Silvia Eyer liess Interessierte am letzten Freitag an ihrer ergreifenden Lebensgeschichte teilhaben.
Es herrscht reger Austausch, als die zahlreichen Interessierten zur Lesung «Zurück im Leben» von Silvia Eyer den neuen Begegnungsraum UnderWägs ...
Silvia Eyer liess Interessierte am letzten Freitag an ihrer ergreifenden Lebensgeschichte teilhaben.
Es herrscht reger Austausch, als die zahlreichen Interessierten zur Lesung «Zurück im Leben» von Silvia Eyer den neuen Begegnungsraum UnderWägs betreten. Der ehemalige Malerbetrieb, liebevoll umgestaltet von Ursina Wandfluh und Roland Klötzli, lädt mit seiner warmen Atmosphäre, regionalem Handwerk und kleinen Geschenkideen zum Entdecken und Verweilen ein. Doch sobald Silvia Eyer zu lesen beginnt, wird es plötzlich komplett still.
Ein Leben zwischen Absturz und Aufbruch
Mit der eindringlichen Schilderung eines Polizeieinsatzes im Jahr 2008 – jenem Moment, der sie mit 23 Jahren endgültig aus der Heroinsucht herausriss – zieht Eyer das Publikum sofort in ihren Bann. Kein Stuhl bleibt am 16. Mai leer, Menschen jeden Alters lauschen gebannt.
Die Autorin erzählt von einer behüteten Kindheit im Wallis, von Unsicherheiten und dem Wunsch nach Zugehörigkeit, der sie als Teenager in eine Clique führte – und schliesslich in die Drogenszene. Alles begann mit Cannabis, es folgten LSD, Ecstasy und irgendwann Heroin. Die Flucht aus der Realität endete in Abhängigkeit, Entzügen, Rückfällen und existenziellen Grenzerfahrungen
– darunter auch eine Nahtoderfahrung nach einem unsauberen Schuss.
Starke Worte, bewegte Reaktionen
Trotz der Härte ihrer Erlebnisse ist Eyers Erzählweise nie anklagend, sondern reflektiert: «Ich musste diese Erfahrungen machen, um zu der Person zu werden, die ich heute bin.» Besonders berührt das Publikum ihre Schilderung über die unerschütterliche Unterstützung ihrer Eltern: «Wir schaffen das zusammen», habe ihr Vater ihr damals gesagt.
Im Anschluss an die Lesung stellen Besucherinnen und Besucher zahlreiche Fragen – zu Rückfällen, zur politischen Arbeit, zu ihrem heutigen Alltag. Eyer antwortet offen und ehrlich.
Ein neues Leben – politisch engagiert und mit sich selbst im Reinen
Heute ist Silvia Eyer seit 15 Jahren clean, lebt im Elternhaus im Wallis und engagierte sich als Gemeinderätin in Naters. Dort betreut sie das Ressort Soziales, Liegenschaften und Gesundheit. Zudem ist sie Grossrätin im Kanton Wallis und setzt sich für soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung und Umweltbewusstsein ein. Yoga, ihre politische Tätigkeit und die Annahme der eigenen Geschichte haben ihr geholfen, wieder fest im Leben zu stehen. «Ich habe aufgehört, mich zu schämen. Das war der Moment, in dem ich etwas zurückgeben wollte.»
Ein Raum für Begegnung und ein Neuanfang
Die Lesung war nicht nur ein eindrücklicher Einblick in ein bewegtes Leben, sondern auch die stimmungsvolle Eröffnung des Raums UnderWägs. Ab dem 22. Mai ist der Begegnungsort jeden Donnerstagnachmittag offen für Austausch, Einkauf und Inspiration – ein Ort, der Hoffnung und Geschichten Raum gibt.
Daniel Schild aus Frutigen meint nach der Lesung ergriffen: «Ich hatte Gänsehaut während der gesamten Lesung.» Seine 15-jährige Tochter Lilija ergänzt: «Es war spannend und ging wirklich unter die Haut.» Ein Abend, der noch lange nachhallt.
BETTINA ENSER