SCMF: Was Eishockey und Trio-Spiel gemeinsam haben – und was nicht
20.09.2022 AdelbodenDer Bieler Sportjournalist Bernhard Rentsch unterhielt sich auf dem Dorfplatz mit drei Spielern der 1.-Liga-Mannschaft des EHC Adelboden und dem Klaviertrio Davidoff. Sie sprachen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Passion und darüber, wie sie Nervosität ...
Der Bieler Sportjournalist Bernhard Rentsch unterhielt sich auf dem Dorfplatz mit drei Spielern der 1.-Liga-Mannschaft des EHC Adelboden und dem Klaviertrio Davidoff. Sie sprachen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer Passion und darüber, wie sie Nervosität bekämpfen.
RETO KOLLER
Was verbindet SpitzenmusikerInnen und Leistungssportler? Ein Wort genügt und es sagt alles aus: Leidenschaft. So unterschiedlich die Lebenswelten der drei MusikerInnen und der drei Eishockeyspieler auch sein mögen, etwas ist ihnen gemeinsam: Sie leben für ihren Beruf beziehungsweise ihr Hobby und geben ihr ganzes Herzblut und ihre Begeisterung in das, was sie tun.
Moderator Bernhard Rentsch befragte seine fünf Gesprächspartner und die Gesprächspartnerin zu den unterschiedlichsten Themen. Es ging um Teamgeist in der Hockeymannschaft und im Klaviertrio, um Nervosität vor dem Auftritt und um Zukunftshoffnungen. Im Lauf des Gesprächs stellte sich heraus, dass die Hockeyaner noch nie ein Klassikkonzert besucht hatten – und dass das Klaviertrio noch nie bei einem Eishockeyspiel war. «Die Sportart ist halt in Deutschland nicht so populär wie in der Schweiz», meinte der Cellist Christoph Lamprecht entschuldigend. Trotzdem entspann sich am Samstagmorgen unter der Leitung von Rentsch ein munterer und aufschlussreicher Austausch, dem bis zu 40 Zuhörende folgten: ein Erfolg für die Verantwortlichen des Swiss Chamber Music Festivals.
Zweckgemeinschaft oder freundschaftliche Verbundenheit?
Die drei Sportler betonten, wie wichtig ihnen die familiäre Atmosphäre und die Freundschaften im Team seien. Man spiele im Sommer zusammen Tennis im gemeinsamen Interclubteam und treffe sich auch sonst in der Freizeit.
Auf die Frage, ob die drei Musiker auch eine Freundschaft pflegen oder bloss eine Zweckgemeinschaft zum gemeinsamen Musikzieren sind, meinte die Pianistin Yona Sophia Jutzi: «Wir kannten einander schon vor der Gründung unseres Trios, weil wir alle an der Musikhochschule in Mainz studierten. Das gemeinsame Musizieren im Trio auf hohem Niveau setzt gegenseitiges Verständnis voraus», so die junge Frau weiter. Rentsch nahm den Puck auf und fragte nach: «Wie geht ihr mit Fehlern oder Schwächen des/der KollegIn um, wenn ihr an wichtigen Wettbewerben aufspielt?» Augenzwinkernd bemerkte Lamprecht, dass seine beiden Mitmusiker ohnehin keine Schwächen hätten. Er zog die Parallele zu den Sportlern: «Wir proben ja sehr oft und intensiv miteinander, genau wie ihr gemeinsam trainiert. Da stellt sich mit der Zeit eine gewisse Routine ein. Wir spüren, wie der/ die andere gerade drauf ist und wissen, was dann zu tun ist.»
Marco Germann stiess ins gleiche Horn: «Wir sind ein Team und können nur als Ganzes die bestmögliche Leistung erbringen. Einen Mitspieler nach einem Missgeschick wieder aufzubauen, hilft uns allen mehr, als ihn noch weiter runterzureissen.» Auf die Frage, wie man mit unberechtigter Kritik umgehe, meinte Christoph Lamprecht: «Zuerst einmal müssen wir sie ernst nehmen und überprüfen, ob sie nicht doch ein Korn Wahrheit enthält. Wenn wir anderer Meinung sind, müssen wir darüber hinweggehen können.»
