Viele JungbürgerInnen, wenige Stimmberechtigte
03.12.2024 AdelbodenDie Herbst-Gemeindeversammlung glitt letzten Freitag durch ruhiges Fahrwasser. Trotz der hohen Verschuldung gingen das Budget und alle weiteren Anträge ohne eine einzige Gegenstimme durch. Obmann Willy Schranz gab einen Ausblick in die nicht nur rosige finanzielle Zukunft ...
Die Herbst-Gemeindeversammlung glitt letzten Freitag durch ruhiges Fahrwasser. Trotz der hohen Verschuldung gingen das Budget und alle weiteren Anträge ohne eine einzige Gegenstimme durch. Obmann Willy Schranz gab einen Ausblick in die nicht nur rosige finanzielle Zukunft
RETO KOLLER
Nachdem Gemeindepräsident Roger Galli die Versammlung eröffnet hatte, bat er die 24 JungbürgerInnen zu sich. «Ich bin stolz, dass 70,59 Prozent der nun stimm- und wahlberechtigten jungen Leute unter uns sind», meinte er. Mit der Gesamtzahl der Anwesenden dürfte er wohl weniger zufrieden gewesen sein. Gerade einmal 5,6 Prozent der StimmbürgerInnen fanden sich in der Turnhalle ein, sprich: 149 von 2662.
Nachdem sich das Jungvolk wieder gesetzt hatte, ging es ans Abarbeiten der Traktanden. Weil sich keine weiteren Kandidaten für die Weg- und Finanzkommission zur Wahl gestellt hatten, wurden alle Bisherigen still bestätigt (siehe Kasten). Gemeinderat Simon Fuhrer stellte den Ersatz des mittlerweile 40-jährigen Löschfahrzeuges durch ein modernes, 470 000 Franken teures Modell vor. Er vertrat anschliessend den von Bund und Kanton mit 75 bis 80 Prozent subventionierten Kredit von 610 000 Franken für das Erhalten der forstlichen Schutzbauten während der kommenden fünf Jahre (der «Frutigländer» berichtete). Beide Anträge gingen ohne Wortmeldungen und Gegenstimmen über die Bühne.
Geringes Defizit dank gut gefülltem Spezialfonds
Die meiste Aufmerksamkeit hätte das Traktandum «Budget 2025» erwarten dürfen. Der Obmann und Finanzverantwortliche Willy Schranz stellte es vor. Die Planung sieht ein Defizit von 71 000 Franken im Gesamthaushalt vor. Es stammt aus den beiden Fehlbeträgen der Spezialfinanzierungen für Abfallentsorgung und Abwasser. Der Allgemeine Haushalt – also alle anderen Ein- und Ausgänge in der Gemeindekasse – schliesst zwar ausgeglichen ab. In Wahrheit liegt aber ein prognostizierter Fehlbetrag von 648 000 Franken vor. Er wird der Spezialfinanzierung für den Allgemeinen Gebäudeunterhalt entnommen. Auf Nachfrage eines Bürgers liess Schranz wissen, dass dort zurzeit noch rund drei Millionen Franken lägen. «Wir können uns solche Defizite deshalb noch einige Jahre leisten», meinte er und wies darauf hin, dass die Abschlüsse in der Vergangenheit grösstenteils deutlich besser gewesen seien als die Voraussagen. Niemand aus dem Publikum wollte Genaueres wissen. Sämtliche Hände hoben sich und stimmten dem Budget 2025 zu.
«Wir behalten die Verschuldung im Auge»
Anschliessend lenkte Schranz seinen Blick auf die nähere finanzielle Zukunft. Bevor er auf die Perspektiven einging, kam er auf die in der Vergangenheit geforderte Steuersenkung zu sprechen. «Ein Steuerzehntel ergibt in unserer Rechnung rund 400 000 Franken», liess er vorerst wissen. Adelbodens Schulden seien in den letzten Jahren angestiegen, weil die Gemeinde ihre hohen Investitionen nicht selbst zu stemmen vermochte. Er erwähnte den neuen Werkhof, das kostspielige Boden-Trottoirprojekt und die Strassen- und Brückensanierungen. Wenn der sogenannte Selbstfinanzierungsgrad unter 100 Prozent fällt, wachsen die Schulden. Die Kennzahl lag in den vergangenen Jahren darunter. «Wir erwirtschaften zurzeit im Allgemeinen Haushalt etwa zwei Millionen Franken pro Jahr, die wir für Investitionen einsetzen können, gaben in den letzten fünf Jahren aber jährlich drei Millionen aus», erklärte der Obmann. Insgesamt lasten heute 21,1 Millionen Franken Schulden auf der Kommune. Die Folgen zeigen sich auch in der Nettoverschuldung pro Kopf. Zurzeit liegt sie bei 2717 Franken. Übersteigt sie 2000 Franken, dann beurteilt der Kanton sie als hoch. Von den 281 Berner Gemeinden sind nur 11 pro Kopf höher verschuldet als Adelboden. Dies ist dem Finanzverantwortlichen durchaus bewusst, doch er bemühte sich, zu beschwichtigen: «Wir müssen die Verschuldung genau im Auge behalten. Investitionen sind zu priorisieren und / oder über einen längeren Zeitraum zu planen. Die Situation ist nicht dramatisch, aber wir dürfen die Verschuldung nicht mehr im gleichen Mass ansteigen lassen wie in den letzten fünf Jahren», kommentierte Schranz. Eine Steuersenkung sei also zurzeit nicht realistisch, gab der Obmann zu verstehen. Der Gemeinderat hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche die Investitionen kritisch beleuchtet. Ein Bürger mahnte zur Vorsicht: «Wir müssen auch bei guten Projekten den Mut haben, Nein zu sagen, um unseren Nachkommen ein gesundes Erbe zu hinterlassen», rief er in die Runde. Alt Gemeindeobmann René Müller stimmte grundsätzlich zu. Er mahnte jedoch, notwendige Investitionen nicht auf die lange Bank zu schieben, um keinen unüberbrückbaren Stau im Ausbau und im Unterhalt der Infrastrukturen zu provozieren.
