Verzögert sich der Hochwasserschutz erneut?
26.01.2024 FrutigenSeit Jahrzehnten wird der umfassende Hochwasserschutz an Kander und Engstlige geplant. Aktuell sind wieder neue Gutachten in Auftrag gegeben worden – und das Bundesamt für Kultur mischt sich in Kanderbrück ein.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die beiden ...
Seit Jahrzehnten wird der umfassende Hochwasserschutz an Kander und Engstlige geplant. Aktuell sind wieder neue Gutachten in Auftrag gegeben worden – und das Bundesamt für Kultur mischt sich in Kanderbrück ein.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Die beiden Hochwasserschutzprojekte Kander und Engstligen werden von einer Begleitgruppe unterstützt. Diese besteht aus interessierten Kreisen, Organisationen und Betroffenen. Die letzte Sitzung fand im April 2023 statt. Damals wurde informiert, dass bis Ende Jahr die beiden Projekte ausgearbeitet sein sollen und im Sommer 2025 die entsprechenden Abstimmungen stattfinden könnten (der «Frutigländer» berichtete). Die aktuellste Info an die Mitglieder der Begleitgruppe tönt zumindest in Bezug auf den Stand der Arbeiten nicht mehr ganz so optimistisch.
Gespannt auf die Beurteilung
In Kanderbrück ist der Perimeter des Hochwasserschutzes reduziert worden auf das eigentliche Dorf. Der Einbezug – respektive die Begradigung – der flussabwärts gelegenen Kurven wurde aus dem Wasserbauplan gestrichen. Somit müssen die Massnahmen im Bereich des Dorfs verstärkt werden, was konkret höhere Mauern entlang des Wassers bedeutet. Die kantonale Denkmalpflege hat zum Vorprojekt eine positive Stellungnahme abgegeben. Wie der Info zu entnehmen ist, hat sich aber das Bundesamt für Kultur (BAK) eingeschaltet und eher unerwartet Forderungen gestellt. Hintergrund ist, dass Kanderbrück im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder aufgeführt ist.
Im Rahmen einer Begehung im letzten Oktober äusserte das BAK das Begehren, dass ein Fachgutachten durch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission sowie die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege eingeholt werden muss. Bei der Begehung waren die entsprechenden Kommissionen vertreten. Das geforderte Gutachten erwarten Planer und Gemeinde per Ende Februar 2024. «Da die weitere Projektierung stark von diesem Fachgutachten abhängt, wird mit der Projektierung bis zu dessen Eingang zugewartet», heisst es weiter. Nach Auskunft des für den Wasserbau zuständigen Frutiger Gemeinderates Bernhard Rubin ging es bei der Begehung konkret um die gegenüber dem Ursprungsprojekt mit einer Sohlenabsenkung nun erhöhten Mauern. Gespannt wartet man auf die Beurteilung.
Felssturzgefahr im Grassi?
Letztes Jahr wurde nach Modellversuchen an der ETH Zürich klar, wie der ins Engstligen-Projekt aufgenommene Schwemmholzrückhalt im Grassi aussehen wird. Aus der Begleitgruppe gab es Bedenken betreffend Steinschlaggefahr für die neu geplante Werkbrücke über die Engstlige. Entsprechend wurde dafür in Absprache mit dem Amt für Wald und Naturgefahren ein «Gefahrengutachten Sturz» in Auftrag gegeben. Dieses zeigt, dass zwar keine baulichen Schutzmassnahmen im Bereich des künftigen Brückenwiderlagers notwendig sind, dass aber periodische Felskontrollen und -reinigungen im Rahmen des Unterhalts erfolgen sollten. Die Projektierung der neuen Werkbrücke wurde seither vorangetrieben. Dabei wurden die Eingaben der Begleitgruppe betreffend Lärm- und Staubentwicklung berücksichtigt und mit den zuständigen Fachstellen festgelegt, dass die Brücke mit einem Schwarzbelag ausgestattet werden soll.
Ein Rechen im Gand
Der Rückhalt von Schwemmholz soll durch einen gut 100 Meter langen Rechen auf der linken Flussseite erfolgen. Dieser wird aus einzelnen Stäben bestehen. Oberhalb dieses Bauwerks ist eine 35 Meter lange Buhne quer in der Engstlige vorgesehen, die die Strömung beeinflussen respektive das Schwemmholz in den Rechen leiten soll. Die heutige Mittelinsel, die vor allem der Kiesbewirtschaftung dient, soll abgebrochen werden.
Im letzten Jahr wurde intensiv an der Ausgestaltung des Schwemmholzrechens gearbeitet. Damit die abschliessenden Berechnungen für die Dimensionierung der Fundamente erfolgen können, werden Baugrunduntersuchungen benötigt. Dazu werden voraussichtlich Ende Januar 2024 zwei Bohrungen bis in eine Tiefe von je zehn Metern ausgeführt. Zudem erfolgte die detaillierte Dimensionierung der Buhne.
Die Fische werden sich freuen
Neuigkeiten gibt es gemäss der Begleitgruppeninformation auch für den Bereich unterhalb des Auenschutzgebiets Gand längs durch das Dorf Frutigen. Das Fischereiinspektorat habe die Absicht geäussert, bis in den Kanderspitz hinunter die Fischgängigkeit wiederherzustellen, was bauliche Anpassungen bei den Schwellen erfordert. Die Projektierung dieser Längsvernetzung erfolge auf Kosten des Renaturierungsfonds des Kantons Bern, müsse aber in das Bewilligungsverfahren der eh schon umfangreichen Hochwasserschutzmassnahmen integriert werden. Der zusätzliche Planungsaufwand – für die Gemeinde offenbar kostenneutral – wurde bereits ausgelöst, verzögert die Erarbeitung des Bauprojektes jedoch etwas.
Nebst der Projektierung des Schwemmholzrückhalts und der Verbesserungen für die Fische wurden ökologische Ersatzmassnahmen weiterprojektiert und definiert. Dazu konnte beispielsweise für den Rodungsersatz in Absprache mit der Waldfachstelle und den betroffenen Grundeigentümern eine entsprechende Fläche festgelegt werden.
Zeitplan in Gefahr?
Die Abklärungen und die Projektierung sollen voraussichtlich im März 2024 abgeschlossen werden, so dass das Bauprojekt anschliessend als nächster Schritt der Begleitgruppe vorgestellt werden kann.
Ob die öffentliche Auflage der beiden Wasserbaupläne Kander und Engstlige wie bisher vorgesehen im September 2024 erfolgen kann oder sich verzögert, ist derzeit noch offen, wie Gemeinderat Bernhard Rubin bestätigt. Die Urnenabstimmung für die Kredite ist demnach im Sommer 2025 und der Baubeginn für den Herbst 2026 geplant. Das Kander-Projekt soll etwa 6 Millionen Franken kosten, für die Engstlige werden inklusive Schwemmholzrückhalt derzeit Kosten von rund 7,5 Millionen Franken geschätzt.