Zu grossflächig, zu pauschal?
25.11.2022 PolitikKANTON Welche Tierarten brauchen Schutz – und wie weit sollte dieser gehen? Vier Grossräte, darunter auch der Adelbodner Jakob Schwarz (EDU), beantworten diese Fragen anders als das Jagdsinspektorat. Per Motion fordern sie «differenzierte» Massnahmen in den ...
KANTON Welche Tierarten brauchen Schutz – und wie weit sollte dieser gehen? Vier Grossräte, darunter auch der Adelbodner Jakob Schwarz (EDU), beantworten diese Fragen anders als das Jagdsinspektorat. Per Motion fordern sie «differenzierte» Massnahmen in den Wildschutzgebieten.
BIANCA HÜSING
Seit 2016 überarbeitet der Kanton Bern schrittweise seine Verordnung über den Wildtierschutz. Die dritte und letzte Tranche dieser Revision steht kurz vor ihrer Inkraftsetzung – und sorgt wie schon die zwei Tranchen davor für Missmut. Kritik kommt vor allem aus touristischer Richtung. Doch auch Verbände wie die IG Ländlicher Raum lehnen die geplanten Massnahmen ab. Ihre Begründung: Die Wildruhezonen würden zu grossflächig angelegt und die Einschränkungen darin seien unverhältnismässig.
Auch diesmal will der Kanton diverse Schutzzonen neu festlegen oder die Massnahmen in bestehenden Zonen ausweiten. Nebst Regeln zur Jagd sollen mancherorts auch eine Anleinpflicht für Hunde oder ein Nutzungsverbot für unmarkierte Wege gelten. Das Frutigland wäre gleich mehrfach betroffen. Hier sollen Schutzgebiete um den Niesen und im Raum Grosser Lohner mit unterschiedlich strengen Neuregelungen entstehen (der «Frutigländer» berichtete).
Einschränkungen möglichst nur im Winter – und nur für bedrohte Arten
Das kantonale Jagdinspektorat will damit den Wildtierschutz auch auf nicht jagdbare Arten wie Raufusshühner ausweiten und sie vor störenden Einflüssen bewahren. Darüber, welche Tiere geschützt werden müssen und wie weit dieser Schutz gehen soll, scheiden sich indes die Geister. Kurz vor Abschluss der Revision schalten sich nun auch einige Grossräte ein. Eine fraktionsübergreifende Motion unter der Federführung Peter Flücks (FDP) und unter Beteiligung des Adelbodners Jakob Schwarz (EDU) fordert «differenzierte Rahmenbedingungen». Erstens sollen Weggebote und Einschränkungen nur in den (oft deutlich kleineren) Kernzonen der Wildtierschutzgebiete gelten. Zweitens sollen sie ausserhalb der Wintersaison nur dann erlassen werden, wenn sie zum Schutz bedrohter Arten erforderlich sind (also von Tieren, die auf der sogenannten «Roten Liste» stehen). Dass etwa auch Schalenwild trotz hoher Bestände geschützt wird, halten die Motionäre für kontraproduktiv im Hinblick auf die alpine Flora und den Zustand von Schutzwäldern. Stattdessen müsse man sich vielmehr nach der Biodiversität und dem Erhalt tatsächlich bedrohter Arten ausrichten. Auch Wegnutzungsverbote im Sommer sind aus Sicht von Jakob Schwarz und Co. nicht nötig, da die gängigen Routen ohne Schnee gut sichtbar seien und damit auch automatisch genutzt würden. «Das Gelände kanalisiert die Aktivitäten in den Bereichen Sport, Freizeit und Tourismus wirkungsvoll und hält allfällige Störungseffekte in engen Grenzen», sind die Motionäre überzeugt. Zudem seien die Lebensbedingungen für Wildtiere in der warmen Jahreszeit deutlich besser. Schutzmassnahmen seien daher nur für bedrohte Arten angezeigt – etwa für das Auerhuhn.
Landen Tiere erst auf der Roten Liste, ist es im Prinzip zu spät
Dass tierische und menschliche Interessen nicht immer kompatibel sind, weiss auch der Regierungsrat. In seiner Antwort auf die Motion betont er, er lege «Wert auf ausgewogene Lösungen, in denen weder ausgeprägte Schutz- noch Nutzeranliegen durchdringen, sondern die beiden Extreme, wo immer möglich, miteinander in Einklang gebracht werden». Daher tue man mit der Revision genau das, was die Motionäre fordern: sich auf Kernzonen konzentrieren und vielerorts nur saisonale Weggebote erlassen. In manchen Wildschutzgebieten habe man sogar keinerlei Einschränkungen beschlossen. Einzelne Gebiete wie der Grosse Lohner seien jedoch «derart wertvoll, dass sie einen grossflächigeren Schutz verdienen». Weil dieser Punkt der Motion aus Sicht des Regierungsrats bereits hinreichend erfüllt ist, empfiehlt er ihn zur Annahme bei gleichzeitiger Abschreibung.
Den zweiten Punkt – also den sommerlichen Schutz auf Rote-Liste-Arten zu beschränken – lehnt die Kantonsregierung jedoch ab. Um das Ökosystem als Ganzes und die Artenvielfalt zu erhalten, könne man nicht nur seltene Tiere schützen. «Weiter wäre es nicht zielführend, wenn Arten erst einen Status der Gefährdung erreichen müssten, bevor sie geschützt werden könnten.» Tiere, die auf der Roten Liste landen, hätten bereits einen «Teil der wichtigen lokalen genetischen Variabilität verloren.»
Was das Schalenwild betrifft, hält der Regierungsrat fest, dass man auf Verbisschäden teils überhaupt erst durch die Revision reagieren könne. «Die Revision führt zum Beispiel dazu, dass Rothirsche vermehrt bejagt werden können, indem bisherige zeitliche und örtliche Schutzbestimmungen wegfallen.»
Die Motion wird voraussichtlich während der grossrätlichen Wintersession behandelt, die am Montag beginnt.