«Wegen des Kriegs ist Vernunft eingekehrt»
28.10.2022 AdelbodenAn einem Info anlass am Mittwoch im Hotel Hari wurde die Zukunft der Landwirtschaft thematisiert. Mit Katharina Allenbach, Werner Salzmann und Thomas Knutti war ein Trio am Werk, das gerne Klartext redet.
PETER ROTHACHER
Der SVP-Politiker Werner Salzmann ist ...
An einem Info anlass am Mittwoch im Hotel Hari wurde die Zukunft der Landwirtschaft thematisiert. Mit Katharina Allenbach, Werner Salzmann und Thomas Knutti war ein Trio am Werk, das gerne Klartext redet.
PETER ROTHACHER
Der SVP-Politiker Werner Salzmann ist Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats. Bei seinem Arbeitgeber, der kantonalen Steuerverwaltung, ist der Ingenieur-Agronom Chefexperte Landwirtschaft. Der bald 60-jährige Mann aus Fraubrunnen und der aus Kandersteg stammende SVP-Nationalrat Albert Rösti werden aktuell als aussichtsreichste Kandidaten für die Nachfolge von Ueli Maurer im Bundesrat gehandelt.
Lagerbestände für wenige Monate
Salzmann referierte am Mittwochabend im «Rösti-Land» zum Thema «Welche Bedeutung hat die Landwirtschaft in Zukunft?» Zu Beginn beleuchtete er aber die Vergangenheit und zeigte die Entwicklung der Landwirtschaft von 1884 – als diese erstmals durch den Bund gefördert wurde – bis zur heutigen Situation auf. Salzmanns Fazit: Aufgrund der «links-grünen Ökopolitik» in den letzten Jahren sei der landwirtschaftliche Selbstversorgungsgrad in der Schweiz auf unter 57 Prozent gesunken. «Damit können wir nur noch jeden zweiten Einwohner ernähren, während täglich mehr Menschen in unser Land kommen und jeden Tag weniger Land zum Bewirtschaften zur Verfügung steht.»
Wegen des Ukraine-Kriegs sei die Politik jetzt wieder zur Vernunft gekommen, hielt Salzmann fest. «Im Bereich Energieversorgung ist das bereits spürbar, bei der Ernährungsversorgung steht uns der Tatbeweis wohl noch bevor.»
Salzmann wies auf die Abhängigkeiten der Schweiz von Russland und der Ukraine sowie auf die entsprechend mangelhaften Pflichtlager bei Nahrungsund Futtermitteln hin. «Diese reichen bloss für wenige Monate, und bei Dünger und Saatgut sieht es noch schlimmer aus.» Salzmanns Rezept: «Der Bundesrat muss aufzeigen, wie die Versorgung der eigenen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichergestellt werden kann. Unsinnige Agrar- und Ökoprojekte sind zu sistieren oder umzuwandeln – und die Schweiz muss auf die eigene inländische Produktion setzen.»
Der Wolf verliert an Sympathien
Thomas Knutti (49) aus Weissenburg im Simmental ist seit 2010 SVP-Grossrat. Von Beruf ist er Bergbauer, Berufsfahrer und Unternehmer. Bei den Grossratswahlen im letzten März erzielte er mit 9984 Stimmen das beste Oberländer Ergebnis. Entsprechend macht er sich Hoffnungen, bei den Nationalratswahlen in einem Jahr zu reüssieren.
Als Präsident der Vereinigung zum Schutz von Wild und Nutztieren vor Grossraubtieren im Kanton Bern warb Knutti in Adelboden für die «Volksinitiative für einen Kanton Bern mit reguliertem Grossraubtierbestand». Artikel 51 (Land- und Forstwirtschaft) der Kantonsverfassung soll so ergänzt werden: «Der Staat erlässt Vorschriften zum Schutz vor Grossraubtieren und zur Beschränkung und Regulierung des Bestandes. Die Förderung des Grossraubtierbestandes ist verboten.»
Allein die vom Wolf im Monat Oktober gerissenen Tiere in Reichenbach, Därstetten, Lauterbrunnen und Schwarzenburg würden zeigen, dass es mit dem Raubtier Probleme gebe, hielt Knutti fest. «Die Wolfspopulation wächst jährlich um 25 bis 30 Prozent. Momentan wird von 180 Wölfen ausgegangen, die sich in der Schweiz aufhalten. Und mittlerweile fallen ihnen sogar schon Kälber und Rinder zum Opfer.» Das habe zur Folge, dass bereits diverse Alpbetriebe aufgegeben würden. Seine Vereinigung zähle bereits jetzt 600 Mitglieder, informierte Knutti weiter. «Ein gewisses Umdenken in der Bevölkerung ist spürbar, und wir hoffen, die nötigen 15 000 Unterschriften zusammenzubringen.»
Praxistaugliche Nahrungsmittelproduktion
Wenn die beiden SVP-Politiker Werner Salzmann und Thomas Knutti Imagepflege und Wahlkampf betreiben – hat die den Anlass organisierende Katharina Allenbach (parteilos) aus Frutigen auch politische Ambitionen? «Gar nicht», erklärt die gelernte Landwirtin EFZ. «Aber es ist wichtig, dass auch wir von der Basis laut werden. Dass wir uns sachlich für die Landwirtschaft einsetzen und Verantwortung übernehmen.» Zusammen mit dem Biobauern und Thurgauer Kantonsrat Sepp Sennhauser (Die Mitte) hat sie darum die Resolution «Für eine praxistaugliche Nahrungsmittelproduktion» lanciert. Denn immer häufiger würden die Bauernbetriebe mit neuen Gesetzen, Verordnungen und Bestimmungen überflutet, die kaum mehr einzuhalten seien, argumentiert Katharina Allenbach. Darum müsse dringend eine Änderung des Systems herbeigeführt werden.
Die Basis soll gehört werden
Die im Hotel Hari vorgestellte Resolution bezieht sich auf den Artikel 104a der Bundesverfassung, welcher die Sicherstellung einer effizienten und praxistauglichen Nahrungsmittelproduktion garantieren soll. Dieser sei verpflichtend ernst zu nehmen, so wird gefordert. Der Bundesrat solle sein Versprechen zur Sicherstellung des Selbstversorgungsgrades einhalten, die Rahmenbedingungen für eine produktive Landwirtschaft gewährleisten und am Grenzschutz festhalten. Zudem müsse das Direktzahlungssystem zusammen mit der landwirtschaftlichen Basis überarbeitet werden. Und ganz konkret: «Dabei sollen leitende Mitarbeitende der betreffenden Bundesämter verpflichtend mit der landwirtschaftlichen Basis im direkten Austausch bleiben, damit die Änderungen praxistauglich sind.»
Referate stiessen auf Interesse
Es gehe grundsätzlich darum, die Gesellschaft umzupolen, meinte Katharina Allenbach. «Die Gesellschaft bestimmt unseren Weg. Wenn sie gegen uns Bauern ist – Konsumenten sind in der Regel zu weit weg vom Produkt –, nützen all unsere Bemühungen nichts. Darum müssen wir an unserem Prestige und Image arbeiten.» Mit ihrem Engagement wolle sie der Konsumgesellschaft die Freuden und Nöte in der Landwirtschaft näherbringen und sachliche Aufklärungsarbeit leisten.
Mit dem vom Duett Fisi-Gruess aus Kandersteg musikalisch umrahmten Anlass ist ihr das offensichtlich gelungen. Um die 90 Personen waren gekommen, die dann auch einige Unterschriften hinterliessen.