Verkehrschaos in Kandersteg – Gondelbahn und Gemeinde zahlen
17.06.2025 KanderstegKritische Voten sorgten am Freitagabend für Diskussionen an der Gemeindeversammlung Kandersteg. Abgestimmt wurde über Verkehrsdienstleistungen, die durch die Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee (GKO) und die Gemeinde gestemmt werden. Die GKO sollte tiefer in die Taschen greifen, ...
Kritische Voten sorgten am Freitagabend für Diskussionen an der Gemeindeversammlung Kandersteg. Abgestimmt wurde über Verkehrsdienstleistungen, die durch die Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee (GKO) und die Gemeinde gestemmt werden. Die GKO sollte tiefer in die Taschen greifen, forderten zwei Wortmeldungen.
BETTINA GUGGER
Kandersteg ächzt unter den Touristen und Touristinnen, die an Spitzentagen im Sommer das Dorf fluten und mit ihren Autos die Strassen verstopfen. Wildes Parkieren auf privaten Grundstücken und Fussgänger, die auf die Strasse ausweichen, prägten letztes Jahr das Dorfbild.
Als Reaktion auf das Verkehrschaos setzte die Gemeinde im letzten Jahr eine Projektgruppe unter der Leitung von Alt-Gemeinderatspräsident Urs Weibel ein, um ein Konzept für Verkehrslenkung und Parkierungsmöglichkeiten an festen und provisorischen Standorten zu entwickeln. Ef!zientes Parken soll künftig den Suchverkehr und Rückstaus im Dorf verhindern. Dieses Konzept soll nun 2026 bis 2028 von einem externen Verkehrsdienstspezialisten umgesetzt werden.
An der Gemeindeversammlung vom Freitag stimmte die Gemeinde über den Verpflichtungskredit von 220'000 Franken für diese Verkehrsdienstleistungen 2026 bis 2028 ab. Die Finanzierung erfolgt zulasten der Parkplatzbewirtschaftung.
Kritische Fragen
Für zwei kritische Wortmeldungen sorgte die Aufteilung der Kosten zwischen der Gondelbahn Kandersteg-Oeschinensee (GKO), die 56 Prozent der Kosten trägt, und der Gemeinde, auf die 44 Prozent der Kosten fallen, was dem Verhältnis von GKO-NutzerInnen und Wanderern entspreche, so Gemeinderat Charles Kyburz. Wie Wanderer definiert werden, wollte eine Stimmbürgerin wissen. Die Identifikation sei schwierig, gab Kyburz zu. Einerseits seien die anreisenden AutofahrerInnen über ihre Pläne befragt worden. Andererseits habe die GKO Messungen der BesucherInnen vorgenommen. Gemeinderatspräsident René-François Maeder bat daraufhin Christoph Wandfluh, Verwaltungsratspräsident der GKO, über die Messungen aufzuklären.
Ein digitales Zählsystem entlang der Wanderwege, das vor 4,5 Jahren installiert worden sei, messe die Besucherfrequenzen. Es unterscheidet zwischen Gästen, die über den Heuberg und über das Hohtürli zum Oeschinensee gelangen, und Gästen, welche die Gondel benutzen. Wandfluh betonte zugleich, dass das digitale Buchungs- und Reservationssystem, das seit Mai im Einsatz sei, bereits helfe, die Spitzen zu glätten. «Wir sind bereit, auf Umsatz zu verzichten, um die Umwelt nachhaltig zu schützen», so Wandfluh. Er versprach zudem, das digitale Zählsystem an einem Informationsstammtisch vorzustellen. Die Fragestellerin gab sich mit der Antwort nicht zufrieden. Sie zweifelte die Messungen an: Die Zahl der GondelbahnnutzerInnen müssten weitaus höher sein. Ein Stimmbürger beantragte eine Kostenaufteilung von 70 zu 30 Prozent zulasten der GKO, woraufhin die Versammlung unterbrochen wurde und sich der Gemeinderat beriet.
Kostenaufteilung nicht verhandelbar
Der Gemeinderat kam zum Schluss, dass nur über den Verpflichtungskredit bei einer Kostenaufteilung von 56 zu 44 Prozent abgestimmt werden könne. Gemeinderatspräsident Maeder bat um die Zustimmung der Gemeinde. Er betonte das gute Verhältnis der Gemeinde mit der GKO und dass diese bereits sehr viel für die Gemeinde mache. Dabei verwies er auf die Toilettenbenutzung beim Oeschinensee. Der Kredit wurde schliesslich von 97 der 99 anwesenden Stimmberechtigten bewilligt.
