Klimaerwärmung, Klimaschutz und Klimaanpassung: Eine internationale Konferenz in Bern zeigte Wege auf, wie sich Destinationen auch ohne Schneegarantie behaupten können.
PETER ROTHACHER
Unter dem provokativen Titel «Wintertourismus neu denken ...
Klimaerwärmung, Klimaschutz und Klimaanpassung: Eine internationale Konferenz in Bern zeigte Wege auf, wie sich Destinationen auch ohne Schneegarantie behaupten können.
PETER ROTHACHER
Unter dem provokativen Titel «Wintertourismus neu denken – sind wir schon im Après-Ski?» hat die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) am Dienstag zu einem Informationsanlass in die Hauptstadt eingeladen. Unter der Leitung des SAB-Direktors Thomas Egger informierten Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Destinationen, mit welchen Strategien sie dem zunehmenden Schneemangel in den niedrigen und mittleren Höhen begegnen. Das interregionale Alpenraumprojekt «BeyondSnow» unterstützt zehn Destinationen im gesamten Alpenraum bei deren touristischer Neuausrichtung. Auf der Basis von Datenanalysen sowie klaren Strategien und Aktionsplänen haben sie allesamt zum Ziel, möglichst viele Akteurinnen und Akteure der Bevölkerung miteinzubeziehen, deren Lebensqualität zu verbessern und Arbeitsplätze zu sichern.
Ein Zentralschweizer Beispiel
Die extreme Wettersituation zeigte Pirmin Moser von der Schweizer Destination Sattel-Hochstuckli anhand zweier Fotos auf: «Im Januar 2024 ein Traumwinterbild, eine Woche später der gleiche Blickwinkel, der mein Herz bluten liess – der Klimawandel hat uns voll im Griff.» Darum habe man schon zuvor reagieren müssen: «Nicht alles, was technisch möglich ist, ist wirtschaftlich sinnvoll. Das Streichen diverser Angebote kam logischerweise nicht bei allen gut an. Wir haben zwei Skilifte geschlossen, setzen aber weiterhin auf Skitourismus, wobei wir uns auf Anfängerinnen und Anfänger sowie Familien fokussieren – mit optimaler Beschneiung der verbliebenen Pisten.» Mit Eis-Minigolf, Schlitteln, Abendrennen für Jugendliche und Sommerangeboten wie Hüpfburg, Rodelbahn und Heissluftballon-Treffen sei die Gesamtpalette erweitert worden.
Internationale Zusammenarbeit
Konrad Kienle, Bürgermeister von Balderschwang (DE), bezeichnete das Projekt «BeyondSnow» als das beste der letzten zehn Jahre. Zugleich lobte er die gute Zusammenarbeit und den Ideenaustausch mit Pirmin Moser. «Hatten wir früher bei 150 Wintertagen zu viel Schnee, wird er uns jetzt bei bloss noch 90 Wintertagen – bei zu warmen Temperaturen – oft von unten weggefressen. Wir haben früh auf Langlauf umgestellt und zudem das schneeunabhängige Familienangebot für Genuss- und Wellnessliebhaber stetig erweitert.»
Zusammen mit Maya Knevels, sie ist Projektleiterin der Allianz in den Alpen, hob er das erarbeitete Leitbild für den Ganzjahrestourismus hervor und verwies auf den stetig den Gegebenheiten anzupassenden Massnahmenplan. «Wir verkaufen unsere Destination heute mit Erfolg als ruhig, abgeschieden und sehr grün.» Auch Guillaume Thiériot vom Resort Métabief (FR) informierte, wie der Schwerpunkt zunehmend auf den Sommer verlagert werde. Nebst den Skifahrenden, Wandernden, Radfahrenden und Paragliding-Begeisterten sollen mittels Abenteuerparks und Freizeitangeboten auf dem Gipfel des Morond vermehrt Familien angesprochen werden.
Klima als Generationenthema
Ueli Hug, Projektleiter «Klima!tte Destinationen», hielt unter anderem fest: «Ob aus Veränderung Verlust oder Aufbruch wird, entscheiden wir selbst.» Wenn allerdings die !nanzielle Schieflage so weit fortgeschritten sei, dass man nicht mehr klar denken könne, sei es für eine Rettung wohl zu spät. Strategische Entscheide müssten gut vorbereitet und entsprechend kommuniziert werden, betonte SAB-Vizedirektor Peter Niederer in der Diskussion. «Bezüglich Kreativität und Legitimität ist äusserste Transparenz gefragt.» Als Leiter Tourismuspolitik beim Seco zeigte sich Richard Kämpf vom Gehörten beeindruckt: «Obschon die Beispiele von doch recht unterschiedlichen Voraussetzungen ausgegangen sind, ist die Transformation – die touristische Umwandlung – hauptsächlich dank den lokalen Playern gelungen.» Auf nationaler und internationaler Ebene sei das Thema Klimawandel derzeit leider von anderen, unsere Welt dominierenden Ereignissen verdrängt worden. «Das Klima bleibt aber ein Mehrgenerationenthema und wird uns auf längere Sicht vor enorm grossen Herausforderungen stellen. Wir müssen Klimaschutz und Klimaanpassung zusammenbringen, eine integrale Sichtweise im Denken und Handeln entwickeln.» Richard Kämpf verwies in diesem Zusammenhang abschliessend auf das Projekt «Kompass Schnee», das für die Zukunft des Wintertourismus faktenbasierte Entscheidungsgrundlagen liefere. «Bleiben wir dran – werden wir konkret.»