Auf dem Lawinenkegel zählt jede Minute
29.12.2017 Region, NaturNATURGEFAHREN Bei einem Lawinenniedergang mit Verschütteten zählt jede Minute. Die dreijährige Labradorhündin Woya und die Frutigerin Karin Schmid sind nach harter Aufbauarbeit seit letztem Winter ein einsatzfähiges Lawinenhundeteam.
YVONNE SCHMOKER
Trotz ...
NATURGEFAHREN Bei einem Lawinenniedergang mit Verschütteten zählt jede Minute. Die dreijährige Labradorhündin Woya und die Frutigerin Karin Schmid sind nach harter Aufbauarbeit seit letztem Winter ein einsatzfähiges Lawinenhundeteam.
YVONNE SCHMOKER
Trotz zunehmender Winteraktivitäten ausserhalb der kontrollierten Pisten passierten in den vergangenen Jahren immer weniger tödliche Lawinenunfälle. Material und Ausbildungsstand der Varianten- und Skitourenfahrer wurden verbessert. Ebenso der Einsatz der Rega mit ihren gut ausgebildeten Fachspezialisten der Alpinen Rettung Schweiz ARS, die meist innert weniger Minuten auf dem Unfallplatz eintreffen. Auf dem Lawinenkegel wird das Hundeteam als effiziente Suchhilfe (Ortungshilfe) für Verschüttete abgesetzt. Die Ausbildung zum Fachspezialisten Hund Lawinen LW ist aufwendig und bedeutet mindestens zwei Jahre anspruchsvolle Vorbereitung in den Regionalvereinen der ARS bis zur Einsatzfähigkeit.
Eine Kindertraum wird wahr
«Bereits als Kind träumte ich davon, mit einem eigenen Hund in der Natur unterwegs zu sein», erzählt Karin Schmid. Mit ihrer Familie und der JO des SAC Altels machte die Frutigerin erste Schritte im alpinen Gelände und wurde so zu einer begeisterten Berggängerin zu allen Jahreszeiten. Seit 2008, nach ihrer Lehre als Hauspflegerin, arbeitet sie für die Spitex Niesen, und der Wunsch nach einem Hund konkretisierte sich. 2007 fand sie in der neunmonatigen Flat-Coated-Mischlingshündin Mia ihre grosse Liebe und Leidenschaft. Die Frutigerin wollte mit ihrem Hund arbeiten, sie zur Therapiehündin ausbilden. Nachdem sie aber den Einstieg in die regionale Rettungshundegruppe gefunden hatte, wurden ihre Ziele neu definiert: Arbeit in der Alpinen Rettung als Hundeteam. «Nur dank einer grossartigen Zusammenarbeit im Regionalverein Alpine Rettung Bern ARBE erreichten wir nach drei Jahren die Einsatzfähigkeit zum Geländesuch-Hunde-Team GS», meint Schmid dankbar. «Dabei führen die Hunde uns Bergretter mit ihren feinen Nasen immer zielstrebig zu den Vermissten.»
Diese erfüllende gemeinsame Aufgabe in der Natur bei jedem Wetter wurde 2014 jäh durch den frühen Tod Mias beendet.
Neuer Hund, neue Ziele
«Um einiges erfahrener suchte ich mir diesmal mit Woya einen Labradorwelpen aus einer Arbeitslinie aus», erzählt Schmid und fährt fort: «Die Aufbauarbeit mit einem Welpen ist effizient, da der Hund in seinen ersten Lebensmonaten enorm viel aufnimmt und ebenso die Bindung zu seinem Meister vertieft. Zur Sozialisierung durfte Woya sich in der Welpenspielgruppe mit anderen Hunden austoben.» Über Belohnungen wie Gudelis und Spielen erreichte die Frutigerin immer mehr die Aufmerksamkeit und Unterordnung ihrer Hündin. Woya ist von sensibler Natur, arbeitswillig, handelt überlegt, langweilt sich beim Spazieren, liebt aber anspruchsvolle Gratwanderungen und hat einen guten Urinstinkt, der sie zur selbstsicheren Hündin macht. Nach den bestandenen Eintrittstests begann das Team die zielgerichtete Ausbildung in der Alpinen Rettung zum Lawinenund Geländesuchhund (siehe Kasten).
Viel Üben und wenig Einsätze
Wie ihr 80-Prozent-Job gehört nun auch die gemeinsame Arbeit mit Woya zu Karin Schmids Lebensaufgabe. Karin und Woya arbeiten in der Rettungsstation Adelboden mit den beiden anderen Fachspezialisten Jeannette Bircher und Dölf Rösti. In Kandersteg ist ihr Partner Rinaldo Rufibach für die Winter- und Sommerrettung tätig und im Suld / Kiental Bernhard Bühler. «Dank des regelmässigen Trainings mit meinen Kollegen im Regionalverein ARBE erreichten Woya und ich im vergangenen Winter die Einsatzfähigkeit zum Lawinen- und im Sommer zum Geländesuchhundeteam», meint die Frutigerin.
Alle zwei Jahre muss das Team sich in einer Prüfung die Einsatzfähigkeit bestätigen lassen. Die fünf Hundeteams des Frutiglandes teilen sich den Pikettdienst. Dabei müssen sie innert zehn Minuten einsatzbereit sein und dürfen das Tal nicht verlassen. Um für den Ernstfall gut vorbereitet zu sein, heisst es immer wieder üben – und das alles in Freiwilligenarbeit. Nur der Einsatz wird von der REGA entlöhnt, und die Kurse inklusive Übernachtung und Hinfahrt werden bezahlt. Aber die Faszination der gemeinsamen Arbeit zur Rettung von Menschenleben lässt alle Mühsale im Übungsgelände bei Sturm und Schneefall vergessen. Und wenn Karin ihren Rucksack packt, springt Woya freudig von ihrer Decke und wartet ungeduldig bellend vor der Tür auf ihren nächsten Einsatz.
Ausbildung zum Lawinenhundeteam
Voraussetzungen für den Eintrittstest zur Lawinenhundeführerausbildung sind: Aktiver Alpinist und Bergretter einer Rettungsstation, hohe Sozialkompetenz und Interesse an Notfallmedizin. Die eineinhalbjährige modulare Ausbildung zum Lawinenhundeführer beginnt mit dem Eintrittstest. Danach folgen Module bei ARS und Rega, und Kurse über Lawinen, Medizin, Orientierung, Navigation im Gelände und Einsatztaktik sowie auch intensive Arbeit mit dem Hund im Gelände. Das einsatzfähige Lawinensuchhundeteam muss im alpinen Einsatzgebiet wohnen und arbeiten und die Einwilligung vom Arbeitgeber ausweisen. Während ihres Pikettdienstes müssen sie innert zehn Minuten abholbereit für den Einsatz sein. Die Arbeit als Lawinenhundeteam verlangt ein stark strukturiertes Leben und Freude und Leidenschaft an der Arbeit mit dem Hund. Alles Gelernte muss immer wieder repetiert werden, was gute Unterstützung von Kollegen, Familie und Freunden voraussetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer Web-Link-Übersicht unter www.frutiglaender.ch/web-links.html