Kolumne – QUERGESEHEN
08.07.2025 KolumneNeben allen Gelegenheitstouristen trifft man in Adelboden auf zweierlei Menschen: auf Ortsansässige (mit 3400 Köpfen in der Minderheit) und auf Zweitwohnungsleute (es gibt 2900 Zweitwohnungen). In Anlehnung ans baupolizeiliche Vokabular könnte man sie Erstwohner und Zweitwohner ...
Neben allen Gelegenheitstouristen trifft man in Adelboden auf zweierlei Menschen: auf Ortsansässige (mit 3400 Köpfen in der Minderheit) und auf Zweitwohnungsleute (es gibt 2900 Zweitwohnungen). In Anlehnung ans baupolizeiliche Vokabular könnte man sie Erstwohner und Zweitwohner nennen. Doch Letztere haben sich selber irgendwann das Attribut «Zweitheimische» verliehen – so verwenden wir hier gerne diese nicht unsympathische, obendrein genderneutrale Bezeichnung.
Zweitheimische – ob in Dauermiete oder im Wohneigentum behaust – zeichnen sich oftmals dadurch aus, dass ihr Adelbodner Lokalpatriotismus jenen der Einheimischen übertrifft. Die zweifelhafte Fernsehserie «SRF bi de Lüt» vor einigen Jahren hat Zweitheimische im Schnitt jedenfalls kräftiger empört als die Ortsansässigen. Diese nahmen die Kränkung eher gelassen, wogegen viele Dauergäste aus dem Unterland ihre Ehre als Teilzeit-Adelbodner nachhaltig verletzt sahen.
In Adelboden zweitheimisch zu sein, erzeugt Identifikation mit dem Ort und mithin einen gewissen Stolz. Das zeigt sich darin, dass Zweitheimische für lokale Ereignisse und Projekte häufig mehr Interesse und Engagement aufbringen als durchschnittliche Einheimische (siehe die oft grottentiefe Beteiligung an Gemeindeversammlungen). Und man merkt es an der Freude der Zweitheimischen am Kontakt mit Ortsansässigen. Engere Bekanntschaft mit Adelbodner Ureinwohnern präsentieren Zweitheimische manchmal fast wie eine Trophäe. Ob dies immer auf Gegenseitigkeit beruht, bleibe dahingestellt.
Es gibt in Adelboden zwei Organisationen, die um das Zweitwohnen kreisen. Da ist der Verein «Oniborg», wo sich Einheimische und Zweitheimische regelmässig zu Veranstaltungen treffen. Etwa hälftig sollte das Verhältnis sein – doch mit dem wachsenden Zuspruch von Auswärtigen zu dieser Begegnungsplattform ist die Ausgewogenheit schwer zu halten. Und da ist der viel grössere «Verein Stammgäste Adelboden» (VSA). Er versteht sich als Lobby der Zweitheimischen und hat deren Interessen in der Vergangenheit – etwa in Kurtaxen- und Stromtariffragen – mitunter ziemlich rabiat verteidigt. Heute pflegt der VSA vermehrt seine übrigen statutarischen Ziele, nämlich das gute Einvernehmen mit Ortsbevölkerung und Behörden und die gedeihliche Entwicklung des Ferienorts. Die nicht mehr so streitfreudige Haltung des VSA nehmen langsam, aber sicher auch die Einheimischen wahr. Ihnen bleibt das Missbehagen darüber, dass die Nachfrage nach Zweitwohnungen – oft an bester Lage, oft mit geschlossenen Fensterläden – die Wohnkosten für Ortsansässige ins Unerschwingliche treibt. Aber sie wissen auch, dass die Zweitheimischen (wenn sie denn tatsächlich im Dorf statt in der Migros einkaufen und ihre Küchen nicht bei IKEA bestellen) eine unerlässliche Stütze für das lokale Gewerbe und den Tourismus bilden. Und dies nicht nur während der Hochsaison. Insofern liegt Harmonie in der Luft: ob einheimisch oder zweitheimisch – Hauptsache heimisch.
TONI KOLLER TONI_KOLLER@BLUEWIN.CH
REDAKTION@FRUTIGLAENDER.CH