Wahrlich ein Grund zum Feiern
06.09.2024 KrattigenDie Kirche des Dorfes ist zwar erst 40 Jahre alt, dank der entsprechend neuzeitlichen Gestaltung aber ein gut frequentiertes Gotteshaus. Mit einer Jubiläumsfeier wurde die Beziehung zur religiösen Bevölkerung weiter gefestigt.
PETER ROTHACHER
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Die Kirche des Dorfes ist zwar erst 40 Jahre alt, dank der entsprechend neuzeitlichen Gestaltung aber ein gut frequentiertes Gotteshaus. Mit einer Jubiläumsfeier wurde die Beziehung zur religiösen Bevölkerung weiter gefestigt.
PETER ROTHACHER
«Ich bin mir sicher, dass das, was hier in diesen kirchlichen Räumen in den letzten 40 Jahren stattgefunden hat, für das Dorf als Ganzes – und damit auch für jeden Einzelnen – eine Bedeutung hat.» Mit diesen Worten drückte Pfarrerin Uta Ungerer anlässlich ihrer Predigt zur Jubiläumsfeier ihre Freude über das «volle Haus» aus. Der «Frutigländer» hatte die Entstehungsgeschichte der Kirche Krattigen in der Ausgabe vom 27. August bereits ausführlich beschrieben. Im Gottesdienst vom letzten Sonntag führten dann «e Tschuppele Chind», wie sich die deutschstämmige Pfarrerin in ihrem charmanten Mix aus Dialekt und Hochdeutsch ausdrückte, diese Geschichte in einer Kurzversion auf.
Obschon (unter Mithilfe von Sandra Willi) bloss zweimal geprobt, geriet die Darstellung vom Herzenswunsch der Krattiger – über den ersten Fünfliber zur Finanzierung, dem Bauentscheid und späteren Spatenstich bis hin zum feierlichen Glockenaufzug – zum Highlight der Feier. Die zehn Kinder ernteten tosenden Applaus und Simon Jenny am Klavier motivierte die Anwesenden spontan zum Hallelujah-Singen. Der kreative Pianist forderte zudem etwas später alle zum gemeinsamen vielstimmigen improvisierten Gesang auf, um dann festzustellen: «Ein wunderschön harmonisch tönendes Krattigen.»
Voten aus der Kirchgemeinde
Drei Mitglieder der Kirchgemeinde hatten Uta Ungerer vorgängig zugesagt, sich aus ihrer Sicht zur Bedeutung der Kirche zu äussern. Adrian erklärte: «Als Sechstklässler durfte ich beim ersten Ferienjob meinem Vater helfen, die schweren Steine zum Bau der Kirche hineinzutragen.» Später habe er hier geheiratet, Konfirmationen miterlebt und leider auch eine Abdankung. «Und das, was wir heute hier erleben, verdient es, im Herzen gespeichert zu werden.»
Von Heirat, Taufen, Konfirmation, Abschiednehmen und Adventskonzerten berichtete auch Petra, die festhielt: «Es ist schön, im Dorf eine Kirche zu haben, in der Kreativität, Vielseitigkeit und Offenheit gelebt wird.» Susanne engagiert sich in der Kirche gerne für neue Projekte: «Ich bin offen für neue Formen und gesellschaftliche Themen. Denn die Gesellschaft verändert sich – und entsprechend sollte sich die Kirche auch anpassen und realisieren, was die Leute heute und in Zukunft brauchen …»
Fürbitten und Dankesbezeugungen
Die Pfarrerin sprach die Fürbitten zusammen mit Elisabeth Bürki, die als erste Pfarrerin in der Kirche Krattigen gewirkt hatte. Mit den Worten «Wir bitten gemeinsam, Gott, komm uns zu Hilfe» wurde die Gemeinde miteinbezogen. Mit den Orgelklängen von Sandra Rolli wurde die Festpredigt schliesslich abgeschlossen.
Beim Apéro dankte die Kirchgemeindepräsidentin Yvonne Pfister allen, die in irgendeiner Form zum Gelingen der 40-Jahr-Feier beigetragen hatten. «Es ist schön, dass die Kirche Krattigen den Leuten immer noch am Herzen liegt, und dass so viele heute hier präsent sind.»
