Der Fakten-Politiker tritt ab
29.12.2017 Frutigen, Bildung|Schule, PolitikAcht Jahre lang führte er das anspruchsvolle Bildungsressort, das Amt füllte er mit grosser Hingabe aus. Populär aber war der Frutiger Gemeinderat Hans Peter Bach nicht. Denn dafür war er zu ehrlich.
JULIAN ZAHND
Gute Politiker, so sagt man, agieren rhetorisch ...
Acht Jahre lang führte er das anspruchsvolle Bildungsressort, das Amt füllte er mit grosser Hingabe aus. Populär aber war der Frutiger Gemeinderat Hans Peter Bach nicht. Denn dafür war er zu ehrlich.
JULIAN ZAHND
Gute Politiker, so sagt man, agieren rhetorisch brillant. Sie wissen sich zu verkaufen, wählen klare Worte und umschiffen politische Klippen gekonnt. Bloss an solchen Kriterien gemessen, war Hans Peter Bach kein guter Politiker – sogar ein ziemlich schlechter. Denn er erzählte nicht, was die Leute hören wollten, sondern, was ihm die Zahlen sagten. Als Mitarbeiter beim Eidgenössischen Institut für Metrologie kennt er sich mit Massen und Berechnungen aus. Die Wissenschaft prägte auch seinen Stil: Den Botschaften lagen oftmals Berechnungsmodelle zugrunde, statt von Gewissheiten sprach er lieber von Szenarien und Risiken.
Mit seiner Politik erreichte Hans Peter Bach einiges: Der Blick nach vorn ermöglichte es ihm, inmitten der bewegten Bildungslandschaft die Ruhe zu bewahren und ohne Zeitnot nach geeigneten Lösungen zu suchen. Seine Analysen trugen zur besseren Strukturierung des Bildungs- wie auch des Asylbereichs bei, zahlreiche neue Angebote entstanden unter seiner Federführung.
Zu wenig Rückgrat?
Längst nicht alle Frutiger sind ihm für seine Politik dankbar. Bis zuletzt hielt er an der Kernbotschaft fest, dass das dezentrale Schulsystem in der Gemeinde gefährdet sei. In manchen Kreisen zementierte er damit die Meinung, er verfüge über zu wenig Rückgrat, um gegenüber dem Kanton für die Interessen Frutigens einzustehen.
Ist der Bildungspolitiker so etwas wie ein tragischer Held? Hans Peter Bach wäre nicht er selbst, wenn er sich so bezeichnen würde. Pathos behagt ihm nicht. Der Kritik begegnete er denn auch stets sachlich – was aber nicht bedeutet, dass er sie immer verstand, wie er im Interview verrät.
«Frutigländer»: Herr Bach, wie viel Zeit investierten Sie durchschnittlich in Ihr Amt?
Rund einen Tag pro Woche.
Das entspricht dem üblichen Pensum eines Gemeinderates. Beanspruchte der Bereich Bildung nicht etwas mehr Zeit als andere Ressorts?
Die 20 Prozent beziehen sich auf die formellen Tätigkeiten als Gemeinderat, etwa Sitzungen und politische Anlässe. Hinzu kam bei mir noch das Erarbeiten diverser Konzepte abends oder auch mal nachts. Diese waren enorm wichtig, um Geschäfte durchzubringen. Zusammengerechnet ergibt das ungefähr 30 Prozent.
Raubte Ihnen das Amt somit auch mal den Schlaf?
Ich hatte keine schlaflosen Nächte. Aber wenn mir etwas in den Sinn kam, hatte ich das Bedürfnis, es sogleich aufzuschreiben.
Ihr Ressort war also zeitintensiv – und emotional aufgeladen. Lehrplan 21, Schulsozialarbeit, Klassenschliessungen: Kaum ein anderer Politikbereich schlug in Frutigen so hohe Wellen wie die Bildung. Ist das Ressort undankbar?
Einerseits ist Bildung etwas, das jeder schätzt und als wichtig erachtet. Ich glaube, dass sie ein Schlüssel zur Lösung vieler Probleme auf dieser Welt ist. Das ist natürlich motivierend. Gleichzeitig musste ich lernen, Kritik mit einer gewissen Distanz zu begegnen und als Herausforderung zu sehen.
Bleiben wir zunächst beim Positiven: Gibt es Punkte, auf die Sie mit Stolz zurückblicken?
Bildung ist ein teures Gut. Ich bin froh, dass wir die nötige Erhöhung der finanziellen Mittel erreichen konnten. In den letzten Jahren sind wichtige Angebote entstanden wie etwa die Schulsozialarbeit oder die besonderen Massnahmen für SchülerInnen mit speziellem Förderungsbedarf.
Sie investierten viel Zeit in die Bildung. Hat Sie der Bereich von Anfang an interessiert oder wuchsen Sie in das Amt hinein?
Ersteres. Vor meiner Wahl in den Gemeinderat präsidierte ich die Bildungskommission. Als mein Ausscheiden wegen Amtszeitbeschränkung bevorstand, suchte ich nach Möglichkeiten, in diesem Bereich weiterzuarbeiten. Die Wahl in den Gemeinderat war die einzige Möglichkeit. Ich kandidierte also mit dem klaren Ziel, Bildungsvorsteher zu werden, die anderen Ressorts interessierten mich weniger. Das war risikoreich, ging letztlich aber auf.
Die Konkurrenz dürfte überschaubar gewesen sein. An emotionalen Themen will sich niemand die Finger verbrennen.
