Transparenz oder Kalkül?
07.03.2023 FrutigenAm 26. November stimmt die Bevölkerung an der Urne gleich über zwei gewichtige Finanzvorlagen ab. Befürworter der Investitionsprojekte sprechen von einem «unglücklichen Timing» – die Gemeinde sieht das anders.
JULIAN ZAHND
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Am 26. November stimmt die Bevölkerung an der Urne gleich über zwei gewichtige Finanzvorlagen ab. Befürworter der Investitionsprojekte sprechen von einem «unglücklichen Timing» – die Gemeinde sieht das anders.
JULIAN ZAHND
Das marode Freibad bedarf früher oder später einer Sanierung. Zwar sistierte der Gemeinderat das Projekt auf unbestimmte Zeit, nachdem das Stimmvolk im letzten Jahr eine geplante Steuererhöhung abgelehnt hatte. Doch eine vom Liberalen Frutigen lancierte Initiative brachte die erneute Kehrtwende: Am 26. November kommt die Vorlage an die Urne. Kostenpunkt des ursprünglichen Projekts: zwei Millionen Franken – mindestens.
Die marode Tellenburg bedarf früher oder später einer Sanierung. Nach einer ersten abgeschlossenen Bauetappe, die unter anderem neue Sanitäranlagen und eine Neugestaltung des Vorplatzes umfasste, ist nun in einem zweiten Schritt das bröckelnde Mauerwerk an der Reihe. Am 26. November kommt die Vorlage an die Urne. Kostenpunkt der zweiten Bauetappe: über eine Million Franken. Rund 70 Prozent der Sanierungskosten übernähme jedoch der Kanton. Der Gemeinde verblieben danach Ausgaben von 300 000 Franken – mindestens.
«Über die Tellenburg hätte schon früher abgestimmt werden können»
Die Frutiger Stimmbevölkerung befindet Ende Jahr somit über Kredite in der Gesamthöhe von rund 2,5 Millionen Franken. Für die Gemeinde ist das ein ziemlicher Brocken, darin sind sich alle einig. Und genau deshalb stören sich manche Projektbefürworter am Zeitplan der Gemeinde. «Das Timing ist unglücklich», sagt Niklaus Liechti, Präsident des Liberalen Frutigen und Urheber der Freibad-Initiative. Die Summe beider Projekte könne durchaus abschreckend sein und manche StimmbürgerInnen dazu bewegen, nur eines der beiden Vorhaben gutzuheissen.
Im Direktvergleich hat die Tellenburg-Sanierung möglicherweise die besseren Karten: Erstens ist die Investitionssumme für die Gemeinde wesentlich kleiner. Zweitens steht der Gemeinderat hinter dieser Vorlage, während er den Freibad-Kredit eigentlich zurückstellen wollte. Und drittens ist das mehrphasige Sanierungsprojekt der Burg bereits im Gange.
Doch warum wird über die beiden Geschäfte am selben Tag abgestimmt? Manche wittern in diesem Schritt Kalkül. Die Gemeinde wolle die Projekte gegeneinander ausspielen, so der Vorwurf. Gemeinderatspräsident Hans Schmid verneint. Die möglichen Abstimmungstermine seien rar. In der Regel führe die Gemeinde ihre Urnengänge zeitgleich mit kantonalen und nationalen Abstimmungen durch, was Kosten spare. Heuer finden am 12. März, am 18. Juni und am 26. November Abstimmungen statt, die Gemeinde wählte für beide Vorlagen nun den letzten dieser drei Termine – und zugleich «den für uns frühestmöglichen», wie Hans Schmid sagt.
Gegenseitige Solidarität
Nicht alle glauben das. «Die Freibad-Vorlage war tatsächlich sportlich terminiert. Da die Gemeinde das Geschäft erst noch fertig ausarbeiten muss, braucht das wohl einige Zeit», sagt Thomas Egger, Präsident der Burgfreunde Tellenburg. Beim Burgsanierungsprojekt verhalte es sich aber anders: Das Geschäft sei bei der Gemeinde mehrere Monate liegen geblieben. «Eine Abstimmung im Juni oder sogar im März wäre möglich gewesen», ist Egger überzeugt.
Die Strategie der Burgfreunde und des Liberalen Frutigen ist nun klar: Man will sich gegenseitig helfen und nicht bekämpfen. «Die Burgfreunde Tellenburg unterstützen klar beide Abstimmungsgeschäfte, da diese für Frutigens Attraktivität als bedeutend betrachtet werden», schreibt der Verein auf seiner Website. Und auch Niklaus Liechti sichert den Burgfreunden seinen Support zu.
Gemeinde sieht Sparkurs als Auftrag
Das Liberale Frutigen ist hinter der SVP die zweitstärkste Partei im Ort, der Verein Burgfreunde zählt rund 800 Mitglieder. Sollte die gegenseitige Solidarität tatsächlich spielen, wäre eine doppelte Annahme durchaus denkbar. Doch was würde das für die Gemeindekasse bedeuten? Niklaus Liechti, ehemaliger Gemeinderat im Ressort Finanzen, ist der Meinung, dass die Annahme dieser beiden Vorlagen für Frutigen hinsichtlich Standortförderung enorm wichtig sei und der Nutzen überwiege. «Es ist eine Frage der Priorisierung der Investitionen und der Optimierung der Ertragslage in der Gemeinderechnung. Es kann nicht sein, dass wir auf sämtliche zukunftsweisenden Projekte verzichten.»
Gemeinderatspräsident Hans Schmid ist derweil kritischer. Das letztjährige Nein zur Steuererhöhung interpretiert er als Auftrag an die Behörden, sparsam mit dem Geld umzugehen. «Wir müssen die Schulden angesichts der steigenden Zinsen im Auge behalten.» Und er rechnet vor: Schon heute betrage die Schuldenlast der Gemeinde rund 23 Millionen Franken. Mit dem ordentlichen Unterhalt, den Hochwasserschutzprojekten Engstlige und Kander sowie den Sanierungen der Oberstufenturnhalle und der Rinderwaldstrasse würden die Schulden gemäss Finanzplan bis im Jahr 2026 auf über 30 Millionen Franken ansteigen – ohne Freibad. «Ein Zinsanstieg von einem Prozent entspräche mittelfristig 300 000 Franken, die die Gemeinde jährlich mehr zahlen müsste.» Sofern die Badi-Sanierung vollständig fremdfinanziert würde, kämen gut 20 000 Franken hinzu.
Die BürgerInnen würden entscheiden, was sie möchten – sie müssten dann aber auch bezahlen, sagt Schmid. Dass beide Kredite nun zeitgleich an die Urne kämen, ermögliche den StimmbürgerInnen auch eine Gesamtsicht und schaffe Transparenz: «Womöglich können die Leute die Tragweite ihrer Entscheide so besser abschätzen», so Schmid.