Zwei Vereine sind zurzeit bei schönem Wetter im Einsatz gegen das stille Sterben auf den Wiesen. Zum Schutz von Rehkitzen investieren sie viel freiwillige Zeit und Geld.
Sie sind sehr früh unterwegs, wenn der Boden noch kühl ist. Ihre Mission: die Suche ...
Zwei Vereine sind zurzeit bei schönem Wetter im Einsatz gegen das stille Sterben auf den Wiesen. Zum Schutz von Rehkitzen investieren sie viel freiwillige Zeit und Geld.
Sie sind sehr früh unterwegs, wenn der Boden noch kühl ist. Ihre Mission: die Suche nach Rehkitzen. Von Ende April bis Anfang Juli fliegen Mitglieder der Rehkitzrettung Kandertal (RKRK) mit Wärmebilddrohnen über Felder, welche die Landwirte unmittelbar danach mähen wollen. Beteiligt sind meist ein ausgebildeter Drohnenpilot oder eine Drohnenpilotin sowie freiwillige Helfer oder Helferinnen.
Aufgrund ihres natürlichen Schutzinstinkts ducken sich die Jungtiere bei Gefahr. Sie lassen sich nicht verscheuchen, sondern verharren regungslos. In der Natur können sie sich so vor natürlichen Feinden schützen, nicht aber vor den scharfen Klingen der Mähwerke. Dieser schreckliche Tod ereilt in der Schweiz jährlich rund 3000 Rehkitze. Seit einigen Jahren können dank Drohnenkameras, welche die Körperwärme der Rehkitze anzeigen, solche Unfälle vermehrt verhindert werden.
Auch das Wetter ist massgebend
Im vergangenen Jahr konnten im Kandertal 55 Rehkitze geortet und vor dem Mähtod bewahrt werden. Die Zahl ist ähnlich wie 2023, jedoch wurden mehr Hektaren Land und Felder abgeflogen. Dieser Mehraufwand mit ähnlichem Erfolg ist auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen: Ist das Wiesland aufgrund niederschlagsreichen Wetters nass, setzen die Rehgeissen ihre Kitze oft im Wald und nicht im nassen Gras ab. Und kann der Bauer bereits in der ersten Aprilhälfte viele Wiesen mähen, sind die Jungtiere noch nicht gesetzt.
Wie diese Arbeit verlief, bevor man Drohnen einsetzte, erklärt Andy Vinzens, Drohnenpilot und Präsident des RKRK: «Noch ehe man mit der Hilfe von Drohnen versuchte, Rehkitze auf den Feldern aufzuspüren, machte man das zum Beispiel mit der Vorwegsuche, dem Ablaufen eines Feldes vor dem Mäher.» Nebst dieser konventionellen Methode habe man oft auch zu Karbid gegriffen. Dessen Geruch hätte die Rehmutter dazu bewegen sollen, ihr Kitz aus dem betreffenden Feld zu entfernen. «Nach wie vor kommen Fahnen aus Leinentüchern oder Warnblinker zur Abschreckung der Geissen zum Einsatz», sagt Vinzens.
Zusammenarbeit mit Jagdverein
Wenngleich sie oft bis Mitternacht auf den Feldern unterwegs sind, um Tücher zu spannen, seien alle von der RKRK voll motiviert, sagt Vinzens. «Es kommt vor, dass uns Landwirte spätabends informieren, dass sie am folgenden Morgen mähen wollen. Das heisst dann, dass wir bereits wieder um 3 oder 4 Uhr in der Früh mit Drohnenflügen beginnen.»
Zurzeit besitzt der Verein insgesamt vier Kameras. Die Anschaffungskosten pro Drohne mit Wärmebildkamera betragen zwischen 5500 und 7500 Franken. Wenn ihre personellen Kapazitäten ausgeschöpft sind, können sie auf die Unterstützung der Jäger zählen. Martin Stoller, Präsident der Hegekommission des Jägervereins Kandertal, betont, dass die Hege und die Rettung der Rehkitze sowieso ursprünglich von den Jägern stamme. «Die Kommunikation zwischen den beiden Seiten funktioniert gut, wir streben eine gute Zusammenarbeit zwischen Jägern und der RKRK an.»
Frühe Meldung ist zwingend
Nicht gelten lassen will Martin Stoller den Vorwurf, Jäger würden wohl Rehkitze im Vorsommer retten, diese jedoch dann im Herbst auf der Jagd erlegen. «Für mich ist es ein grosser Unterschied, ob ein Rehkitz von einem Mäher zerrissen oder im Herbst gezielt geschossen wird», meint Stoller und fügt an: «Ich bin mit der Jagd aufgewachsen, ich kenne es nicht anders.»
Was sich beide Seiten wünschen, ist, dass Landwirte bis spätestens 18 Uhr melden, wenn eine Mahd ansteht. Sie sollten zwingend den örtlichen Hegechef in Kandersteg, Kandergrund, Frutigen, Achseten, Reichenbach, Aeschi oder Krattigen kontaktieren.
HANS HEIMANN
Informationen, Anmeldeformular sowie Hinweise für die Unterstützung des RKRK gibt es unter www.rkrk.ch.