ASTRONOMIE Am Mittwoch war die Sommersonnenwende. Nun wird jeder Tag etwas kürzer sein als der vorherige. Doch warum ist das so – und warum merken wir zunächst kaum etwas davon?

MARK POLLMEIER
Ein Jahr braucht die Erde, um sich einmal um die Sonne zu bewegen. Würde sie dabei kerzengerade stehen, gäbe es keine verschieden langen Tage und keine Jahreszeiten. Das Klima wäre lediglich vom Breitengrad abhängig und bliebe das ganze Jahr über weitgehend konstant. Auch Tag und Nacht wären mit jeweils 12 Stunden überall gleich lang. Aber so ist es nicht. Die Erdachse zwischen Nord- und Südpol zeigt nicht lotgerecht von oben nach unten – sie ist um ungefähr 23,5 Grad geneigt, und diese Neigung verändert sich nicht.

Der Winkel macht’s
Während die Erde um die Sonne kreist, ist sechs Monate lang die nördliche Halbkugel zur Sonne gerichtet, sechs Monate lang die südliche Halbkugel. Weil die Erdachse geneigt ist, fallen die Sonnenstrahlen mal steiler ein (Sommerhalbjahr), mal flacher (Winterhalbjahr). Dadurch entstehen die Jahreszeiten: Im Sommer, wenn die Sonneneinstrahlung «direkter» ist, wird es wärmer als im Winterhalbjahr, wenn die Sonne flacher auf unsere Halbkugel scheint (siehe Grafik oben). Nur am Äquator, wo der Einfallswinkel stets gleich ist, gibt es keine nennenswerten Jahreszeiten: Es ist durchgehend warm.

Vier wichtige «Sonnendaten»
Zweimal im Jahr – im März und im September – ist Tag-und-Nacht-Gleiche. Das heisst: An diesen beiden Daten sind zwölf Stunden Tag und zwölf Stunden Nacht. Ab etwa 21. März ist unsere Nordhalbkugel zunehmend der Sonne zugewandt, die Tage werden länger, es wird wärmer. Auf der Südhalbkugel verläuft derselbe Prozess andersherum.

Um den 21. Juni, zur Sommersonnenwende, kehrt sich das Ganze wieder um. Bei uns auf der Nordhalbkugel werden die Tage wieder kürzer und auf der Südhalbkugel wieder länger. Die zweite Sonnenwende ist dann kurz vor Weihnachten, um den 21. Dezember herum (siehe Grafik rechts).

Der Pendelschlag des Lichts
Das Länger- und Kürzerwerden der Tage verläuft allerdings nicht gleichmässig, sondern ähnelt einer Pendelbewegung. Die Tage der Sonnenwende bilden dabei die höchsten Ausschläge: An diesen Punkten kommt das Pendel fast zum Stehen, bevor es wieder in die andere Richtung ausschlägt. An den Tageslängen ändert sich zunächst wenig, sie bleiben so gut wie gleich. Um den 21. Juni herum ist es abends lange hell, um Weihnachten herum sehr früh dunkel.
Doch dann nimmt das Pendel Fahrt auf und wird schneller, und mit zunehmender Geschwindigkeit werden auch die Unterschiede von Tag zu Tag grösser. Am schnellsten bewegt sich das Pendel zu den Tag-und-Nacht-Gleichen, also zum Frühlings- und zum Herbstbeginn. Im März werden die Tage auf einmal schnell heller – und im September plötzlich spürbar kürzer.

Derzeit eine Minute pro Tag
In Zahlen ausgedrückt sieht diese Bewegung so aus: Derzeit ist jeder Tag nur um etwa eine Minute kürzer als der vorherige, eine kaum wahrnehmbare Veränderung. Um den Herbstanfang herum wird die Dunkelheit dann in schnellen Schritten kommen. Dann werden die Nächte – und zwar Nacht für Nacht – um knapp vier Minuten länger. Ende Dezember, zur Wintersonnenwende, kommt der Pendelschlag schliesslich fast zum Stillstand. Eine Zeit lang tut sich wenig – bis sich die Bewegung in die andere Richtung beschleunigt.

Doch das ist Zukunftsmusik. Rund drei Monate lang werden die Tage noch lang und warm sein. Erst Ende September wird es dann wirklich «bergab» gehen.

Von nun an geht’s bergab

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