Vom Papier auf die Bühne
16.02.2024 FrutigenWie schreibt man ein Drehbuch und was passiert, wenn dieses erst einmal fertig ist? Knapp fünf Monate vor der Premiere schildern der Autor und der Regisseur des Theaterstücks «Lötschberg – ein Tal im Aufbruch», weshalb ihre Arbeit bis zum Schluss ...
Wie schreibt man ein Drehbuch und was passiert, wenn dieses erst einmal fertig ist? Knapp fünf Monate vor der Premiere schildern der Autor und der Regisseur des Theaterstücks «Lötschberg – ein Tal im Aufbruch», weshalb ihre Arbeit bis zum Schluss Flexibilität erfordert.
JULIAN ZAHND
«Beim Schreiben lief bei mir ein Film ab», sagt Ueli Schmid. Der Frutiger verfasste das Drehbuch zum neuen Theaterstück, das der Verein Freilichtspiele Tellenburg diesen Sommer auf die Bühne bringt. Das Thema des Stücks drängte sich geradezu auf: Weil bei der Tellenburg Sanierungsarbeiten anstehen, zügelte die Bühne an den alten Bahnhof Frutigen – die passende Kulisse, um die Zeit der grossen Eisenbahnprojekte um die vorletzte Jahrhundertwende in Szene zu setzen. Der Samen zum Stück «Lötschberg – ein Tal im Aufbruch» war gelegt.
Es begann die Phase, in der die Ideen in Ueli Schmids Kopf zu gedeihen begannen. Der Verfasser mehrer Bücher las sich in die Zeit des Tunnelbaus (1906 – 1913) ein, führte Gespräche mit Nachfahren Direktbetroffener. «Ich hatte eine Menge an Informationen gesammelt, wusste aber: Eine Beschränkung auf historische Tatsachen würde nicht ausreichen, um ein ansprechendes Theaterstück zu schreiben», sagt Schmid. Also bediente er sich zusätzlich seiner Fantasie, entwarf eine Liebesgeschichte zwischen einem jungen Frutiger und einer Italienerin. Es sei eine Geschichte, «die nicht so passiert ist, aber durchaus so hätte passieren können», sagt Ueli Schmid.
Ein Jahrhundertbauwerk, das die Zukunftsperspektiven im Tal verändert, ein tragisches Tunnelunglück und eine Lovestory: Es ist viel Stoff, den der Autor in seine Geschichte gepackt hat. «Ich musste nach der ersten Fassung schon einiges Streichen, damit das Stück nicht zu lang wurde», so Schmid.
Wenn aus dem Lebenspartner ein Grossvater wird
Das Verfassen eines Drehbuchs unterscheide sich «himmelweit» von jenem eines herkömmlichen Buchs, sagt Schmid. Gedacht wird in Szenen, der Text besteht im Wesentlichen aus Monologen und Dialogen. Und vor allem endet das Werk nicht beim Autoren. Denn sobald das Stück einmal auf Papier ist, kommt der Regisseur ins Spiel.
Mitja Staub ist Lehrer in Heimenschwand und blickt auf eine jahrzehntelange Theaterkarriere zurück. Er kennt zahlreiche Facetten dieses Genres, vertonte und schrieb Stücke, stand auch selbst auf der Bühne. 2007 führte er zum ersten Mal Regie. Doch worin genau besteht die Rolle eines Regisseurs? Im Wesentlichen geht es darum, das schriftliche Drehbuch auf die Bühne zu übertragen. Das kann auch bedeuten, dass es zu Abweichungen kommt, etwa dann, wenn das zur Verfüngung stehende Bühnenpersonal nicht mit der Geschichte vereinbar ist. «In Ueli Schmids Szenen kamen oft viele Menschen vor, dieses Aufgebot können wir aber nicht immer bereitstellen», sagt Mitja Staub. Bei der Rekrutierung von SchauspielerInnen scheint überhaupt Flexibiltät gefragt zu sein: Manche DarstellerInnen sprangen nach dem Bewerbungsverfahren wieder ab, nicht immer konnten die Rollen eins zu eins neu besetzt werden. Aus einem Lebenspartner wurde dann halt mal ein Grossvater. Ortete er weitere Hürden zwischen Drehbuch und Bühne, besprach er sich mit Ueli Schmid. «Wir diskutierten oft miteinander, fanden aber auch immer eine Lösung», sagt der Drehbuchautor.
«Frutigdütsch» – aber nicht nur
Seit Anfang Jahr üben die Darsteller vor Ort zusammen – allerdings noch nicht in voller Besetzung auf der «Bühne» vor dem alten Bahnhof, sondern in einem Sitzungsraum im Innern. Ueli Schmid ist bei den Proben grundsätzlich nicht mehr anwesend und wenn, dann nur aus Neugier. «Meine Arbeit ist getan. Würden dem Regisseur jetzt noch alle dreinreden, käme er wohl kaum vom Fleck.» Wer jedoch nach wie vor etwas zu sagen hat, sind die SchauspielerInnen selbst. Es ist nicht der Ansatz von Mitja Staub, den DarstellerInnen eine Rolle auf den Leib zu schneidern. «Die Leute müssen sich wohl fühlen und sich nicht verstellen müssen», so der Regisseur. Dazu gehöre auch die Wahl des Dialekts: Ueli Schmid hat das Drehbuch im «Frutigdütsch» der damaligen Zeit geschrieben – eine Sprache, die längst nicht allen liegt. Deshalb sind auf der Bühne nun verschiedene Dialekte zu hören.
Den Tunnel nach Frutigen geholt
Im April beginnen die Proben vor der richtigen Kulisse. Diese besteht nicht nur aus dem historischen Bahnhof, sondern auch aus einer stilechten Dampflokomotive, aus dem ehemaligen Prunkhotel Bahnhof oder dem Lötschbergtunneleingang. Das Stück spielt zwar in Frutigen. Da dem Unglück von 1908 jedoch eine der sechs Szenen gewidmet ist, «haben wir den Tunnel halt nach Frutigen geholt», sagt Staub schmunzelnd.
Am 3. Juli feiert das Stück Premiere (dieser Abend ist für geladene Gäste reserviert). Danach finden bis zum 10. August 22 Aufführungen statt. Die gedeckte Tribüne bietet Platz für 320 Zuschauer-Innen. Der Ticket-Vorverkauf läuft seit dem 1. Februar.
Alle Infos zum Stück «Lötschberg – ein Tal im Aufbruch» unter freilichtspiele-tellenburg.ch