Von Tauschhandel bis Adelboden-Märit
30.09.2025 AdelbodenAm Freitag, 3. Oktober, verwandelt sich die Dorfstrasse in Adelboden wieder in einen lebendigen Herbstmarkt mit regionalen Köstlichkeiten, Handwerkskunst und lebendigen Gesprächen. Doch seit wann gibt es diesen Markt eigentlich und was hat es mit ihm auf sich?
...Am Freitag, 3. Oktober, verwandelt sich die Dorfstrasse in Adelboden wieder in einen lebendigen Herbstmarkt mit regionalen Köstlichkeiten, Handwerkskunst und lebendigen Gesprächen. Doch seit wann gibt es diesen Markt eigentlich und was hat es mit ihm auf sich?
MARTIN NATTERER
Märkte entstehen nicht aus dem Nichts. Über Jahrhunderte hinweg entwickelten sie sich aus dem Bedürfnis, sich und andere zu versorgen. Auch versuchte man diese Versorgung und den damit verbundenen Handel schon sehr früh zu regeln – und daran auch zu verdienen.
Auch die Märkte des Oberlandes und der umliegenden Kantone machen dabei keine Ausnahme. Erst recht heutigentags sind Märkte gleichermassen Attraktionen wie Versorgungseinrichtungen.
Die Stadt Bern ist dafür ein gutes Beispiel: Überall und anscheinend dauernd scheinen dort Märkte organisiert zu werden. Allein in der Berner Innenstadt gibt es den Bäremärit, den Bärner Wildpflanzenmärit, den Berner Geranienmarkt, den Brotmarkt, den Flohmarkt Münsterplatz, den Handwerkermarkt, den Lebensmittel- und Pflanzenmarkt Bundesplatz (samt angrenzenden Strassenzügen), den Lebensmittel- und Pflanzenmarkt Bärenplatz, den Nationalen Pärke-Markt, den Sternenmarkt, einen Tannenbaummarkt, den Warenmarkt Waisenhausplatz, den Weihnachts-, Altjahres- und Neujahresmarkt Waisenhausplatz sowie schliesslich den Weihnachtsmarkt Münsterplatz – nicht zu vergessen den berühmten Berner «Zibelemärit».
Ursprünge und Bedeutung
Vor dem Jahr 1000, also im Frühmittelalter, entstanden in der Schweiz erste Märkte auf dem Boden verkehrsgünstig gelegener, ehemaliger römischer Siedlungen (Genf, Lausanne, Sitten, Solothurn, Basel, Zürich, Chur) und nahe bei den Höfen geistlicher und weltlicher Herren (unter anderem St. Gallen, Luzern). Doch erst mit den Städten und dem durch Mauern, Marktrecht und Marktpolizei gesicherten «Stadtfrieden» entwickelten die Märkte in der Schweiz ab dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert regionale und in einigen Fällen auch überregionale Bedeutung.
Für das Oberland waren damals vor allem die Verbindungen zu den Märkten im nahe gelegenen Sitten sowie nach Lausanne und Solothurn von Bedeutung. Ältestes Privileg auf schweizerischem Boden ist jenes König Rudolfs I. von Burgund für Lausanne (896). Dessen Söhne und deren Frauen hatten grossen Einfluss auf die Gestaltung auch des heutigen Oberlandes: Besonders Bertha von Burgund und die spätere Kaiserin Adelheid sind hier zu nennen. Sie prägten das untere Wallis, die Waadt, aber auch das Simmental und den Thunersee («zwölf Thunerseekirchen» samt deren Orten). In der Regel wurde das Marktrecht durch Obrigkeiten (Könige oder Grundherren) an Städte vergeben. Dass «Städte» aber auch «etwas Kleines» sein konnten und es dort vor allem auf den «Marktfrieden» und die Ortspolizei ankam, zeigt sich an den kleinen, aber verkehrswichtigen Orten des Oberlandes. So erhielt Spiez bereits 1280 von Rudolf von Habsburg das Marktrecht.
Ab dem zwölften Jahrhundert kamen im Schweizer Voralpenraum stadtartige, aber nie zu Städten erhobene Marktorte hinzu («Flecken»), darunter Talschaftshauptorte wie Glarus, Schwyz, Stans, Biasca – und eben auch Frutigen.
Ab etwa 1240 (Messeprivileg an die Reichsstadt Frankfurt am Main durch Kaiser Friedrich II.) entwickelte sich zudem eine Art polizeilicher «Geleitschutz» für Kaufleute, die von ausserhalb zu den Märkten kamen. Im Laufe der Zeit wurde daraus sogar ein Reichsgesetz, das auch für einige Handelsstrassen der heutigen Schweiz galt.Den lokalen Märkten im Oberland – das waren in unserem Gebiet schon früh Spiez, Frutigen und Wimmis – fehlte meist das Münzgeld, um Handel zu treiben. Die einzige Münze, von der es wenige Spuren gibt, war in Vor-Berner Zeit zunächst jene aus St. Maurice. Daneben florierte der Tauschhandel, auch mit Käse und Kleinvieh.
Der Markt in Adelboden
Adelboden löste sich im fünfzehnten Jahrhundert in mehreren Schritten von Frutigen. Als Bestandteil der Talschaft und Pfarrei Frutigen (unter anderem unter den Herren von Kien, Wädenswil, vom Turn) kam Adelboden 1400 zunächst an Bern, trennte sich dann aber im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert schrittweise auch kirchlich und kommunal von Frutigen. Nach dem Bau einer eigenen Kirche (vor 1433) wurde Adelboden 1439 dank kommunaler Pfrundstiftung (1433) selbstständige Kirchgemeinde. Ab 1478 verfügte Adelboden über ein Wochengericht, das im Landhaus (Gemeindehaus mit Tavernenrecht) tagte.
Existenzgrundlagen der damaligen Adelbodner waren die Viehwirtschaft im Tal und genossenschaftlicher Alpbetrieb auf Gemeinde- und Lehenalpen (zum Beispiel die Engstligenalp, die von 1232 bis 1816 im Besitz der Bischöfe von Sitten war) sowie der Viehhandel, der zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Jahrmarkt von 1686 erwähnt wird. Die Verbindung zu den Walliser Lehensherren mag heute kaum mehr präsent sein, doch sie war sowohl im Gasterntal, in Adelboden, an der Lenk wie auch in Teilen des Simmentals lange wirksam.
Adelbodner Märkte haben somit eine uralte Geschichte, die weit ins Mittelalter zurückreicht. Dass es darüber wenig Quellen gibt, hängt mit der landwirtschaftlichen Struktur und dem Mangel an Schriftlichkeit zusammen. Aber was man weiss oder zumindest ahnt, ist klar: Das alles hat Tradition.