«Wir wollen die zentrale Plattform fürs Frutigland werden»
14.05.2025 InterviewSeit dem 1. Februar 2025 ist Guntmar Wolff neuer Geschäftsleiter der Frutigländer Medien AG. Der «Frutigländer» soll laufend weiterentwickelt werden, um ihn sicher in die Zukunft zu führen. Er will künftig noch näher an die Interessen der lokalen ...
Seit dem 1. Februar 2025 ist Guntmar Wolff neuer Geschäftsleiter der Frutigländer Medien AG. Der «Frutigländer» soll laufend weiterentwickelt werden, um ihn sicher in die Zukunft zu führen. Er will künftig noch näher an die Interessen der lokalen Bevölkerung herangehen und seinen qualitativen Journalismus erhalten. Verleger Richard Müller wird sein Pensum schrittweise reduzieren.
BETTINA GUGGER
«Frutigländer»: Der «Frutigländer» hat nach Corona turbulente Zeiten hinter sich. Jetzt befindet er sich durch den Wechsel der Geschäftsleitung mit Guntmar Wolff und mit der Implementierung einer neuen Strategie in einer Übergangszeit. Herr Müller, Sie haben den «Frutigländer» 2006 mitgegründet. Was macht den «Frutigländer» einzigartig?
Richard Müller: Der «Frutigländer» ist ein öffentliches Diskussionsforum. Dort beginnt die Demokratie, weil man einerseits miteinander in einem respektvollen Ton spricht und andererseits gegenseitiges Verständnis schafft, indem man informiert. Wir haben mit dem «Frutigländer» als Gemeinschaft eine Chance. Wir produzieren Informationen, die man woanders nicht findet. Das kann keine künstliche Intelligenz. Wir haben eine Chronistenpflicht, bilden Authentisches ab. Als der «Frutigländer» während der Corona-Zeit sozusagen im Sterben lag, merkte ich, dass die Bevölkerung den «Frutigländer» schätzt, weil sie damit eine Plattform hat, wo sie sich äussern kann, zum Beispiel durch Leserbriefe. Wir sind identitätsstiftend, davon bin ich überzeugt.
Herr Wolff, was hat Sie zum «Frutigländer» geführt?
Guntmar Wolff: Das Aufgabenspektrum und die Möglichkeit, hier einen Zeitungsverlag mit dem Verleger zu führen und weiterzuentwickeln.
Die Medienlandschaft ist im Wandel, dem muss auch der «Frutigländer» Rechnung tragen. Wird es den «Frutigländer» weiterhin als Zeitung geben?
Richard Müller: Print ist für mich absolut zentral. Solange wir eine gedruckte Zeitung produzieren können, werden wir daran festhalten. Dass wir eine digitale Schiene fahren und uns darin verbessern müssen, ist klar. Wir haben bereits eine Website, ein E-Paper fürs Handy oder Tablet und wir bewirtschaften die 20 Monitore, die an öffentlichen Orten im Frutigland installiert sind. Dieses Angebot wollen wir weiterentwickeln. Guntmar Wolff wird zunächst die Online-Plattform erneuern, damit die Arbeit der Redaktion über ein Redaktionssystem vereinfacht wird. Seit fünf, sechs Jahren beschäftigt mich die technologische Seite dieser Frage. Was den visuellen Aspekt des Online-Auftrittes betrifft, müssen wir noch benutzerfreundlicher und attraktiver werden.
Guntmar Wolff: Wir wollen nicht nur die Zeitung in einem anderen Tempo digital veröffentlichen, sondern in kürzester Zeit die zentrale Plattform fürs Frutigland werden. Nutzer, die über Suchmaschinen wie Google bestimmte Dinge übers Frutigland suchen, sollen ausserdem auf unsere Seite geführt werden. Dafür ist es für uns immanent wichtig, mit den entsprechenden Partnern wie der Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg AG (TALK AG) und den verschiedenen Gemeinden intensiv zusammenzuarbeiten.
