Bryan kriegt neue «Schuhe»
29.12.2017 Frutigen, Aeschi, Aeschiried, GesellschaftHufeisen gelten als Glückssymbol und werden zum Jahreswechsel gerne verschenkt. Aus diesem Anlass hat der «Frutigländer» einem Hufschmied beim Pferde-Beschlagen über die Schultern geguckt und den Irish Cob «Bryan» erzählen lassen, wie es ihm dabei ergeht.
KATHARINA ...
Hufeisen gelten als Glückssymbol und werden zum Jahreswechsel gerne verschenkt. Aus diesem Anlass hat der «Frutigländer» einem Hufschmied beim Pferde-Beschlagen über die Schultern geguckt und den Irish Cob «Bryan» erzählen lassen, wie es ihm dabei ergeht.
KATHARINA WITTWER
«Mein Name ist Bryan. Ich bin ein elfjähriger Irish-Cob-Wallach. Weide und Stall teile ich mit dem Haflinger-Wallach Giovanni. Er ist bereits ein älterer Herr. Tagsüber sind wir bei trockener Witterung auf der Weide an Reinisch. Jeden Morgen freue ich mich aufs Ausreiten mit Karin Thöni, meiner Besitzerin. Auch Bodenarbeit bereitet mir Spass. Dabei geht es weder darum, in der Erde zu scharren noch darum, Purzelbäume zu schlagen. Es ist ein gezieltes Training, um meine gesamte Muskulatur zu stärken. Arthrose ist nämlich ein häufiges Pferdeleiden, und dem gilt es vorzubeugen.
Seit meinem siebten Lebensjahr erhalte ich alle fünf bis sechs Wochen neues ‹Schuhwerk›. Bei Giovanni ist das wegen seines fast biblischen Alters von 27 Jahren halb so häufig notwendig: Seine Hufe wachsen nur noch langsam. Hartbelag reibt unsere Hufe schneller ab, als sie nachwachsen. Ohne den Schutz durch Hufeisen würden wir also unsere Füsse blutig laufen. Die wildlebenden Pferde in meiner Heimat Irland oder irgendwo in einer Steppe benötigen dagegen keine Eisen, weil sie sich ausschliesslich auf weichem Untergrund bewegen.
Der Schmied meines Vertrauens heisst Fritz Grossen. Er kommt mit seinem Pick-up zu uns nach Frutigen und hat alles Notwendige dabei: Einen Gasofen (anstelle der traditionellen Esse), Gasflaschen, Amboss, Hammer, allerlei Werkzeug, Hufeisen und Nägel sowie für sich selber Knieschoner und Lederschürze. Aus Erfahrung weiss ich, dass diese einstündige Prozedur nicht schmerzt. Aufgeregt bin ich trotzdem jedes Mal ein bisschen.
Karin hebt erst mein linkes Vorderbein, und Fritz entfernt mit der Zange das alte Eisen. Anschliessend schneidet er meine seit der letzten ‹Pediküre› beachtlich gewachsenen Hufe. Bevor er beim letzten Bein angelangt ist, heizt seine Ehefrau und Assistentin Vroni den Ofen ein. Hufeisen ‹ab Stange› gibt es in schier unzähligen Grössen und Modellen. Fritz hat für seine rund 30 vierbeinigen Klienten etwa 20 verschiedene Grössen vorrätig. Ich benötige Hufeisennummer 3 oder 4. Bei über tausend Grad wird das Eisen zum Glühen gebracht. Jetzt verpasst ihm der Schmied mit präzisen Hammerschlägen die richtige Form. Eisen für die Vor- und Hinterhufe sind übrigens nicht identisch. Sobald der Schmied das heisse Eisen auf meinen Huf drückt, hustet und japst Karin. Ihr steigt der stinkende Rauch jedes Mal ins Gesicht und vor allem in die Nase. Im Winter klebt der Schnee gerne an den Hufen, was unangenehm oder gar gefährlich ist, denn ich könnte ausrutschen. Um dies zu vermeiden, werden mir zwischen Huf und Eisen sogenannte ‹Grips› aus Kunststoff befestigt. Nun nagelt Fritz die beiden Passformen an. Dies sei die heikelste Arbeit, hörte ich ihn einmal sagen. Es gebe keinen Schmied, der noch nie ein Pferd ‹vernagelt› habe. ‹Vernageln› ist, wenn die Spitzen versehentlich bis ins Fleisch getrieben werden. Das muss sehr schmerzhaft sein und kann Entzündungen verursachen. Bei mir ist das zum Glück noch nie passiert. Am Schluss raspelt Fritz den Huf nach und schneidet die herausstehenden Nagelspitzen ab, damit ich mich nicht selber verletze.
Bevor ich auf die schneebedeckte Weide entlassen werde, trabt Karin mit mir über den Hof. Dabei beobachtet Fritz Grossen mit Kennerblick, ob ich auch jeden Fuss richtig aufsetze und korrekt abrolle.»
In Fritz Grossens Schmiede in Aeschi gibt es eine schöne Tradition: Seit Jahren entfacht der diplomierte Huf- und Wagenschmiedemeister am 31. Dezember kurz vor Mitternacht ein Feuer in der Esse. Aus einem Stück Eisen schmiedet er ein Hufeisen. Zuschauer sind willkommen.
Der gebogene Glücksbringer
Das Pferd war seit jeher ein edles und teures Tier. Zugleich galt es wegen seiner Stärke (PS) als Symbol für Kraft. Nachdem die Römer das Beschlagen von Pferdehufen eingeführt hatten, entwickelte sich das Hufeisen in vielen Kulturen zum Glückssymbol. Wer sich kein Pferd leisten konnte, schätzte sich schon glücklich, wenn er ein Hufeisen am Wegesrand fand. Auch heute kommt das gebogene Eisen nicht nur beim Reiten zum Einsatz. Ein mit der Öffnung nach oben an ein Gebäude genageltes Hufeisen etwa soll das Glück auffangen. Dies kann allerdings auch Teufelshörner symbolisieren. Zeigt die Öffnung jedoch nach unten, kann das Glück herausfallen. Um sicher zu gehen, befestigt man darum zwei Eisen oberhalb der Haustüre. Ein nach rechts offenes Eisen wiederum stellt ein «C» für «Christus» dar. Ob wir an diese Symbole glauben oder nicht – beliebt sind Hufeisen als Glücksbringer nach wie vor. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie aus Eisen, Schokolade oder Marzipan bestehen oder auf Glückwunschkarten gedruckt sind.
Berufsausbildung Hufschmied
Die Erstausbildung zum Hufschmied dauert vier Jahre. Anforderungen sind Freude an Pferden, ein respektvoller Umgang mit den Besitzern, geschickte Hände im Verarbeiten von Metall, gute körperliche Verfassung, Wetterfestigkeit und Beweglichkeit. Nebst allgemeinbildenden und berufstechnischen Fächern wird an der Berufsfachschule (einen Tag pro Woche) Hippologie unterrichtet. Dazu gehören Anatomie, Gesundheit und Erkrankungen der Tiere, das Verhältnis zum Menschen sowie der Einsatz und die Verwendung von Pferden, Eseln und Maultieren. Weil viele Betriebe stets nur einen Lernenden ausbilden, sind Lehrstellen rar. (QUELLE: BERUFSBERATUNG SCHWEIZ)