Traktanden aus der Vergangenheit
24.11.2023 Reichenbach, KientalAn der Gemeindeversammlung vom kommenden Donnerstag wird ein längst beschlossenes Sanierungsprojekt wieder zum Thema – ebenso wie die vor drei Jahren verabschiedete Strukturreform.
BIANCA HÜSING
Es ist noch nicht lange her, dass die Gemeinde ...
An der Gemeindeversammlung vom kommenden Donnerstag wird ein längst beschlossenes Sanierungsprojekt wieder zum Thema – ebenso wie die vor drei Jahren verabschiedete Strukturreform.
BIANCA HÜSING
Es ist noch nicht lange her, dass die Gemeinde Reichenbach Urnenabstimmungen eingeführt hat. Vor drei Jahren genehmigte die Bevölkerung – an der Urne, wohlgemerkt – eine umfassende Strukturreform. Damit wurden unter anderem die finanziellen Kompetenzen der Gemeindeversammlung auf 500 000 Franken begrenzt. Seitdem fanden drei Urnenabstimmungen über insgesamt fünf Kredite statt. Zweimal lag die Stimmbeteiligung bei über 56 Prozent, einmal (am 19. November 2023) bei nur 20. Fast alle Kreditgeschäfte wurden mit grosser Mehrheit genehmigt – bis auf eines: die Verlegung der Griesalpstrasse.
Trotz überwiegend solider Stimmbeteiligung und zumeist positiver Abstimmungsergebnisse will der Gemeinderat die Hürde für Urnenentscheide nun erhöhen. Künftig sollen Kredite erst ab einer Summe von 750 000 Franken auf diese Weise beschlossen werden. «Dieser Betrag entspricht der Hälfte unserer jährlichen Investitionsobergrenze von 1,5 Millionen Franken, die wir in der Vergangenheit einzuhalten versuchten», erklärt Vize-Obmann Toni Imsand. Der Gemeinderat habe festgestellt, dass der Betrag von 500 000 Franken für grössere Investitionen schnell erreicht und somit zu tief angesetzt worden sei. «Urnenabstimmungen verursachen einen grossen administrativen Mehraufwand und sind mit viel Arbeit für die Verwaltung verbunden – und erst noch recht kostspielig.»
Bäuerten und Bauverwaltung
Auch ein zweiter Bestandteil der Strukturreform 2020 zeigte auf Anhieb Wirkung. Damals wurde es den Bäuerten ermöglicht, sich selbst aufzulösen – sofern sie dies wollen oder mangels Personal müssen. Schon im ersten Jahr nach der Reform lösten sich die Bäuerten Faltschen, Scharnachtal und Reudlen auf, Ende 2022 folgten Reichenbach und Wengi. Von den einst acht Bäuerten sind inzwischen nur noch drei übrig: Kiental, Kien-Aris und Ausserschwandi. Weil dies nicht reicht, um in der Koordinationskommission die Mindestanzahl von fünf Mitgliedern zu stellen, soll auch diese künftig entfallen. Die Kommission war unter anderem für die Aufgabenerfüllung, die Gleichbehandlung und die Anträge der Bäuerten zuständig und fungierte als Bindeglied zwischen Gemeinderat und Bäuerten. Damit der Austausch gewährleistet bleibt, soll anstelle der Kommission künftig ein Informationsausschuss eingesetzt werden.
Diese und andere Anpassungen im Reichenbacher Organisationsreglement werden der Gemeindeversammlung zur Genehmigung vorgelegt. Die womöglich grösste Änderung betrifft die Einführung der Regionalen Bauverwaltung, an der nebst Adelboden, Frutigen, Kandergrund und Kandersteg auch Reichenbach beteiligt sein sollen (der «Frutigländer» berichtete).
Die Projektkosten haben sich verdoppelt
Eigentlich hätte dieses Jahr der Belag des Fröschenmooswegs erneuert werden sollen. Für die Sanierung inklusive Wasserleitungsersatz hatte die Gemeindeversammlung am 9. August 2021 einen Kredit in Höhe von 252 000 Franken bewilligt. Im Zuge der Projektausschreibung musste die Gemeinde jedoch feststellen, dass der Kostenvoranschlag aus dem Jahr 2020 unvollständig war und überholt ist. So waren etwa sämtliche Sanitärarbeiten und die Instandsetzung der Strassenfundation nicht mit einkalkuliert. Auch der Anschluss ans Fröschenmoosquartier sowie um die Erneuerung des Gehwegs zum Altersheimparkplatz waren im Ursprungsprojekt noch nicht enthalten. All diese Umstände hätten zu einer massiven Kreditüberschreitung geführt.
Um diese zumindest ein Stückweit einzudämmen, sind die Bauverwaltung und das beauftragte Ingenieurbüro noch einmal über die Bücher gegangen und haben unter anderem entschieden, die Gehwegsanierung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Trotzdem wird das Projekt nun fast doppelt so teuer wie vor drei Jahren vorgesehen. Die Kosten belaufen sich neu auf 491 000 Franken, weswegen der Gemeinderat einen Nachkredit in Höhe von 239 000 beantragt.
Dass es auch ganz anders laufen kann, zeigen die vier Kreditabrechnungen, die der Gemeindeversammlung zur Kenntnisnahme vorgelegt werden. Alle Projekte – darunter auch der Neubau des Kindergartens Dorf – sind günstiger umgesetzt worden als geplant. Besonders trifft dies auf den Ersatz der Wasserleitung Kiental-Dorf zu. Hierfür hatte die Gemeindeversammlung einen Kredit in Höhe von 608 000 Franken genehmigt. Tatsächlich hat der Leitungsersatz nur rund 275 000 gekostet.
Budgetiertes Minus und weitere Geschäfte
Ob es auch beim Budget und der Jahresrechnung zu derlei Differenzen kommt, wird sich an der Versammlung zeigen. In den letzten drei Jahren schloss die Rechnung stets erheblich besser ab als budgetiert worden war. Fürs Jahr 2024 rechnet der Gemeinderat wiederum mit einem Defizit von knapp 500 000 Franken im Gesamthaushalt. Der grösste Mehraufwand wird in den Bereichen Bildung (+169 000 Franken) sowie Umweltschutz und Raumordnung (+59 490 Franken) erwartet. Demgegenüber stehen steuerliche Mehreinnahmen in Höhe von 416 200 Franken. Die Nettoinvestitionen werden mit 1,91 Millionen Franken beziffert. Im kommenden Jahr sollen unter anderem die erwähnte Belagssanierung am Fröschenmoosweg sowie die 2022 beschlossenen Steinschlagschutzmassnahmen in Reudlen umgesetzt werden.
Nebst dem Budget, dem Fröschenmoos-Nachkredit und der Teilrevision des Organisationsreglements stehen ausserdem zur Abstimmung:
• eine neue Sauberwasserleitung im Cheer (Reudlen) für 220 000 Franken. Weil die bestehende Leitung zu klein ist, kommt es in dem Gebiet regelmässig zu Überschwemmungen;
• eine Teilrevision des Feuerwehrreglements. Künftig sollen bereits 18-Jährige der Feuerwehr beitreten können (zuvor war dies erst ab dem 20. Lebensjahr möglich).
Die Gemeindeversammlung findet am 30. November ab 20.15 Uhr statt.