Verborgene Schätze ans Tageslicht geholt
12.04.2024 KulturTHUN In seiner neuen Sonderausstellung zeigt das Museumsschloss Keramikobjekte aus seiner Sammlung. Die Kunstwerke aus Heimberger und Steffisburger Produktion sollen bis 2025 im Schweizerischen Keramikinventar öffentlich zugänglich gemacht werden.
...THUN In seiner neuen Sonderausstellung zeigt das Museumsschloss Keramikobjekte aus seiner Sammlung. Die Kunstwerke aus Heimberger und Steffisburger Produktion sollen bis 2025 im Schweizerischen Keramikinventar öffentlich zugänglich gemacht werden.
PETER SCHIBLI
Das Museumsschloss Thun beherbergt eine der grössten Keramiksammlungen des Kantons Bern, darunter die bedeutende Sammlung zur «Thuner Majolika» sowie besondere Stücke von Keramikern wie Johann Wanzenried, Friedrich Ernst Frank, Cäsar und Hans Schmalz und der Kunsttöpferei Desa. Die Keramikgattung wurzelt in der lokalen Herstellung in der Region Heimberg-Steffisburg und ist ein Produkt des Historismus im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Die lokalen Keramikmanufakturen bezeichneten ihre oft mit Renaissancedekor bemalten, bleiglasierten Objekte fälschlicherweise als «Majolika». Die Thuner «Majolika» ist jedoch keine einseitig mit Blei-Zinn-Glasur versehene Keramik, sondern eine eigenständige Form der «Irdenware». Sie verwendete historische Formen und Verzierungen. Die Gegenstände wurden zu einem grossen Teil für Touristen hergestellt und an diese verkauft.
Ein eigener Stil
Zu den bekanntesten Stilblüten gehörten die Vedutenteller. Hier vereinigten sich keramisches Erzeugnis und klassische Vedutenmalerei. (Eine Vedute ist die wirklichkeitsgetreue Darstellung einer Landschaft oder eines Stadtbildes.) Zu den Vedutenmalern gehörten später weltbekannte Künstler wie Ferdinand Hodler. Die Wandteller wurden auch nach individuellen Kundenwünschen bemalt.
Der spezielle Thuner Stil konnte jedoch mit dem Wandel bezüglich Geschmack und neuen Ansprüchen nicht mithalten. Der Historismus-Stil überlebte den Ersten Weltkrieg nicht, und die Manufaktur Wanzenried wurde 1918 verkauft. Dennoch bleibt die «Thuner Majolika» ein interessantes Kapitel in der Geschichte der Schweizer Keramikkunst.
Von überregionaler Bedeutung
Anlässlich der Ausstellungseröffnung zeigte sich Museumsleiterin Yvonne Wirth am Gründonnerstag glücklich darüber, dass die verborgenen Schätze der Sammlung nun für ein Jahr ans Tageslicht und an die Öffentlichkeit geholt werden. In ihrem Grusswort erläuterte sie, dass die Ausstellung in sechs Kapitel gegliedert ist.
Als Vertreter der Ceramica-Stiftung Basel bestätigte Andreas Heege, dass die Thuner Keramiksammlung schweizweit qualitativ wie quantitativ von grosser Bedeutung ist. Heege ist damit beschäftigt, den gesamten Keramikbestand zu inventarisieren, zu dokumentieren und die Daten online zu stellen. Das Projekt soll im Jahr 2025 abgeschlossen werden.
Kunst oder Kitsch?
Bereits 2017 hatte das Schloss Thun in einer Sonderausstellung einen Teil seiner Keramiksammlung gezeigt. Damals hiess es, die Veranstalterin gehe «hart an die Grenze des guten Geschmacks». Damalige Kritiker stellten mit einem Augenzwinkern die Frage, ob es sich bei den Objekten um Kitsch oder um Kunst handle.
Dieselbe Frage war bei der Vernissage vergangene Woche nicht mehr zu hören, obwohl einige der ausgestellten Werke bereits vor sieben Jahren auf dem Schloss zu sehen gewesen waren. Stolz ist man in Thun nämlich, dass die Objekte von einem Keramikexperten der Basler Ceramica-Stiftung wissenschaftlich untersucht werden, der die neue Ausstellung auch fachlich begleitet hat und die Thuner Sammlung ins Schweizerische Keramikinventar aufnimmt.
Die Sonderausstellung «Bewahrte Schätze – Einblicke in die Keramiksammlung der Stiftung Schloss Thun» ist noch bis zum 17. März 2025 zu sehen.