«Wirhaben uns immer wieder neu erfunden und optimiert»
21.10.2022 PorträtMitte Oktober schlossen Hildi und Hans Hostettler nach 15 Jahren die Tür zur Blüemlisalphütte zum letzten Mal als Hüttenwarte – froh, dass diese strenge Zeit vorbei ist und traurig, dass die schönen Sonnenuntergänge und die Weite sie nicht mehr durch ...
Mitte Oktober schlossen Hildi und Hans Hostettler nach 15 Jahren die Tür zur Blüemlisalphütte zum letzten Mal als Hüttenwarte – froh, dass diese strenge Zeit vorbei ist und traurig, dass die schönen Sonnenuntergänge und die Weite sie nicht mehr durch ihren neuen Alltag im Tal begleiten werden.
YVONNE SCHMOKER
Vor 15 Jahren übernahmen die Adelbodner Hildi und Hans Hostettler die Blüemlisalphütte der SAC-Sektion Blümlisalp. Ob sie damals schon die Tragweite einer Hüttenführung abschätzen konnten? Heute meint Hildi lachend: «Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie wir all die Herausforderungen in unserem ersten Hüttensommer bewältigt haben. Oft habe ich mich gefragt, was wir eigentlich hier oben machen. Aber wir haben uns immer wieder neu erfunden und optimiert.»
Wie alles begann
Als Bergführer, Schneesportlehrer und Maurer hegte Hans Hostettler (60) schon lange den Wunsch, selbst eine Hütte zu leiten. Hildi, von Beruf Köchin, zeigte sich eher zurückhaltend gegenüber den Träumen ihres Mannes – bis ihr vor 16 Jahren ein Inserat ins Auge stach: «Hüttenwart für die Blüemlisalphütte gesucht». Abends sagte sie strahlend zu Hans: «Ich habe deine Hütte gefunden!», worauf dieser freudig erwiderte: «Weiss ich doch! Ich wurde bereits angefragt, aber traute mich noch nicht, dir davon zu erzählen.»
Im Jahr darauf durfte das Paar bereits in seinen ersten Hüttensommer starten. Hildi übernahm ihre Aufgaben am Hüttenherd und Hans die seinen rund ums Haus und in der Logistik. Mit nur drei Angestellten arbeiteten sie beinahe Tag und Nacht, versuchten an allen Ecken und Enden zu optimieren. Glücklicherweise konnten sie sich in ihre kleine Wohnung, bestehend aus Schlafzimmer, Büro und Bad, während kurzer Verschnaufpausen und nachts zurückziehen, dort reflektieren und aus jeder Fehlplanung eine Verbesserung schaffen. Die vergangenen Jahre wurden für das Hüttenpaar zu einer gelebten und erkämpften Erfolgsgeschichte. Dies zeigen nicht nur die gestiegenen Übernachtungszahlen, sondern auch der absolute Höhepunkt an Bettenbelegungen (6565) zum Abschluss ihrer Hüttenwartkarriere. Als Sommerhütte belegte die Unterkunft bereits seit Jahren den Spitzenplatz. Die berufliche Konstellation aus Köchin einerseits sowie Bergführer und Handwerker anderseits gab sicher den Ausschlag bei der Vergabe der Hütte an Hildi und Hans. Die vielen Lorbeeren, die sie dann in den folgenden 15 Jahren ernten durften, sind aus ihrer unermüdlichen Schaffenskraft, Kreativität, Gastfreundschaft, durch ihre Gründlichkeit und ihr Herzblut gewachsen.
Ein Team, eine Familie
«Uns ist auch sehr wichtig, die gute Zusammenarbeit mit der Sektion und dem Hüttenchef Peter Anneler zu erwähnen. Immer durften wir auf ihre Unterstützung zählen.» Ferner sinnieren die beiden Adelbodner dankbar: «Ohne unser Hüttenteam und die vielen Freunde, die uns in Spitzenzeiten unterstützten, wäre die Führung einer so grossen Hütte mit bis zu täglichen 100 Übernachtungen und 150 hungrigen Tagesgästen kaum möglich gewesen.» Gemeinsam hat das Paar die Angestellten für die kommende Saison evaluiert – kein ganz einfacher Job, waren doch ihre Ansprüche an das menschliche und berufsspezifische Profil recht hoch: «Meist zeigte sich die Realität erst im strengen Arbeitsalltag», erzählt dazu Hans.
