Wie die Streamingdienste um Kunden buhlen
09.02.2024 GesellschaftMEDIEN Vor zehn Jahren kam Netflix in die Schweiz. Seitdem ist nicht nur die Konkurrenz gewachsen, sondern auch der Preis fürs monatliche Abo – und zwar überall.
BIANCA HÜSING
Ob im Restaurant, Möbelhaus oder Schuhgeschäft: ...
MEDIEN Vor zehn Jahren kam Netflix in die Schweiz. Seitdem ist nicht nur die Konkurrenz gewachsen, sondern auch der Preis fürs monatliche Abo – und zwar überall.
BIANCA HÜSING
Ob im Restaurant, Möbelhaus oder Schuhgeschäft: KundInnen geben sich immer weniger mit der Auswahl zufrieden, die dort angeboten wird. Gerade Servicekräfte können ein Lied singen von den vielen Sonderwünschen, die täglich auf sie einprasseln. In einer Wohlstandsgesellschaft gestaltet der Mensch sein Leben individuell, Musterlösungen sind nicht mehr gefragt. Das gilt zunehmend auch für den Medienkonsum: Kaum jemand lässt einfach den Fernseher laufen und begnügt sich mit dem Programm, wie es von den Sendern kuratiert wurde. Entweder greift man auf deren Mediatheken zurück und schaut seinen Wunschfilm zur Wunschzeit, oder man verschafft sich eine noch grössere und individuellere Auswahl: mittels Streamingdiensten.
100 Millionen Dollar für «Friends»
Als Netflix im September 2014 den deutschsprachigen Markt betrat, war dieser offenbar noch nicht reif fürs neue Angebot. Nach fünf Monaten hatten gerade einmal 3 Prozent der SchweizerInnen ein Abo. Im Laufe der Jahre stieg die Nutzerzahl rasant an, das Streaming wurde immer beliebter und Netflix war lange Zeit der Platzhirsch der Branche – bis nach und nach mehr Anbieter hinzukamen. Die Nutzerzahl von Netflix stagniert heute bei 58 Prozent der SchweizerInnen, während alle anderen zuletzt deutlich zulegten: Disney Plus von 22 auf 30, Amazon Prime Video von 15 auf 23 und Apple TV von 11 auf 19 Prozent (um nur die bekanntesten zu nennen).
Im Buhlen um Abonnenten müssen die Streamingdienste ein möglichst ansprechendes Angebot für ein möglichst breites Publikum zusammenstellen. Dafür erwerben sie einerseits (Exklusiv-) Rechte an Filmen und Serien und versuchen andererseits, mit Eigenproduktionen zu punkten. Vielerorts werden sie auch per Gesetz dazu angehalten, einheimische Filmemacher zu unterstützen (siehe «Lex Netflix»). All das kostet Geld, besonders der Einkauf begehrter Serien. Wer etwa den US-amerikanischen Dauerbrenner «Friends» im Portfolio haben will, muss inzwischen 100 Millionen Dollar ausgeben – pro Jahr. Als Netflix den Markt noch weitgehend allein bespielte, lag der Preis bei 30 Millionen. Insgesamt budgetiert das Unternehmen jährlich 17 Milliarden Dollar für Inhalte.
Mehr zahlen oder unscharf schauen
In den konkurrenzlosen Anfangsjahren konnte Netflix sich noch leisten, relativ günstige Abonnente anzubieten und zu tolerieren, wenn sich mehrere Personen im Freundes- oder Familienkreis ein solches Abo teilten. Hauptsache, die Reichweite stimmte. Doch seit der Konkurrenzdruck wächst, steigen auch die Preise. Die Premiumvariante, bei der Kunden auf bis zu vier Geräten und in höchster Bildqualität streamen können, kostet heute 24,90 Franken pro Monat. Bei Markteintritt 2014 waren es 17,90 Franken (– 39 Prozent). Seit einem knappen Jahr verlangt Netflix zusätzlich Gebühren, wenn Kunden ihr Konto ausserhalb des eigenen Haushalts teilen. Wer sparen will, muss nicht nur Abstriche in der Bildschärfe machen, sondern ist auf ein Gerät (11,90 Franken) oder zwei (18,90 Franken) beschränkt.
Doch auch die anderen Anbieter werden teurer. Amazon Prime hat seinen Abopreis von 5,99 auf 9,99 Franken erhöht (+ 67 Prozent) und Disney Plus von ursprünglich 9,99 auf bis zu 17,99 Franken (+ 81 Prozent). Bei Disney gibt es neuerdings zwei Sparvarianten mit geringerer Bildqualität und / oder Werbung. Amazon gehört zwar zu den günstigeren Anbietern, läuft aber seit dieser Woche in mehreren Ländern mit Werbeunterbrechung (möglicherweise bald auch in der Schweiz).
Nicht überall geht die Strategie auf
Der Online-Vergleichsdienst «moneyland.ch» vermutet dahinter eine Strategie: «Zuerst mit günstigen Preisen neue Kundinnen und Kunden gewinnen und dann die Preise massiv erhöhen.» Bisher scheint diese Strategie aber nicht überall aufzugehen. Disney schreibt mit seinem Streamingdienst rote Zahlen und auch im Riesenkonzern Amazon spielt diese Sparte eher eine untergeordnete Rolle. Netflix dagegen erzielte 2023 einen Rekordgewinn von 5,4 Milliarden US-Dollar. Damit bleibt die Firma, die vor rund 30 Jahren als DVD-Verleih gegründet wurde, Marktführerin – trotz höherer Preise und Nutzungseinschränkungen für die Kunden. Viele StreamerInnen nutzen Netflix als Hauptanbieter und schalten, falls ihnen bestimmte Serien oder Filme fehlen, einen der anderen Dienste dazu. Da die Abos monatlich kündbar sind, wird ihnen dieses «Anbieter-Hopping» leicht gemacht. Noch.