2010 war das anders, auch die SVP interessierte sich für das Ressort. Die Partei hatte bereits damals Versprechungen gemacht und wollte konsequenterweise Verantwortung übernehmen – aber nur als Partei. Schliesslich fand sich nämlich keine Einzelperson, die sich zur Verfügung stellen wollte. Daran war ich nicht ganz unschuldig: Aus der Kommission wusste ich, dass eine Klassenschliessung anstand, über die das Bildungsressort demnächst informieren musste. Ich machte meine Gegner darauf aufmerksam, dass dies ein denkbar schlechter Start für einen Politiker wäre, der zuvor das Gegenteil versprochen hatte.
Sie erhielten also Ihr Wunschressort. Auf lokaler Ebene hat man nun aber wenig Spielraum, die Bildungslandschaft zu gestalten. Vieles entscheidet der Kanton. Macht dies das Amt nicht unattraktiv?
Die kantonale Einflussnahme wird oftmals überschätzt. Bei den Schülerzahlen etwa haben wir beträchtlichen Spielraum, den wir auch nutzen. Ebenso können wir als Gemeinde wählen, ob wir Angebote wie die Basisstufe oder die Schulsozialarbeit einführen wollen. Auch das Festhalten an den dezentralen Schulstrukturen ist Frutigens eigene Entscheidung.
Die freie Wahl ist so lange möglich, bis der Druck so gross wird, dass man reagieren muss. Ihr politischer Ansatz war es, solche Szenarien möglichst früh zu erkennen.
Bereits in meiner Zeit als Kommissionsmitglied kam es zu plötzlichen Klassenschliessungen. Das waren unschöne Situationen. Wir erarbeiteten daher ein Tool, das es uns ermöglichte, die Schülerzahlen der nächsten 5 bis 10 Jahre vorauszusehen. Der strukturierte Blick brachte mehr Ruhe. In den Fällen Reinisch und Winklen ermöglichte er beispielsweise eine gute Lösung: Mit der Einführung einer Basisstufe konnte der Weiterbestand dieser Standorte gewährleistet werden.
Es ist paradox: Sie wollten für mehr Ruhe sorgen, handelten sich aber in manchen Kreisen den Ruf ein als einer, der stets das Schlimmste befürchtet.
Wir sahen voraus, dass sich die Situation mit den Schülerzahlen verschärfen würde. Solche Dinge hören die Leute nicht gerne. Auf den Schock folgt dann die Abwehrhaltung. Das ist aber verständlich und nicht weiter schlimm.
Die Kritik wurde aber zunehmend heftig und verliess die Ebene der Sachlichkeit.
Manchmal schon. Manche Leute glaubten, dass wir einen geheimen Plan ausheckten und in Wahrheit Klassen in den Randregionen schliessen wollten. Das grenzt fast schon an Verschwörungstheorie.
In den Wahlen machte sich das bemerkbar: Vor vier Jahren wurden Sie noch mit Glanzresultat wiedergewählt. Im letzten Jahr unterlagen Sie jedoch im Rennen um das Gemeinderatspräsidium. Bei den Wahlen vor ein paar Wochen schnitt Ihre Partei, die EVP, schlecht ab. Ist Ihr vorausschauender Politstil in Frutigen überhaupt erwünscht?
Von solchen Überlegungen lasse ich mich nicht leiten. Zwar wurde ich von aussen immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass meine Botschaften schlecht ankommen könnten. Ich fühlte mich dennoch verpflichtet, transparent zu sein. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass ein Problem eintrifft, das man hätte vorhersehen und womöglich lösen können.
Dennoch: Die Leute wollen doch einfache Voten und klare Versprechen. Hätten Sie sich als Politiker nicht etwas anpassen müssen?
Die Wiederwahl war für mich Legitimation genug, meinen Politstil weiter zu pflegen wie bisher. Meine Denkart ist tief verwurzelt und sicher auch von meiner beruflichen Tätigkeit geprägt. Als Ingenieur muss man weit vorausplanen und möglichst alle Eventualitäten mit einbeziehen. Vielleicht sind Ingenieure dadurch tatsächlich nicht sehr geeignet für die Politik.
Ist diese Bilanz frustrierend?
Überhaupt nicht. Ich trete mit einem guten Gefühl ab. Letztlich hielten sich Unterstützer und Kritiker in etwa die Waage. Erstere sind halt einfach weniger laut. Grundsätzlich hätte ich meine Arbeit aber gerne noch weiter ausgeübt, um angefangene Projekte fortzuführen.
Stattdessen folgt nun ein Bruch: Christof Pieren ist als Vorsitzender der IG-Bäuertschulen quasi Ihr politischer Gegenpart. Ein schlechtes Omen?
Ich glaube nicht, dass mein Nachfolger die Bildungspolitik auf den Kopf stellen wird. Einerseits sind viele äussere Umstände unumstösslich. Andererseits übt das Amt mit der Zeit auch einen Einfluss auf die Persönlichkeit aus. Christof Pieren hat ein Herz für die Schulen, das spürt man. Und ich bin überzeugt, dass es in Zukunft ebenso für die Standorte im Zentrum schlagen wird.
Bald ist Jahreswechsel. Was wünschen Sie sich für die Frutiger Bildungslandschaft?
Dass in Zukunft all jenes nicht eintrifft, was ich vermute. Und falls doch: Dass man die nötigen Voraussetzungen schafft, um die Herausforderung ruhig anzugehen statt Hauruck-Aktionen zu tätigen.