Die Früchtekuchen waren heissbegehrt
Hildi genoss in all den Jahren ihren Arbeitsplatz im Zentrum der Hütte, in der Küche am Herd, von wo aus sie nebst ihrer Kocharbeit auch den Betrieb überwachen konnte. Ihr Job wurde im Laufe der Zeit nicht gerade leichter «In den vergangenen Jahren wurden die Essenswünsche und -gewohnheiten der Gäste leider immer aussergewöhnlicher, sodass der Normalesser schon beinahe zum Aussenseiter wurde», so Hildi. «Aber unsere Früchtekuchen assen die Gäste uns beinahe unter dem Messer fort, manchmal bis zu zehn Stück pro Tag.» Auf dem Holzherd kochte immer ein riesiger Topf Wasser für Tee, Kaffee und Suppen.
Die Küchenchefin tätigte ihre Lebensmitteleinkäufe immer in der Nähe einer Helikopterbasis – sei es in Lauterbrunnen, wo im Kühlhaus die Produkte bis zum Transport gekühlt aufbewahrt wurden, oder im Bundläger, wo fleissige Helfer Lebensmittel, Gas und Holz im Anhänger die steilste Postautostrecke hinauf karrten. Hans sorgte für genügend und auserlesene Getränke, Holz und Gas. Darüber hinaus organisierte er den Heli-Transport mit bis zu 700 Kilo Unterlast, was ein minutiös zu planendes Unterfangen war. «Jeden Freitagmorgen war der erste Flug für die Blüemlisalphütte reserviert.»
Gegen Ende der Hüttensaison war die Bereitstellung von Wasser immer eine echte Herausforderung, auch wenn die Hütte immer noch von riesigen Gletschermassen umgeben ist. «Jeden Tropfen versuchte ich gegen Ende August noch in die Tanks zu leiten, um dann mit 35 000 Litern Wasser getrost dem Saisonende Mitte Oktober entgegenzusehen», erklärt Hans Hostettler.
Nebst den täglichen Wartungs- und Organisationsarbeiten war er auch 15 Jahre lang in der Alpinen Rettung Schweiz als Rettungsspezialist Helikopter (RSH) im Einsatz. Während dieser Zeit musste Hostettler leider auch an «seinem» Berg, der Blüemlisalp, mehrfach Menschen bergen oder retten, die morgens noch bei ihm am Tisch gefrühstückt hatten.
Mehr Solarpanele, grösserer Wassertank
Den kommenden Sommer wird Hans Hostettler nochmals in der Blüemlisalphütte verbringen, diesmal als Handwerker beim Umbau der Sanitäranlagen und beim Ausbau der Solarpanele auf dem Dach. Ein zusätzlicher Wassertank von rund 19 000 Litern Fassungsvermögen soll künftig der drohenden Wasserknappheit am Saisonende vorbeugen. Nach Abschluss dieser Renovierungsetappe wird Hüttenchef Peter Anneler sein Amt zu seiner grossen Erleichterung an Hans weitergeben, kennt dieser doch die Hütte bis in die hinterste Ecke. Und seine eigene Nachfolge? «Mit dem Bergführer und Schreiner Jürg Martig und seiner Frau Marlies aus Hondrich hat die Sektion ein erprobtes Hüttenwartpaar gefunden, das zehn Jahre die Chamanna Cluozza im National Park führte. Gerne werde ich ihm unterstützend zur Seite stehen, wenn er meinen Rat sucht», verspricht Hostettler.
Ein Gemälde zur Erinnerung
Wird Hildi und Hans Hostettler künftig nicht etwas fehlen? Spontan fallen ihnen bei dieser Frage die wunderbaren Morgen- und Abendstimmungen ein, die Blicke in die Unendlichkeit, die guten Gespräche mit Gästen, die Wertschätzung ihrer Arbeit und der Austausch mit Bergführerkollegen. In Zukunft werden sie gemeinsam mit ihren E-Bikes in die umliegenden Höhen fahren, um mystische Momente einzufangen, und den Gang in eine stockdunkle Nacht wagen, um den Sternenhimmel zu bewundern.
Die Blüemlisalphütte und die Berge rundherum haben sie mit in ihr gemütliches Haus in der Schützenmatte in Adelboden genommen: «Der einheimische Künstler Björn Zryd hat nach unseren Wünschen ein wunderbares Wandbild von dieser eindrücklichen und für uns so wichtigen Bergwelt rund um die Blüemlisalp gemalt.»