Sie wollen online nicht dasselbe abbilden wie in der Zeitung. Mit welchen Inhalten darf die Leserschaft künftig online rechnen?
Guntmar Wolff: Die gedruckte Zeitung wird das wichtigste Standbein bleiben, das steht ausser Frage. Online werden wir in Zukunft kurze Auszüge aus den Artikeln veröffentlichen und darin auf die Zeitung hinweisen, in der dann der gesamte Text publiziert wird. Inhalte, zum Beispiel im Bereich Tourismus, werden öffentlich zugänglich sein, um auch Menschen ausserhalb des Frutiglandes auf unsere Seite zu führen. Diesbezüglich müssen wir sichtbarer werden, Stichworte dazu sind Suchmaschinenoptimierung und Inhalte.
Im Zuge der Umstrukturierung wurde in einem Leserbrief die Befürchtung geäussert, der «Frutigländer» entwickle sich womöglich zum Boulevardblatt. Was entgegnen Sie solchen Mutmassungen?
Guntmar Wolff: Der RTL-Gründer Helmut Thoma hat mal gesagt: ‹Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Fischer.› Ich denke selbst nicht in Kategorien wie Boulevard. Wir bringen einfach die Inhalte, die für die LeserInnen interessant sind, vom Jassabend bis zu den grossen politischen Themen. Wir werden nicht weniger abdecken als bisher, sondern mehr. Das zeigt im Übrigen auch der Umfang der Zeitung, den wir in den letzten Wochen konstant gesteigert haben.
Richard Müller: Von Boulevard kann keine Rede sein. Wir wollen einen Qualitätsjournalismus pflegen. Wir bieten redigierte Artikel und berichten positiv und verbindend. Jemanden schlecht darzustellen oder Sensationsjournalismus zu betreiben, ist nicht in unserem Sinn. Wir wollen jedoch näher an die BürgerInnen heran, näher ans Geschehen. Wir bilden ab, was die Menschen beschäftigt, was sie wissen wollen. Dabei ist das Profane oft die Eintrittskarte für das Hintergründige. Hintergründe aufzuzeigen, wird unsere Aufgabe sein und bleiben.
Wie soll das Ziel erreicht werden, in doppelter Geschwindigkeit doppelt so viele Inhalte zu bieten? Die technische Seite haben Sie bereits angesprochen.
Richard Müller: Neben der technischen Seite spielen das Organisatorische und das Personelle eine Rolle. Organisatorisch gibt es viele Möglichkeiten, Abläufe zu optimieren und die Planung zu verbessern. Diese strukturellen Dinge packen wir an. Beim Personellen binden wir die freien Mitarbeitenden stark ein. Wir wollen aber auch in engem Austausch mit der Bevölkerung sein, um von ihr Informationen zu bekommen. Das macht eine Lokalzeitung aus: eine enge Verbundenheit mit der Leserschaft.
Wie soll diese Nähe zur Leserschaft konkret erreicht werden?
Guntmar Wolff: Künftig wird je eine Person aus der Redaktion für eine oder mehrere Gemeinden zuständig sein, damit wir am Puls des Geschehens bleiben und auch die Gemeinden wiederum einen direkten Ansprechpartner haben. Wir wollen die Talente der RedaktorInnen, aber auch der freien Mitarbeitenden fördern und sie entsprechend gewinnbringend für die Leserschaft einsetzen.
Deshalb ist es uns auch wichtig, dass die RedaktorInnen vor Ort arbeiten und nicht von zu Hause aus. Die Geschichten finden draussen auf der Strasse statt und nicht im Redaktionsbüro, dort werden sie verschriftlicht. Je stärker eine Zeitung vor Ort verankert ist, umso mehr Geschichten können aufgegriffen und Hintergründe beleuchtet werden.
Mit wie vielen Stellenprozent wird die Redaktion künftig besetzt sein?
Guntmar Wolff: Ich möchte mich im Moment auf keinen Prozentsatz festlegen. Wir haben zwei neue Redaktorinnen eingestellt und werden je nach Entwicklung darauf reagieren. In naher Zukunft werden wir verstärkt auch die freien Mitarbeitenden einsetzen.