Bevor der Gemeindepräsident die Versammlung nach 70 Minuten schloss, richtete Willy Schranz noch ein Wort an seinen alten Schulkollegen Peter Künzi. Er verabschiedete das Ratsmitglied mit warmen und anerkennenden Worten. Künzi tritt per Ende Jahr aus gesundheitlichen Gründen ab und wird durch Monika Däscher ersetzt (siehe Interview unten auf der Seite).
Kommissionswahlen
Kommission Strassen und Wege
• Pieren-Berger Christian (bisher)
• Josi-Nägeli Andreas (bisher)
Finanzkommission
• Oester-Speissegger Ulrich (bisher)
• Wäfler-Schwarz Andrea (bisher)
• Reiter-Kohler Dieter (bisher)
RK
MONIKA DÄSCHER IM INTERVIEW
«Ich war überrascht und erfreut»
Die gebürtige Churerin Monika Däscher (58) führt seit zwölf Jahren zusammen mit ihrem Ehemann Jörg Kessler das traditionsreiche 180-Betten-Hotel Hari. Weil für die Ersatzwahl von Gemeinderat Peter Künzi keine Kandidatur eingegangen war, wurde sie vom Gemeinderat ausgewählt und angefragt, ob sie bereit wäre, ins Gremium einzutreten. Die Hotelfachfrau ist vorerst für den Rest der laufenden Legislatur bis Ende 2025 gewählt. Sie kann sich aber vorstellen, das Amt über die noch verbleibende Dauer hinaus weiterzuführen.
Monika Däscher, Sie sind zu ihrem Gemeinderatssitz gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Wie war es, als das Telefon klingelte und ein Ratsmitglied Sie zur Kandidatur zu überzeugen versuchte?
Ich war überrascht und gleichzeitig erfreut, dass man an mich gedacht hatte.
Wie lange haben Sie sich für die Antwort Zeit genommen?
Nach der Anfrage wurde mir bewusst, dass ich dieses Angebot genau prüfen muss. Das Amt ist anspruchsvoll und zeitaufwendig. Es galt unter anderem, mit meinem Mann Jörg abzuklären, ob ich mein Vollzeitpensum im Hotel Hari reduzieren könnte. Dieser Prozess hat ein paar Tage in Anspruch genommen.
Wie bewegte sich Ihre Gefühlslage während der Entscheidungszeit?
Es gab sicherlich ein Auf und Ab der Gefühle. Grundsätzlich aber hat mich die Anfrage nicht mehr losgelassen. In der Zeit des Prüfens und des Abwägens hat sich meine Bereitschaft herauskristallisiert, dass ich mich für dieses Amt zur Verfügung stellen wollte.
Bei der Ressortwahl hatten sie wenig Spielraum. Es verblieb «nur» das Baudepartement. Wie wohl fühlen Sie sich damit?
Dass ich mich mit der Führung des Bauressorts auseinanderzusetzen haben werde, war mit ein Grund dafür, die Anfrage genau zu prüfen. Doch der Neubau unseres Hotel-Haupthauses hat mich dem Thema nähergebracht. Es ist spannend, erfordert aber eine gründliche Einarbeitung. Die Zeit dafür werde ich mir nehmen.
Konnten Sie sich bereits mit einzelnen Dossiers beschäftigen?
Nein, ich versuche mir vorerst einen Überblick zu verschaffen und mich mit den Abläufen vertraut zu machen. Die Amtsübergabe wird Anfang Januar stattfinden.
Keine Adelbodnerin und kein Adelbodner wollte sich als Gemeinderat zur Verfügung stellen. Sie holen nun für alle die Kohlen aus dem Feuer. Hinterlässt dies einen schalen Beigeschmack?
Nein, ich habe keinen Anlass, Unmut zu empfinden. Schliesslich hätte ich ja auch absagen können. Ich freue mich auf meine neue Herausforderung und die Zusammenarbeit mit den Ratskollegen.
INTERVIEW: RETO KOLLER