Wohnen im Baudenkmal
09.08.2024 FrutigenEin denkmalgeschütztes Haus mit Jahrgang 1643 so umzubauen, dass es heutigen Wohnansprüchen genügt, ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. An Reinisch wurde dies erfolgreich umgesetzt – vielleicht sogar preiswürdig.
HANS RUDOLF SCHNEIDER
Von aussen ist dem Gebäude – als Frutig-Typ erbaut – kaum anzusehen, dass es saniert wurde. Einzig der schlichte Anbau auf der Rückseite und die Fotovoltaikanlage auf dem Dach lassen auf eine Modernisierung schliessen. «Das ist eigentlich das Schönste, was man uns sagen kann», sagen die Besitzer erfreut, die nicht namentlich in der Zeitung erscheinen wollen. Schliesslich war es das Ziel der beiden, die Substanz möglichst so zu erhalten, wie sie diese beim Kauf 2021 vorgefunden haben. Dass die kantonale Denkmalpflege dieselben Vorstellungen hatte respektive entsprechende Auflagen erteilte, war nicht hinderlich, wie die Besitzer sagen.
Das 1643 erstellte Bauernhaus am Hubelhausweg an Reinisch steht unter strengem Schutz (K-Objekt) und ist bei Anpassungen entsprechend sanft zu behandeln. Dass damit nicht jeder potenzielle Bauherr zurechtkommt, ist nachvollziehbar. Der studierte Historiker, der auch Mitglied im Heimatschutz ist, erzählt, dass fast alle Ideen von ihm und seiner Partnerin trotz dieser Voraussetzungen realisiert werden konnten. Die Vertreter der Behörde hätten auch interessante Vorschläge gemacht, die er zusammen mit den lokalen Architekten von Jaggi Frei Brügger sowie dem Hauptunternehmer Allenbach Holzbau und Solartechnik umgesetzt habe. Dazu gehört beispielsweise die naturbelassene Holzwand der Kochzeile, die nur mit einem kleinen Spritzschutz aus Metall versehen ist. Dadurch wirkt die Küche sofort viel heimeliger.
Kein «fremdes» Altholz verbaut
Die Bewerbungsunterlagen des Projektes für den Prix Lignum – und allenfalls eine Auszeichnung (siehe Kasten) – beleuchten weitere Aspekte. Bei Bedarf wurden Altholzteile ausgetauscht, aber nur durch vor Ort vorhandenes Altholz – auf den Einsatz von «fremdem» Altholz wurde bewusst verzichtet. Altes und neues Holz (Innenausbau) sowie Stahl waren die Materialien, die verbaut wurden. Das renovierte «Hubelhuus»-Bauernhaus zeige so exemplarisch die Möglichkeit einer energetischen Sanierung auf, bei der der Charakter und die Geschichte gewürdigt werden, heisst es in der Bewerbung.
Typisch für diese Häuser war der Einsatz von Fichte. Dem Wetter ausgesetzte Teile wie Fensterbänke sind aus Lärchenholz. Die neuen Aussen- und Innenverkleidungen sowie die Böden bestehen heute aus einheimischer Fichte in rustikaler Qualität. Die Wand- und Deckenverkleidungen sind unbehandelt. In den letzten Jahrzehnten erstellte Einbauten oder Wände wurden entfernt, die Räume offener und ursprünglicher gestaltet. Einige versteckte Fenster – oder eher Lichtöffnungen – wurden bewilligt. Apropos Fenster: Die alten mit dem Charme der 1960er-Jahre sind freiwillig ersetzt worden durch neue «alte» Fenster mit kleinen Scheiben. Es war recht aufwendig, diese mit neuer standardisierter Fertigungstechnik zu erträglichen Kosten herzustellen. Ein Plus für die beauftragte Adelbodner Fensterbaufirma: Sie ist jetzt auf der Liste des Berner Denkmalschutzes als einer von nur drei Herstellern dafür qualifiziert.
Neue Technik als Herausforderung
Die Dämmung mit Steinwolle und Holzfaserplatten erfolgte innerhalb der Konstruktion, was dank der Platzverhältnisse und Raumhöhen machbar war. Ein sichtbarer Kompromiss wurde für die Scheune, die heutige Garage, eingegangen: Ein neues Betonfundament stützt diese. Ansonsten wurden die alten Bauteile nicht um jeden Preis in Blei und Senkel gedrückt. Zur Sanierung gehören zeitgemässe Installationen für Küche und Bad sowie für Energie und Wärme. Diese sind im Keller untergebracht und umfassen auch eine Wärmepumpe, die entgegen der Gewohnheit nicht draussen steht, sondern versteckt ist.
Bei der Kombination und Abstimmung der verschiedenen Steuerungen und Geräte orten die Bewohner rückblickend das grösste Verbesserungspotenzial. Die Geräte sollten – auch zwischen verschiedenen Produktmarken – kompatibel sein. Die Bauherren sehen darin hingegen auch Chancen für lokale und innovative Planer und Handwerker, markenübergreifende Lösungen zu erarbeiten – «wobei wir die geleistete Arbeit der Kandertaler Firmen rühmen können».
Die Tür hinter der Verkleidung
Zu diesem historischen Schmuckstück kam das Paar zufällig. «Wir haben aber sofort gesehen, was man daraus machen könnte. Während den letzten 15 Jahren wurde das Gebäude nur sporadisch von der Erbengemeinschaft für Ferienaufenthalte genutzt. Die Vorbesitzer überliessen das Haus denjenigen Interessenten, die das aus ihrer Sicht beste und nachhaltigste Projekt vorlegten», erklärt der Bauherr. Im September 2022 konnte mit dem Umbau angefangen werden, der Einzug erfolgte im Frühjahr 2023. Nicht nur der grosse Sitzofen und diverse nostalgische Einrichtungsgegenstände blieben erhalten, auch wurden die Bleirohre für Stromleitungen soweit möglich weiterverwendet. Die eine oder andere Überraschung gab es beim Entfernen der Wandverkleidungen. So kam eine alte Holztür mit Schnitzereien zum Vorschein. Als Tür wird sie nicht mehr genutzt, sondern bildet jetzt einen sichtbaren Teil der Zimmerwand.
Die Hausinschrift als Pendenz
Die Umsetzung ist nicht nur für die Planer und Handwerker eine Referenz, sondern auch ein Beispiel für die gelungene Modernisierung eines denkmalgeschützten Gebäudes inklusive seines Umfeldes – bestehende ProSpecieRara-Bäume wurden mit zusätzlichen ergänzt. Dass die Realisierung dieses unscheinbaren Paradieses in Frutigen aufwendig ist, streiten die beiden nicht ab. Sie würden es aber definitiv noch einmal genauso machen, sagen sie voller Überzeugung. Bereits geplant ist eine Renovation der Laube sowie der Hausinschriften. Fertig ist ein so geschichtsträchtiges Haus eben nie …
Prix lignum
Dieser Preis wird alle drei Jahre von Verbänden der Schweizer Holzwirtschaft vergeben, um herausragende Leistungen und innovative Projekte im Bereich Holzverwendung auszuzeichnen. In den Kategorien Holzausbauten und Schreinerarbeiten wurde 2024 erstmals ein Publikumsvoting durchgeführt, Fachjurys beurteilen die Eingaben professionell. Eingereicht werden konnten Projekte vom Möbelstück über den Innenausbau bis hin zu ganzen Wohnsiedlungen. Insgesamt 583 Anmeldungen gab es im laufenden Jahr. Die Preisträger werden am 19. / 20. September bekannt gegeben.
HSF
Infos: www.prixlignum.ch