Appell an die Demokratie
Dass die KanderstegerInnen am demokratischen Prozess interessiert sind, zeigte sich auch bei der Abstimmung über die Teilrevision des Organisationsreglements im Rahmen der Übertragung der Zivilschutzaufgaben der aktuellen ZSO Niesen auf die ZSO BEO WEST, die mit grosser Mehrheit angenommen wurde.
Auf Antrag von Urs Weibel wurde die Kreditobergrenze auf 300'000 Franken angehoben, wobei ab 150'000 Franken das fakultative Referendum zum Tragen kommen kann. Der Gemeinderat unterstützte diesen Vorschlag, der von der Mehrheit angenommen wurde. Das erlaubt dem Gemeinderat mehr Flexibilität. Zudem sei das Referendum in 18 Jahren erst einmal ergriffen worden. Die Wortmeldungen verwiesen darauf, dass das fakultative Referendum ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie sei, auf das die Gemeinde nicht verzichten will. Nur weil etwas nicht gebraucht werde, heisse das noch lange nicht, dass es nicht notwendig sei, so das Credo.
Im Weiteren wurden die notwendige Unterschriftenzahl für Initiativen an die kantonalen gesetzlichen Vorgaben angepasst, amtierende Behördenmitglieder bei einer Wiederwahl von der Einreichung eines Wahlvorschlags befreit sowie die Regelungen betreffend die Feuerwehrkommission an das aktuell gültige Feuerwehrreglement angepasst.
Überwachung «Spitze Stei»
Gemeinderat Heinz Steiner konnte ein gutes Rechnungsergebnis für das Jahr 2024 präsentieren, welches von der Versammlung einstimmig genehmigt wurde. Die Jahresrechnung 2024 schliesst im Gesamthaushalt inklusive Spezialfinanzierungen mit einem Ertragsüberschuss von 156'742.67 Franken ab. Die Besserstellung gegenüber dem Budget beträgt 232'542.67 Franken.
Nach der Einlage von 350'000 Franken in die Spezialfinanzierung «Vorfinanzierung Infrastrukturen» schliesst der allgemeine Haushalt mit einem Ertragsüberschuss von 165'389.30 ab. Grund für das gute Rechnungsergebnis waren einerseits tiefere Sach- und Betriebsaufwände sowie tiefere Honorare bei «Spitzer Stei», höhere Steuereinnahmen (+ 452'000 Franken) und höhere Einnahmen durch Parkgebühren und Bussen.
Investitionen und Schuldenlage
Die Gemeinde tätigte Nettoinvestitionen von 466'446.31 Franken. Dabei belief sich die grösste Investition auf die Kunsteisbahn. Die Investitionen konnten zu 100 Prozent aus eigenen Mitteln finanziert werden. Der Kanton unterstützt die Überwachung des «Spitze Stei» mit Kosten von rund einer Million Franken. Diese Kosten könnte die Gemeinde unmöglich alleine stemmen, so Steiner.
Die Nettoschulden konnten um rund 1,18 Mio. Franken auf 1,43 Mio. Franken abgebaut werden. Damit entspreche die Verschuldung dem Niveau von vor 10 Jahren, so Steiner.
Begrüssung neuer Mitarbeitender
Die Gemeinde wählte Michael Berger für die Amtsdauer vom 1. Juli 2025 bis zum 31. Dezember 2027 in die Rechnungsprüfungskommission, nachdem der Sitz an der letzten Gemeindeversammlung nicht neu besetzt werden konnte. Als Leiter Gemeindebetriebe begrüsste Maeder Florian Hauri und Paul Thorpe als Sachbearbeiter Gemeindebetriebe.
Gemeinderätin Sara Loretan informierte über das Pilotprojekt «Ranger», welches als Reaktion auf die Besucherströme beim Oeschinensee initiiert wurde. Seit dem 1. Mai ist Ranger Patric Rentsch dafür besorgt, den Schutz der Natur und den Tourismus miteinander in Einklang zu bringen.
Im Vergleich zu Blatten gut vorbereitet
Loretan orientierte ausserdem über den «Spitze Stei». Sie betonte, dass das Dorf im Vergleich zu Blatten durch die gute Überwachung des «Spitze Stei» gut vorbereitet sei.
Die Notfallplanung sei überprüft worden. Sie verwies auf die Gemeinde-App, die neu per Push-Nachricht über Gefahren informieren kann. Allerdings werden darüber auch allgemeine Informationen der Gemeinde geteilt. Zudem erfolge die Alarmierung über die App «Alertswiss» und über die SMS-Alarmierung der Gemeinde.
Im Anschluss informierte Nils Hählen, Abteilung Naturgefahren des Kantons Bern, über die Unterschiede von «Spitze Stei» und Blatten, welche auch im Informationsblatt der Gemeinde («Frutigländer», 6. Juni 2025) festgehalten wurden.