Wenn zwei sich freundlich streiten
17.10.2025 Gemeinderatswahlen FrutigenDas Amt des Gemeindepräsidenten umfasst eher repräsentative Aufgaben; er leitet zudem die Gemeindeversammlungen. Der Bisherige Urs Kallen möchte das Amt nochmals ausüben, wird jedoch vom Neuling Martin Schneider herausgefordert.
HANS RUDOLF ...
Das Amt des Gemeindepräsidenten umfasst eher repräsentative Aufgaben; er leitet zudem die Gemeindeversammlungen. Der Bisherige Urs Kallen möchte das Amt nochmals ausüben, wird jedoch vom Neuling Martin Schneider herausgefordert.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
«Mir macht die Aufgabe Spass, vor allem die Gemeindeversammlungen», betont Urs Kallen. Auch die zweimal jährlich angebotenen Bürgergespräche seien spannend. Diese führt er in der Funktion als Ombudsstelle – als Scharnier zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Verwaltung respektive der Behörde. «Ich muss ab und zu klarstellen, dass ich den Gemeinderäten keine Befehle erteilen kann», sagt Kallen mit einem Lachen. «Aber die Anliegen an die richtigen Stellen in der Gemeindeverwaltung und an den zuständigen Gemeinderat weiterleiten – und dann auch nachfragen, bis wann und ob überhaupt etwas damit passiert, das kann ich und das mache ich.» Er erklärt, dass dies gut funktioniere: Die Eingaben würden ernst genommen und erledigt, auch wenn das Resultat sicher nicht immer im Sinne der Bürger sei.
Lust auf weitere vier Jahre
Mittlerweile ist der parteilose Urs Kallen seit zwei Jahren im Amt. Er hat mitten in der letzten Legislatur vom zurückgetretenen Faustus Furrer übernommen. Dazumal hatte er bereits Erfahrung von acht Jahren als Gemeinderat und sechs Jahren als Vizegemeindepräsident – und hat jetzt durchaus Lust, nochmals vier Jahre anzuhängen. «Dann ist es aber auch gut», sagt der 69-Jährige schmunzelnd. Für ihn würde keine Welt zusammenbrechen, wenn er nicht wiedergewählt würde, bekennt er offen. «Ich habe genug Beschäftigung.» Den Aufwand für das Amt rechnet er auf etwa zwei Tage pro Monat zusammen. Das variiere aber, je nach Aufgaben. Dankbar ist er, dass in seiner bisherigen Amtszeit keine schweren Unglücke oder ähnliche Ereignisse passiert sind, die ihn gefordert haben.
Braucht es den Präsidenten künftig?
Als Präsident stellt er regelmässig die Gemeinde vor, beispielsweise an Versammlungen und Tagungen, die in Frutigen stattfinden. Da sich der Ort weiterentwickelt, wächst und attraktiv in Bezug auf Wohnen und Arbeiten ist, hat er sicher genug positive Argumente. Ob es diese Repräsentationsfunktion aber auch künftig braucht, ist er nicht überzeugt. «Allenfalls könnte man dieses Amt auch mit den Aufgaben des Ratspräsidenten oder gemeinsam mit den Gemeinderatsmitgliedern abdecken, wie das in anderen Gemeinden üblich ist.» Dass in nächster Zeit in Frutigen eine Strukturüberprüfung der Behörde und Ressorts absehbar ist, ist kein Geheimnis. Kallen: «Ich bin gespannt.»
Eigene Einschätzung der Chancen
Bevor er über konkrete Veränderungen nachdenkt, heisst es für den Herausforderer Martin Schneider erst einmal Wahlkampf machen. Wobei: Kallen und Schneider wohnen nicht weit voneinander entfernt, kennen sich seit Jahren – ein Kampf wird kaum stattfinden. «Ich habe mich zur Kandidatur entschlossen, also mache ich das auch richtig», sagt der Neuling und dreht einen seiner bereits gedruckten Flyer in der Hand um. Bereits vor zwei Jahren, als Faustus Furrer einigermassen überraschend seinen Rücktritt bekannt gab, habe er sich eine Kandidatur überlegt. Er habe auch im Vorfeld mit seinem jetzigen Konkurrenten gesprochen, sagt der 54-Jährige.
Etwas zurückgeben
«Eine grosse Chance rechne ich mir nicht aus. Ein Bisheriger hat immer Vorteile. Aber vielleicht ist es ja eine gute Möglichkeit, mich bereits für die nächsten Wahlen ins Spiel zu bringen?» Man merkt dem parteilosen Politneuling an, dass er sich für das Amt interessiert. «Ich habe als Präsident von etlichen Musikvereinen und auch regionalen und nationalen Verbänden oder als OK-Mitglied von Veranstaltungen oftmals auf die Unterstützung der Gemeinde und der Bevölkerung zählen können. Jetzt wird es ein bisschen ruhiger, einige Ämter werde ich abgeben. Ich kann nun etwas zurückgeben», erklärt er seine Motivation.
Ein Herz für Vereine
Schneider bezeichnet sich selbst als Vereinsmensch; er liebe es, Versammlungen zu leiten und nicht genau zu wissen, was passieren wird. «Dann muss ich rasch reagieren, auch wenn vielleicht unangenehme Fragen kommen. Das mag ich und das kann ich. Und eine Vermittlerrolle – wie ein Gemeindepräsident sie innehat – reizt mich durchaus.» Die Erfahrung dazu bringe er sicher mit. Auch zeitlich sieht er kein Problem, trotz der Arbeit als Teamchef im Unterhalt bei der BLS. Das Unternehmen stelle genügend Zeit für solche öffentlichen Engagements zur Verfügung.Und was liegt ihm am Herzen? Martin Schneider kommt bei dieser Frage erneut auf die Vereine zurück. Er hat beispielsweise das Vereinsforum ins Leben gerufen, damit sich die Mitglieder und andere Interessierte untereinander kennenlernen können. «Heute muss man doch zusammenarbeiten», ist er überzeugt – auch über Gemeindegrenzen hinaus. Mit Blick auf die vielen Kulturvereine im Tal bringt er das Thema einer Aula oder einer anderen regionalen Auftrittshalle ins Gespräch.
Ein solches Projekt im Widi wurde zwar an der Urne einmal angenommen, aber nie realisiert. «Ein Gemeindepräsident könnte wohl die verschiedenen Exponenten besser für Sondierungsgespräche über eine solche Idee an einen Tisch bringen als eine Privatperson.»
Das Vizepräsidium steht fest: Ohne Gegenkandidatin oder Gegenkandidat ist Marianna Bütschi-Schmid (SVP) als Vizegemeindepräsidentin von Frutigen bereits im Amt bestätigt worden. Sie hat dieses seit zwei Jahren inne.