Richard Müller: Es war immer mein zentrales Anliegen, finanzielle Mittel, sobald diese zur Verfügung stehen, wieder in das Unternehmen zu investieren. Mittelfristig soll auch der Bestand in der Redaktion wieder aufgestockt werden.
Wir haben bis jetzt nur vom «Frutigländer» gesprochen. Wie sieht die Zukunft des Frutiger Anzeigers aus?
Richard Müller: Das Verhältnis mit den Gemeinden ist sehr wichtig. Ohne den Frutiger Anzeiger kann auch der «Frutigländer» nicht existieren, daher ist es sehr wichtig, dass der Anzeiger auch weiterhin in gedruckter Version erscheint.
Wie finanziert sich der «Frutigländer» über den Frutiger Anzeiger hinaus?
Richard Müller: Eine meiner Aufgaben, die ich weiterhin verfolgen möchte, ist die Finanzierung über andere Kanäle. Zum einen gibt es die Bestrebung auf Stufe Kanton.
Auch im eidgenössischen Parlament war die Medienunterstützung ein Thema, wobei dort auch wieder das Referendum droht. Langfristig betrachtet ist eine zusätzliche Finanzierung der Medien unabdingbar.
Das sollte man rechtzeitig in die Wege leiten, um gewisse Strukturen zu schaffen, damit eine Medienförderung auf andere Art und Weise möglich wird.
Ändert sich mit dem Wechsel in der Geschäftsleitung auch etwas an den Besitzverhältnissen?
Richard Müller: Im Moment bin ich Inhaber der Frutigländer Medien AG, aber ich bin bereit, die Inhaberschaft mit Guntmar Wolff zu teilen.
In welcher Form und welcher Art, darüber haben wir uns noch nicht unterhalten. Irgendwann werde ich vollpensioniert und möchte die Frutigländer Medien AG dann auch abgeben.
Herr Müller, Sie reduzieren schrittweise Ihr Pensum in der Verlagsleitung. Wie lange bleiben Sie noch aktiv in der Frutigländer Medien AG?
Richard Müller: Der Plan ist, dass ich im Juli mein Pensum auf 40 Prozent reduziere. Aber wir sind flexibel.
Geplant ist, dass ich im Finanzbereich noch dabei bin, aber ich möchte mich dann auch wieder anderen Themen ausserhalb des «Frutigländers» widmen. Auch darauf freue ich mich.
Und abschliessend: Wie würden Sie den neuen «Frutigländer» in einem Satz zusammenfassen?
Guntmar Wolff: Nahe bei den Lesern.
Richard Müller: Lokal, verbindend, sorgfältig.
RICHARD MÜLLER
…ist seit 2020 Verleger und Geschäftsleiter der Frutigländer Medien AG. 1983 gründete er zusammen mit seinem Bruder Frank Müller die Müller Marketing & Druck AG. 2006 riefen sie zusammen mit dem Verlags- und Druckunternehmen Egger AG aus Frutigen den «Frutigländer» als Aktiengesellschaft ins Leben.
Richard und Frank Müller produzieren in der Müller Medien AG in dritter Generation den Anzeiger von Saanen, welcher seit 145 Jahren im Saanenland publiziert wird.
Richard Müller ist diplomierter Ingenieur HTL und passionierter Wanderleiter.
GUNTMAR WOLFF
…war bis 2024 Gründer und Verleger der «Augustdorfer Nachrichten». Er hat langjährige Erfahrung als Redaktions- und Verlagsleiter. Guntmar Wolff arbeitete als Vortragsredner und Coach für Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik. Er ist Autor des Buches «Eigenschaften des Erfolges. Die zehn Merkmale erfolgreicher Persönlichkeiten».
Guntmar Wolff ist promovierter Psychologe und leidenschaftlicher Wanderer. Er ist verheiratet, Vater von zwei Mädchen und lebt mit seiner Familie in Thun.