Hockeyaner seien Spielernaturen, meinte Rentsch und fragte nach Trainingselementen, die weniger beliebt seien. Severin Dähler wies darauf hin, worin sich der Alltag professioneller MusikerInnen von jenem der Amateursportler unterscheidet: «Manchmal braucht es ein wenig Überwindung, wenn nach einem anstrengenden Arbeitstag noch ein hartes Hockeytraining ansteht. Da würde das reine ‹Mätschle› wohl leichter fallen als das Einstudieren taktischer Spielvarianten.»
Die Nervosität, ein grosses Thema
Auf Rentschs Frage, wie er mit Nervosität umgehe, antwortete Christoph Lamprecht: «Sie stellt sich insbesondere dann bei mir ein, wenn ich nicht genügend vorbereitet bin. Dann kann es heikel werden.» Das reichte Rentsch nicht. «Als Konzertbesucher erwarte ich die höchstmögliche Leistung des Interpreten, egal wie er sich fühlt. Was tust du genau, damit ich zufrieden und beglückt nach Hause gehe?» Bei ihm sei die Atmung der Schlüssel, so Lamprechts Antwort. «Ich versuche, den Puls herunterzufahren und so meine Unruhe zu bekämpfen. Die Erfahrung hilft mir, im richtigen Augenblick meine beste Leistung abzurufen.» Severin Dähler antwortete differenziert: «Die Nervosität hängt davon ab, welche Art Spiel bevorsteht. Die erste Meisterschaftspartie, die morgen ansteht, wird unseren Adrenalinspiegel sicher hochtreiben, genau wie wenn wir in die Playoffs steigen.» Marco Germann ergänzte: «Ich versuche, kurz vor der Besammlung alleine zu sein. Nach dem Einlaufen ziehen wir uns gemeinsam in der Garderobe um, ab diesem Zeitpunkt beginnt der Puls höher zu schlagen, bis wir kurz vor dem ersten Puckeinwurf unseren traditionellen ‹Schlachtbrüel› von uns geben. Ich probiere, meine Nervosität in positive Energie umzumünzen. Das gelingt mir meist auch.»
Kein Gebrüll vor dem Konzert
Rentsch spielte das Brüllritual mit Steilpass den drei MusikerInnnen zu. Diese Art von Einsatzvorbereitung sei bei ihnen nicht üblich, meinte Violinist Johannes Wendel leicht amüsiert. Man beschränke sich auf ein Nachmittagsschläfchen und das notwendige Einspielen.
Unter Sportlern sind immer gleiche Rituale vor dem Wettkampf dagegen weit verbreitet. Marco Germann gab Auskunft: «Ich schnüre jeweils immer den linken Schlittschuh vor dem rechten. Warum ich das tue, weiss ich zwar nicht so genau, aber es gehört zur Matchvorbereitung», gab er preis. Weder Jutzi noch Lamprecht und Wendel kennen solche immer gleichen Abläufe.
Unterschiedliche Karrierewünsche
Der 19-jährige Mitja Kallen musste sich nach einigen erfolgreichen Probetrainings als 16-Jähriger entscheiden, ob er seine Karriere beim National-League-Verein Langnau fortsetzen oder dem Heimclub treu bleiben wollte. «Der Entschluss war nicht einfach. Er wurde stark von der Tatsache beeinflusst, dass ich hier Eishockey als Amateur mit Begeisterung und etwas weniger Leistungsdruck spielen kann.» Rentsch fragte nach, ob er denn nie von einer grossen Karriere in der amerikanischen Profiliga geträumt habe. Kallen antwortete bescheiden und pragmatisch: «Ich will mir realistische und erreichbare Ziele setzen und werde nie vom Hockey leben können.»
Die gleiche Frage nach den Ambitionen beantwortete die Pianistin Yona Jutzi. Sie möchte durchaus eine Karriere als Musikerin machen, aber nicht auf dem Olymp der Superstars. Johannes Wendel schloss sich ihrer Meinung an. Der Druck und das Aufgeben jeglichen Privatlebens seien ein sehr hoher Preis für Weltruhm, sagte der Violinist.
Das abwechslungsreiche und munter sprudelnde Gespräch der jungen Menschen aus zwei Welten gab spannende Einblicke. Rentsch schälte abschliessend eine Reihe Gemeinsamkeiten heraus, die Sport und Kunst auf hohem Niveau verbinden, nämlich Begeisterung, Hingabe und Leistungswille.