Ist vom Sunnehus die Rede, denken viele noch immer an ein Kinderheim. Dabei macht der Wohnbereich nur noch einen Teil der Arbeit aus – im Vordergrund steht heute die Begleitung von Familien. Das zeigt sich auch am neuen Namen der Einrichtung.

MARK POLLMEIER
Ein fröhlich-farbiger Lattenzaun, eine bunt bemalte Holzhütte, dazwischen flattern Wimpel im Wind. Wer das Sunnehus-Areal betritt, merkt sofort: Hier stehen Kinder und Jugendliche im Mittelpunkt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Lange war das Sunnehus tatsächlich vor allem ein Kinderheim. Doch in den vergangenen Jahren hat sich die Institution enorm weiterentwickelt. «Heute bieten wir sozialpädagogische Dienstleistungen für Familien an», erklärt Daniel Kohl, der Co-Leiter der Einrichtung.

Soziale Dienstleistungen – was das heisst, ergänzt Kohls Kollegin Karin Rauber, die zweite Co-Leiterin. «Wir begleiten Familien zum Beispiel, wenn die Eltern mit dem herausfordernden Verhalten ihres Kindes nicht mehr weiterwissen oder wenn es Schwierigkeiten im Rahmen einer Trennung gibt», so Rauber. Wie diese Begleitung aussieht, kann von Fall zu Fall ganz verschieden sein. Oberstes Ziel sei aber, die Selbstständigkeit der Familie zu wahren, die Verantwortung weitgehend bei den Eltern zu belassen, betont Daniel Kohl. «Wann immer das möglich ist, soll ein Kind oder eine Jugendliche auch in der Familie bleiben.» Die Möglichkeit, auf dem Areal zu wohnen, besteht noch immer. Daniel Kohl und Karin Rauber sprechen von einem flexiblen Wohnsetting. «Wir haben hier das ganze Jahr Dienstbereitschaft, 24 Stunden am Tag. Es kann sein, dass mitten in der Nacht die KESB anruft, weil es eine Notsituation gibt und eine Unterbringungsmöglichkeit gebraucht wird», erläutert Rauber. «Die können wir dann bieten.»

Solche Unterbringungen können einen Tag, mehrere Wochen oder auch Jahre dauern. Teils geht es nur um die Kinder, teils sind Elternteile mit dabei. Mit dem früheren Heimbetrieb ist all das nicht mehr vergleichbar. Ob bei kurzen oder längeren Aufenthalten: Die Eltern der Kinder und Jugendlichen sind immer willkommen. Sie übernehmen Verantwortung für die Kinder, auch wenn diese im Sunnehus sind. Dies zum Beispiel in der Form, dass sie den Kindern bei den Hausaufgaben helfen oder sie im Sunnehus ins Bett bringen, je nach Situation mit mehr oder weniger Unterstützung von Mitarbeitenden. Weiter gibt es inzwischen auch externe Wohngemeinschaften, in denen junge Menschen eher lose betreut werden; auch die Zusammenarbeit mit Pflegefamilien hat an Bedeutung gewonnen.

35 MitarbeiterInnen hat die Einrichtung aktuell, ihre Stellenprozente reichen von 20 bis 100 Prozent. Passende Dienstpläne zu erstellen, sei manchmal schon eine Herausforderung, bestätigen Kohl und Rauber. «Wir haben Arbeitsbereiche, die wir gut planen können», so Rauber, etwa Gesprächs- oder Besuchstermine mit Familien. Durch den Pikettdienst rund um die Uhr könne es aber jederzeit zu nicht vorhersehbaren Einsätzen kommen. «Es gibt Zeiten, in denen es eher ruhig ist, aber auch turbulente Phasen», fasst Kohl zusammen. «Von unseren Mitarbeitern erfordert das eine sehr hohe Flexibilität.»

Das Sunnehus lebt weiter
Seit diesem Jahr ist das erweiterte Angebotsspektrum auch nach aussen hin sichtbar. Name und Statuten wurden in «Familienkooperation Oberland» geändert, «Sozialpädagogische Dienstleistungen» heisst es im Untertitel. Dass der neue Name teilweise als sperrig empfunden wird, ist Karin Rauber und Daniel Kohl bewusst – die Bezeichnung Sunnehus klang gefälliger. «Aber wir wollten unseren veränderten Fokus, die Zusammenarbeit mit Familien, auch im Namen deutlich machen», sagt Kohl. Ganz verschwinden wird das Sunnehus freilich nicht. Das Areal an der Winklenstrasse 21 mit den zwei Wohnhäusern, einer Scheune, einem Stöckli und dem grossen Spielplatz werden weiterhin den alten Namen tragen. Der Begriff der Kooperation bezieht sich indes nicht nur auf die Familien. «Es kommt vor, dass sich Eltern oder Jugendliche direkt an uns wenden», berichtet Karin Rauber. Meist seien es aber Behörden oder Organisationen aus dem Bereich der Kinder-, Jugend- und Familienarbeit, die den Kontakt aufnähmen, etwa die KESB oder der Regionale Sozialdienst. «Wir sind innerhalb der Region gut mit anderen Institutionen und Behörden vernetzt», beschreibt Daniel Kohl das Miteinander. Das Anliegen sei ja stets dasselbe, sagt Karin Rauber: «Eigentlich arbeiten wir ständig darauf hin, uns selbst überflüssig zu machen.»

Von der Kinderheimat zur Familienkooperation
Die Anfänge der heutigen Familienkoscher Pflegekinder.» So berichtete es operation Oberland reichen zurück in die damalige «Schweizer Illustrierte die 1940er-Jahre. Zeitung» (heute «Schweizer Illust- 1945 war vor dem Geschworenenrierte»). Der Verein habe in Frutigen gericht in Thun der Fall eines sogeein grosses Chalet erworben, um nannten Verdingbubs verhandelt worarmen, verlassenen Pflegekindern weden, der, gerade einmal fünf Jahre alt, nigstens vorübergehend ein Heim zu durch die schweren Körperstrafen bieten – die «Kinderheimat Sunnehus», eines Frutiger Bauernpaars zu Tode gewie die Institution in den ersten Jahren kommen war. «Unmittelbar nach dem hiess.
Pflegekind-Fall von Frutigen gründeten Auch die Familienkooperation Oberein paar Frauen des Dorfes unter dem land ist in der Rechtsform eines Ver-Präsidium von Frau E. Reichen die Vereins organisiert. Der Vorstand setzt einigung von Freunden schweizerisich zusammen aus dem Präsidenten Bruno Grossen-Wirth sowie fünf weiteren Mitgliedern. Die Familienkooperation untersteht der Aufsicht des Bundesamtes für Justiz sowie der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern. Bund und Kanton sind auch die Subventionsgeber und decken den Aufwandüberschuss der Einrichtung.
Auftraggeber der sozialen Dienstleistungen sind vor allem die KESB Oberland-West und der Regionale Sozialdienst Frutigen, sehr selten auch Jugendgericht bzw. Jugendanwaltschaft. Anfragen kommen aber auch von Privaten, etwa von Familien, die Unterstützung suchen.
Für jede Massnahme der Familienkooperation Oberland ist eine Indikation erforderlich, es muss also die Begründung einer Fachstelle vorliegen. Finanziert werden die Dienstleistungen auf unterschiedliche Art und Weise. Kostenträger können etwa das Bundesamt für Justiz, die Gesundheits- und Fürsorgedirektion oder das kantonale Jugendamt sein.

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