billettkosten.
Wir fahren mit dem Postauto zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Uns gegenüber sitzt ein jüngeres Pärchen, offensichtlich ausländische Touristen. Unter dem Sitz der Frau liegt ein Hund. «Billettkontrolle!», schallt es durch den Bus. Die beiden zücken ihre Gstaad Card, welche zum kostenlosen Benützen des öffentlichen Verkehrs in der Region des Saanenlands berechtigt. Nun regt sich der kleine, ruhige und unauffällige Hund. Der Stichkontrolleur will das Billett für den Vierbeiner sehen. Die beiden Mitreisenden sind echt überrascht: «Ein Ticket für den Hund?» Das scheinen sie in ihrer Heimat nicht zu kennen oder sie fahren dort nicht mit dem öffentlichen Verkehr. Es gibt kein Pardon. 75 Franken plus Ticket zum halben Preis werden fällig. Meine Anfrage beim Web-Chat von Gstaad Saanenland Tourismus bestätigt kurz und bündig: «Für Hunde gibt es keine Gstaad Card. Diese haben ein Billett zum halben Preis zu lösen.»
Für Freizeitaktivitäten und Ferienreisen wird mittlerweile überall das Benützen des öffentlichen Verkehrs propagiert. Damit spricht er auch Kreise an, die sich mit den Schweizer Gepflogenheiten kaum oder nicht ausreichend auskennen. Das verlangt meines Erachtens von den Kontrollpersonen mehr als nur die Kenntnisse des Reglements, nämlich auch Fingerspitzengefühl: Situationsbezug, Verhältnismässigkeit, Kulanz. Es müsste einer Kontrolleurin oder einem Kontrolleur doch gelingen zu unterscheiden, ob jemand absichtlich schwarzfährt oder in unverschuldeter Unkenntnis über einen nicht konformen Fahrausweis verfügt.
Ob Restaurateur oder Verantwortliche im öffentlichen Verkehr: Es sei in Erinnerung gerufen, dass eine Kritik oder ein negatives Erlebnis mindestens ein Dutzend Mal weiterverbreitet wird. Ein Lob, ein mit Verständnis und Respekt gelöstes Versehen hingegen etwas weniger – dafür umso glaubwürdiger.
KURT METZ
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