Gemeindepräsident Stephan Luginbühl hielt fest: «1984 habe ich als Neuntklässler in der Jugendmusik am Umzug mitgewirkt und durfte beim Glockenaufzug mit Hand anlegen – ein sicher einmaliges Erlebnis. 1985 war ich dann beim ersten Jahrgang dabei, der hier in der neuen Kirche konfirmiert wurde.» Er wünschte der Kirche mit der einmaligen Aussicht auf den Thunersee weiterhin gutes Bestehen.
Spiel, Spass und Informationen
Mit Spiel und Spass hatten die Feierlichkeiten bereits am Samstag begonnen. Nebst der Sigristin Susanne Lüthi war der Verein Treffpunkt für diverse Aktivitäten verantwortlich. «Mit Rätselparcours, Glockenwerkstatt, Wurfschleuder, Maxi Bamboleo, Maxi Mikado und einem antiken Tischfussballbrett mit Metallkügelchen haben wir ein attraktives Angebot für Jung und Alt präsentiert», erklärte Evelyne Liechti. Für die musikalische Unterhaltung sorgten Arthur Wenger (Gitarre und Kotamo) zusammen mit Christine Strahm (Harfe und Handpan) sowie Chrige Amstutz am Alphorn.
Auf grosses Interesse stiess zudem der von Regula Palm moderierte «runde Tisch» mit diversen Gründungsmitgliedern. Hier nur einige wenige Stimmen aus diesem Gespräch: Lehrer Walter Weyermann liess sich «1977 wohl aus jugendlichem Übermut zum Präsidenten des kirchlichen Bauvereins» wählen. Während der späteren Bauzeit war er Gemeinde- und Baukommissionspräsident. Als damaliger Kirchgemeindepräsident von Aeschi-Krattigen informierte Ernst Wandfluh: «Laut Reglement musste der Präsident in Aeschi Wohnsitz haben und der Vizepräsident in Krattigen.»
Baumeister Werner Boss (86) hielt rückblickend fest: «Die Kirche ist das grösste, wichtigste Bauwerk meiner beruflichen Karriere. Ich bin stolz, dass ich das zusammen mit Hans Egger aus Frutigen, der für die Zivilschutzanlage zuständig war, bauen durfte.» Besonders gerne erinnere er sich an die Grundsteinlegung und den für ihn sehr herausfordernden Glockenaufzug.
Geschmacklose Architektur?
Als Mitglied der Bauherrschaft war die Architektin Silvia Kappeler involviert. Die Architektur jener Epoche (1970erund 1980er-Jahre) werde im Nachhinein als «geschmacklose Irritation» bezeichnet, erklärte sie und löste damit grosses Gelächter aus. Man habe mit Material «geklotzt» und sich farblich auf Braun und Orange konzentriert. «Aber diese Kirche ist wunderbar gelungen. Tragt Sorge zur Einzigartigkeit dieser Materialien. Und man muss nichts ändern – das hält die nächsten 100 Jahre.»
ZUR PERSON
Pfarrerin Uta Ungerer ist seit Sommer 2022 zu 60 Prozent in der Kirchgemeinde Aeschi-Krattigen angestellt. Mit weiteren 20 Stellenprozenten ist die 58-jährige Mutter dreier erwachsener Töchter in der Kirchgemeinde Konolfingen beschäftigt. Sie fühlt sich in Krattigen gut aufgenommen und ist bestrebt, den Menschen die Religion – auch mit Projekten, die nicht «Standard» sind – näherzubringen. Und so sind denn auch ihre Gottesdienste mit jeweils bis zu 80 Gläubigen in aller Regel gut besucht. Die seit vielen Jahren in der Schweiz lebende Nürnbergerin erklärt: «Mit der 40-Jahr-Feier wollte ich der Bevölkerung wieder ins Bewusstsein rufen, über welch einen Schatz sie mit dieser Kirche verfügt. Und ich darf sagen: es ist gelungen.»
PRR